Prototyp einer Weltraum-Solarkraftwerkskachel

Solarenergie per Satellit Die Sonne im All anzapfen

Stand: 08.05.2023 12:55 Uhr

Seit mehr als einem halben Jahrhundert gibt es die Idee, Sonnenenergie gleich im All einzufangen, sie zu bündeln und als Strahl zur Erde zu schicken. Nun findet erstmals ein Praxistest statt.

Von Guido Meyer, NDR

Vor wenigen Wochen hat das California Institute of Technology womöglich ein neues Kapitel bei der Energieerzeugung aufgeschlagen: An Bord einer "Falcon 9"-Rakete von SpaceX schossen die Forscher erstmals einen Satelliten in den Weltraum, der gleich vor Ort, im All, Sonnenstrom erzeugen und zur Erde schicken kann.

"Space Solar Power Demonstrator" - kurz: "SSPD" - heißt der Satellit, der in den kommenden Monaten verschiedene Experimente durchführen wird. Der Satellit ist ungefähr so groß wie eine Waschmaschine. Auf seiner Außenseite sind eine Handvoll Boxen befestigt. In ihnen befinden sich dünne, leichte, aber hocheffiziente Solarzellen. "Wir glauben, diese Technologie könnte Solarstrom aus dem Weltraum in naher Zukunft rentabel machen", hofft Michael Kelzenberg vom Caltech.

Origami im Orbit

Die gefalteten Solarzellen haben sich im Orbit zu einem Sonnensegel entfaltet. "Wenn Sie an einem schönen Tag nach draußen gehen, dann nehmen Sie - gerade in Deutschland - oft trotzdem einen Regenschirm mit", veranschaulicht Harry Atwater, der Chef des Space Solar Power Projects am Caltech. "Aber Sie tragen ihn zusammengelegt."

Erst wenn es zu regnen beginnt, öffnen wir den Schirm. Genauso habe das Caltech seine Apparatur zusammengefaltet in der Raketenspitze ins All befördert. "Dort hat sie sich entfaltet, wie ein Regenschirm", so Atwater.

Das Vigoride-Raumschiff von Momentus mit dem auf der Oberseite integrierten Space Solar Power Demonstrator.

Das "SSPD" besteht aus verschiedenen Komponenten, die im All auf ihre Funktionsweise und Effizienz getestet werden.

Tests für optimale Übertragung

Eines der Experimente wird checken, wie effizient die aufgefaltete Apparatur Sonnenenergie einfangen kann. Ein zweites soll testen, wie sich der erzeugte Solarstrom in Mikrowellen umwandeln und dann auf die Erde schicken lässt.

Weil der Mikrowellenstrahl aus dem Orbit unterwegs ausfranst, müssen am Boden großflächige Antennenfelder gebaut werden, um die übertragene Energie aufzufangen, sogenannte Rectennas. Die Größe dieser Rectennas hängt von der Frequenz der Mikrowellen ab. Liegt sie beispielsweise bei 5,8 Gigahertz, müssten die rechteckigen Empfangsstationen am Boden eine Seitenlänge von rund fünf Kilometern haben. Auch die Solarsegel müssten auf eine Spannweite von mehreren Kilometern kommen, um effizient zu arbeiten.

Keine Gesundheitsgefahren

Für Menschen in der Umgebung der Antennen wäre die künstliche Mikrowellenstrahlung aus der Umlaufbahn keine akute Gefahr: Ihre Intensität entspräche etwa einem Siebtel der Mittagssonne. Auch Flugzeuge oder Vögel, die den Mikrowellenstrahl kurzzeitig durchqueren, wären nicht gefährdet. Der Handy-Empfang könnte allerdings durch Interferenzen gestört werden. Deshalb dürften solche Empfangsanlagen wohl eher in ländlichen Gegenden entstehen, wo sonst nur Farmen sind.

Für den Testsatelliten nutzt das Caltech erst einmal eine seiner eigenen Antennen auf dem Boden. Jedesmal, wenn der Satellit über Pasadena fliegt, sollen die Mikrowellenstrahlen aus dem All eingesammelt werden. "Das drahtlose System zur Energieübertragung, das wir testen, funktioniert so ähnlich wie ein Mobiltelefon", erklärt Atwater. "Doch unser System arbeitet mit einer höheren Frequenz von zehn Gigahertz."

Weltweiter Wettlauf

Die kalifornischen Wissenschaftler sind nicht allein in dem Bestreben, die Ideen für Solarkraftwerke im Orbit endlich Realität werden zu lassen. Die Europäer verfolgen mit dem Projekt Solaris ähnliche Ziele, allerdings eher langfristig. Bereits 2028 wollen auch die Chinesen zu Testzwecken einen Satelliten ins All schicken.

Den "Demonstrator" des Caltech hat der US-Philanthrop Donald Bren mit einer 100-Millionen-Dollar-Spende finanziert. Bislang habe der Satellit nur grundlegende Telemetriedaten zur Erde gefunkt, so Atwater. Die sehen aber gut aus: Die Position im All ist korrekt, alle Instrumente funktionieren. Demnächst werden die Experimente starten, die ein halbes Jahr lang durchgeführt werden. Danach wird sich zeigen, ob die Science-Fiction-Idee, Sonnenenergie bereits im All aufzufangen, umzuwandeln und zur Erde zu senden, realistisch ist.

Guido Meyer, NDR, tagesschau, 08.05.2023 13:33 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 10. Dezember 2021 um 16:50 Uhr.