
Folgen des Klimawandels Deutschland trocknet langsam aus
Noch ist Deutschland mit reichlich Wasser gesegnet. Das gilt als selbstverständlich. Doch neue Daten zeigen: Der Wasserverlust ist beträchtlich - und das Ausmaß noch nicht abzusehen.
Manches sieht man von oben besser. Jay Famiglietti, der Direktor des Global Institute for Water Security an der Universität im kanadischen Saskatoon, wertet im Auftrag der NASA und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt Daten der Grace-Satelliten aus. Und seine Ergebnisse - das hört man - machen ihn selbst betroffen. "Im Klartext: Deutschland hat in 20 Jahren Wasser im Umfang des Bodensees verloren. Das ist unvorstellbar viel Wasser."
Die beiden Grace-Satelliten messen fast auf den Tag genau seit 20 Jahren Veränderungen der Schwerkraft der Erde, die etwa durch den unterschiedlichen Wassergehalt entstehen. "Die Auswertung der Daten zeigt uns den negativen Trend", sagt Famiglietti. "Der Wasserrückgang in Deutschland beträgt etwa 2,5 Gigatonnen oder Kubikkilometer im Jahr. Damit gehört es zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit."
Überall in Deutschland weniger Wasser
Ein erschreckender Befund. Famiglietti stellt nur die Fakten fest, über die Ursachen spekuliert er nicht. Doch andere Analysen zeigen: Der Klimawandel steht da ganz vorne. Zum Einen führen höhere Temperaturen zu mehr Verdunstung, zum Anderen fließt mehr Wasser in Starkregenereignissen einfach ab und kommt erst gar nicht in den Grundwasserkörpern an.
Die Daten der Grace-Satelliten haben zwar ein relativ grobes Raster - ihre Ergebnisse sind in Quadraten von 150 Kilometern Seitenlänge dargestellt - aber selbst so kann man gewisse regionale Unterschiede sehen, erklärt Famiglietti. "Und wenn man es sich genau anschaut, sieht man, dass es in der Region um Lüneburg ein besonders hohes Maß an Wasserrückgang gibt, ebenso im Südwesten, in Baden-Württemberg und im Südosten, in Bayern." Allerdings ist praktisch ganz Deutschland rot, und das heißt überall weniger Wasser.
Hoher Verbrauch durch Landwirtschaft und Privathaushalte
Vor allem in akuten Dürrephasen ist das problematisch. Die Auswirkungen waren in den vergangenen Sommern bereits spürbar: Während anhaltender Trockenphasen - wie im Sommer 2018 - kam es bereits zu regionalen Problemen mit der öffentlichen Wasserversorgung. Auf den Feldern verdorrten die Pflanzen und in den Wäldern litten die Bäume schwer.
Die Landwirtschaft ist dabei gleichermaßen Täter wie Opfer. In ihrer Not suchen die Bauern ihr Heil nämlich in immer mehr Bewässerung. Aber auch die privaten Haushalte halten mit viel Wasser gegen die Dürre an, auch wenn die bei ihnen nur den Rasen vertrocknen lässt.
Der kleine Bach im Ort oder Wäldchen zuhause führt schon jetzt wenig Wasser, anders als noch vor zehn Jahren, manchmal trocknet das Rinnsal im Sommer sogar komplett aus? Diese Beobachtungen interessieren den Gewässerökologen Hans Jürgen Hahn von der Uni Koblenz-Landau: "Die Idee ist, dass man tatsächlich mal einen Überblick bekommt, wie sich denn Trockenheit in der Fläche auswirkt, vor allem auch ganz kleinräumig."
Er begleitet die ARD-Aktion #unserWasser wissenschaftlich und ruft Menschen in ganz Deutschland zum Mitmachen auf, die Lücken zwischen den amtlichen Leerstellen zu füllen. Je mehr Menschen mitmachen und online ein einfaches Formular ausfüllen, desto aussagekräftiger wird auch die interaktive Karte, in der die Meldungen erfasst werden. Das Online-Formular finden Sie hier.
Hydrologen fordern Vorsorgemaßnahmen
Noch sind das Probleme, die in einzelnen Jahren oder an einzelnen Orten auftreten. Doch der Hydrologe Prof. Martin Grambow, oberster Wasserwirtschaftler des bayerischen Umweltministeriums, warnt angesichts der Daten der Grace-Mission: "Es sind Sachen, die bei uns noch nicht veröffentlicht sind, die aber eigentlich allesamt dieses Bild leider stützen. Dass wir letztendlich ein systemisches Defizit haben. Und das Unangenehme dabei ist: Das geht lange, lange Zeit gut. Und wenn es dann aber so quasi merkbar wird, dann ist es bei Weitem zu spät."
Hydrologen fordern deshalb schon jetzt Vorsorge zu treffen. Neue Wassergewinnungsgebiete müssten geschützt werden. Und größere Versorgungsverbünde könnten sicherstellen, dass die zunehmend knappe Ressource Wasser auch in Jahrzehnten noch überall zur Verfügung steht. Doch während das Angebot knapper wird, ist der Wasserverbrauch in den vergangenen Jahren wieder angestiegen.