
Katastrophenschutz Wie geht erdbebensicheres Bauen?
Bei den schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien sind zahlreiche Menschen verschüttet worden. Mit baulichen Maßnahmen hätten möglicherweise viele Menschen gerettet werden können.
Weltweit erschüttern immer wieder schwere Erdbeben ganze Landstriche. Nach Angaben der WHO leben mehr als zwei Milliarden Menschen in erdbebengefährdeten Gebieten. Ein weltweites Problem bei Erdbeben: Erdbeben lassen sich nur schwer vorhersagen.
Einfache Ziegelbauten sehr anfällig
Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien zeigen sich Bilder der Zerstörung. Häuser, die nicht erdbebensicher waren, sind wie Kartenhäuser in sich zusammengefallen und haben zahlreiche Menschen unter sich begraben. Auch in der Erdbebenregion in der Türkei und Syrien gab es sehr viele Häuser mit alter Bauweise, bei denen teilweise auch die Zwischendecken aus Mauerwerk bestehen. Einem Erdbeben halten Häuser dieser Bauart meist nicht stand.
Das Problem: Erdbebensicheres Bauen kostet Geld. Das ist gerade in strukturschwachen Gebieten eher knapp. So gab es auch in der Türkei neue, strengere Baubestimmungen, die Häuser sicherer machen sollen. Ob diese Bestimmungen allerdings immer eingehalten werden, lässt sich nur schwer überprüfen.
Ansätze für erdbebensicheres Bauen
Es gibt zwei unterschiedliche Ansätze. Der Ansatz des erdbebengerechten Bauens verfolgt das oberste Ziel, dass bei schweren Beben die Fluchtwege intakt und passierbar bleiben. Der Ansatz des erdbebensicheren Bauens hingegen versucht, dem Gebäude die Fähigkeit zu geben, die Bewegungen der Erde mitzumachen und einem Erdbeben auf diese Weise standzuhalten.
Jedoch bringt erdbebensicheres Bauen in gefährdeten Gebieten keine schnellen Effekte, weil es nur um Neubauten geht. Daher hat ein Forscher des Karlsruher Instituts für Technik (KIT) eine einfache und verhältnismäßig preiswerte Methode entwickelt, Altbauten so sicher zu machen, dass sie auch bei einem schweren Erdbeben nicht einstürzen.
Das von den Karlsruher Forschenden entwickelte Erdbebenschutzsystem funktioniert wie ein Gipsverband: nicht nur als Schutz, sondern man kann auch bereits beschädigte Häuser damit preiswert reparieren und erdbebensicher machen.
Fünf Millimeter dicke Zusatzschicht
Lothar Stempniewski hat jahrelang am KIT geforscht. Ihm war klar: Sein Schutz muss einfach und leicht anzubringen sein, wenn er funktionieren soll, sagt er im Interview mit dem SWR. Der Schutz eignet sich aber nur für Häuser aus Mauerwerk, bei Stahlbeton schützt das Verfahren nicht.
Und so funktioniert es: Auf eine dünne Schicht Spezialputz, den man einfach auf dem bestehenden Putz eines Hauses anbringen kann, kommen spezielle Textilmatten aus Glasfaser und Polypropylen. Darüber kommt noch mal eine dickere Schicht Putz. Alles in allem eine etwa fünf Millimeter dicke Zusatzschicht, die jeder Gipser anbringen kann.
Japan ist Vorreiter beim erdbebensicheren Bauen
Häuser aus Stahlbeton sind im Allgemeinen robuster als klassisch gemauerte Häuser. Starrheit und Schwere der verbauten Materialien ist allerdings auch ein potentieller Risikofaktor: Leichte und natürliche Elemente wie z.B. Holz oder Bambus können die Widerstandsfähigkeit von Gebäuden gegen einige Naturkatastrophen, insbesondere Erdbeben, bemerkenswert erhöhen, das zeigt auch die Forschung. In Japan sind viele Häuser auf einem beweglichen Fundament gebaut, welches wie eine Art Stoßdämpfer wirkt. Die Häuser können daher Erschütterungen besser standhalten.
Außerdem orientiert man sich immer noch an der traditionellen Holzskelettbauweise. Statt aus Holz werden die Gebäude mittlerweile aus Stahl und Stahlbeton, aber in der gleichen Skelettbautradition errichtet, welche sich mit ihrem statischen Konzept bei Erdbeben in der Vergangenheit bewährt hat.

Bild: EPA
Schutzschicht ist bezahlbar
Etwa 50 Euro pro Quadratmeter, also rund 7000 bis 8000 Euro für ein Einfamilienhaus, kostet die nachträgliche Ausstattung mit dem am KIT entwickelten Erdbebenschutzsystem. Einige Jahre ist das System schon auf dem Markt. Zuvor musste es Tests auf Erdbebensimulatoren bestehen: Häuser werden auf sogenannte Rütteltische gebaut, welche Beben simulieren, in etwa bis zur Stärke des Bebens in der Türkei.
Weitere Tests nötig
Ob das System beim aktuellen Beben tatsächlich Häuser geschützt hat, weiß Stempniewski noch nicht. Es gibt jedoch Daten aus einem früheren Erdbeben in der Türkei, bei dem mit den am KIT entwickelten Schutzsystemen ausgestattete Häuser das Erdbeben überstanden haben.
Der Karlsruher Professor ist inzwischen im Ruhestand und hat keine kommerziellen Interessen. Auch nicht beim zweiten System, das er für das KIT ebenfalls bis zur Marktreife entwickelt hat: Eine Erdbebentapete, die zusammen mit einem schadstofffreien Spezialkleber sogar patentiert wurde. Die eignet sich vor allem für nicht tragende Innenwände, die bei einem Erdbeben oft einstürzen.
Immerhin beruhigend: Der Großteil des Bundesgebietes gilt als nicht besonders erdbebengefährdet. Die am stärksten gefährdeten Gebiete liegen hierzulande um Basel und Aachen, sowie um Hohenzollern.