Hände halten Erdnüsse bei der Ernte. | Anita Bach

Landwirtschaft und Erderwärmung Exotisches vom Bauernhof nebenan

Stand: 03.10.2021 15:41 Uhr

Erdnüsse statt Kartoffeln, Aprikosen statt Äpfel: In Deutschland werden auf Versuchsflächen und Feldern immer mehr exotische Früchte angebaut - eine Folge des Klimawandels.

Von Barbara Fuß, BR

Auf einem Versuchsfeld in Ruhstorf in Niederbayern erntet Klaus Fleißner dieses Jahr zum ersten Mal Erdnüsse. Fleißner ist Experte für pflanzengenetische Ressourcen an der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Er wollte herausfinden, wie wohl sich die fremden Erdnüsse in Deutschland fühlen. Denn ursprünglich stammt die Erdnuss aus Südamerika und wird vor allem in den Tropen und Subtropen angebaut. Die Hülsenfrucht liebt es warm und trocken und gilt als robust. Deshalb hat Fleißner sie ausgewählt und sich einige Exemplare aus Usbekistan schicken lassen. Zusammen mit seiner Arbeitsgruppe an der LfL sucht er in Zeiten des Klimawandels nach neuen Kulturen.

Barbara Fuß

Alternative für Landwirte?

Nässe und Kälte im Frühjahr in der Keimzeit verträgt die Hülsenfrucht nicht. Im niederbayerischen Ruhstorf waren die Bedingungen aber gut - bis auf die Hasen, die alles andere für die Erdnüsse stehen ließen. Da musste ein spezieller Zaun um die Erdnüsse gebaut werden. Doch die Erne habe gestimmt: "Fürs erste Jahr bin ich top zufrieden", sagt Fleißner. "Wenn wir jetzt noch an bessere Sorten rankommen, die verfügbar sind, und die Anbaumethoden verfeinern - ich glaube, dann kann das durchaus für unsere Landwirte hier eine Alternative sein."

Die ersten niederbayerischen Erdnüsse sind unter der Erde herangewachsen. Sie dienen zunächst der eigenen Saatgutgewinnung. Doch für die Zukunft plant Fleißner bereits mit Landwirten und einem Start-up der Lebensmittelbranche, Erdnüsse aus heimischem Anbau auf den Markt zu bringen.

Melonenzucht nach Kundenwunsch

Auch Melonen sind auf deutschen Feldern immer häufiger zu sehen. So wie im oberbayerischen Bergkirchen: Während Patrick Kirschner das Gemüse im Gewächshaus heranzieht, lässt Junglandwirt Thomas Barth das Fruchtgemüse im Folientunnel heranreifen. Die Melonen brauchen viel Platz, und jedes Jahr ist ein neuer Standort notwendig, denn sie entziehen dem Boden viel Nährstoffe. Damit sich der Aufwand lohnt, verkauft Barth das Gemüse über den Hofladen oder regionale Händler.

Verschiedene Arten Wasser- und Zuckermelonen wie Cantaloupe-, Honig- oder Galiamelonen bieten die Junglandwirte an und berücksichtigen dabei die Kundenwünsche. Kleinere Sorten sind gefragt, denn die können schneller gegessen und besser im Kühlschrank gelagert werden. Noch bleibt es für Barth ein Nebenerwerb zu der Tierhaltung am elterlichen Hof. Leben könnte er von dem Melonengeschäft nicht. Doch das Interesse an seinen heimischen Exoten wächst stetig. 

Winzer experimentieren mit Tempranillo-Traube

Im deutschen Weinbau halten schon seit 1988 immer mehr südländische Sorten Einzug. Aus Winzersicht sei der Süden klimatisch gesehen quasi um 300 Kilometer nach Norden gewandert, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. Merlot und Cabernet Sauvignon seien mittlerweile mit rund 800 beziehungsweise 450 Hektar vertreten. Knapp die Hälfte davon werde in der Pfalz angebaut, sagt Büscher.

Sogar der sonnenliebende Tempranillo - bekannt aus dem spanischen Rioja - wächst bei experimentierfreudigen Winzern wie Sven Leiner aus dem südpfälzischen Ilbesheim an den Weinstöcken. 1998 hat er rund Tausend Stöcke gepflanzt, 2001 verkaufte er den ersten Jahrgang in der Flasche. Die Qualität werde immer besser, sagt der Winzer. Nur verregnete Jahre wie dieses seien für die Rebsorte ein Problem. Der Mehltau etwa habe diesmal für einen Totalausfall gesorgt. Trotzdem hält der Bio-Winzer Leiner an der Rebsorte fest. Denn langfristig ist die Rebe aus seiner Sicht eine gute Investition.

Auch im Norden Deutschlands wird der Weinbau durch die Klimaerwärmung vielversprechender. Neben einer ein Hektar großen Fläche auf der Nordseeinsel Sylt ist das Stargarder Land in Mecklenburg-Vorpommern der nördlichste Weinort Deutschlands. Hier werden neue Rebsorten angebaut. Die sogenannte "Piwis" - eine Abkürzung für pilzwiderstandsfähige Rebsorten - sollen dem Klimawandel trotzen. Denn mit zunehmenden Extremwetterlagen wächst in deutschen Weinbergen das Problem des Pilzbefalls. Die neuen Sorten beugen also einem stärkeren Einsatz von Fungiziden vor.

Aprikosen-Anbaugebiet in Schleswig-Holstein | Maik Baumgartner

In der Haseldorfer Marsch in Schleswig-Holstein wachsen Aprikosen unter Foliendächern. Bild: Maik Baumgartner

Aprikosen in Schleswig-Holstein

Selbst im hohen Norden Deutschlands, in der Haseldorfer Marsch westlich von Hamburg, wachsen seit einigen Jahren Aprikosen. Maik Baumgarten hat die Bäume vor sechs Jahren auf einem halben Hektar angepflanzt. Allerdings brauchen die südländischen Früchte etwas Hilfe, damit die Knospen bei Spätfrösten nicht erfrieren. Unter einem Foliendach bleibt es an frostigen Frühlingstagen wärmer und trockener. Erste Freilandversuche manch anderer norddeutscher Obstbauern sind hingegen laut Steinobstberater Martin Kockerols vom "Obstbauversuchring des Alten Landes" gescheitert.

Deutsche Aprikosen aus der Foliendachproduktion haben gegenüber importiertem Obst den Vorteil, dass sie ausgereift verkauft werden können. Und deshalb schmeckten sie einfach besser, so Kockerols. Die Aprikosen verkauft Baumgarten direkt ab Hof oder auf den Wochenmärkten. Das lohnt sich für ihn - trotz der höheren Kosten für die Folien.

Und so experimentieren immer mehr Landwirte und Weinbauern auf einem Teil ihrer Flächen mit Sorten, die in Deutschland vor wenigen Jahren noch keine Chancen hatten. Zum einen, weil einige einheimische Kulturen auf die Klimaveränderung reagieren und anfälliger für Pilze oder andere Pflanzenkrankheiten werden. Zum anderen, weil das Bewusstsein der Verbraucher für regionale Produkte wächst und der Handel über den Wochenmarkt und den Hofladen boomt. Dort können die Produzenten auch kleine Mengen verkaufen - und verdienen etwas dabei.

Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 20. September 2021 um 11:49 Uhr.