"Klimaschutz ist Menschenschutz" steht auf dem Transparent von Demonstranten vor der Oberbaumbrücke in Berlin.
Hintergrund

Vor Gipfel in Glasgow Was haben Klimakonferenzen gebracht?

Stand: 29.10.2021 16:56 Uhr

Auf der Klimakonferenz 2015 in Paris wurde vereinbart, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Experten warnen, das Ziel rücke zusehends außer Reichweite. Kann es noch gelingen? Und was ist seit Paris geschehen?

Ein schneller Blick auf die Zahlen sagt: internationale Klimapolitik - Fehlanzeige. Der Ausstoß an Treibhausgasen ist seit 1990 weltweit um rund die Hälfte gestiegen - allen Konferenzen und Abkommen zum Trotz.

"Es geht einfach alles viel zu langsam voran"

"Wir sind immer noch auf dem Weg in die Klimakatastrophe", sagt UN-Generalsekretär António Guterres. Seine Fachleute rechnen vor, dass die globale Mitteltemperatur auf etwa 2,7 Grad steigen wird - selbst wenn die Zusagen aus dem Paris-Abkommen eingehalten werden. Das ist deutlich mehr, als die Staaten eigentlich gemeinsam erreichen wollten: eine Begrenzung auf deutlich unter zwei, besser 1,5 Grad.  

Auch der Klima-Analyst Niklas Höhne bestätigt diese Einschätzung. "Es geht einfach alles viel zu langsam voran und ich würde sagen, diese COP ist immer noch die letzte Chance, das 1,5 Grad-Ziel in Reichweite zu halten", sagt er. Und die Jugend drängt: "Fridays for Future" auf den Straßen schreit nach gerechtem Klimaschutz - wirksam und sofort.

Frank Schätzing, Schriftsteller, über den Klimaschutz: "Es scheint so, dass die Leute allmählich aufwachen"

tagesthemen, tagesthemen, 29.10.2021 21:45 Uhr

Es bleiben noch 400 bis 500 Gigatonnen

Aber der Wissenschaftler räumt ein: Eine realistische Option ist das nicht. Denn die UN-Verhandlungen funktionieren nicht so, wie oft angenommen. Es wird den Staaten nichts aufs Auge gedrückt. Es wird nichts runtergerechnet vom Klimabudget, das die Welt noch hat - etwa 400 bis 500 Gigatonnen - und niemand kriegt einfach eine Menge zugeteilt und muss sehen, wie er damit klarkommt.

Das wäre zielführend, aber ist nicht durchsetzbar. In den UN reicht ein einziger Staat, der widerspricht, um das zu kippen. Die Sache läuft umgekehrt: Die Konferenz in Paris hat das Ziel festgehalten und ein Verfahren, wie man sich dem gemeinsam nähern kann. Aber jeder nach seiner eigenen Entscheidung.

Erste Erfolge seit Paris-Abkommen

Dieses Verfahren wende die Klimakrise noch nicht, mildere sie aber, sagt Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium. 2,7 Grad wären zu viel. "Aber wir sind auch nicht in einer Fünf- oder Sechs-Grad-Welt, wie sie vor Paris von den Wissenschaftlern prognostiziert worden ist. Das heißt, es ist zwischen Paris und heute eine Menge Dynamik entstanden", sagt Flasbarth.

Auch Höhne bestätigt, dass die politischen Ziele zumindest das Potenzial haben, zu einem besseren Ende zu kommen. Er ist für den "Climate Action Tracker" verantwortlich, der die Fortschritte misst. Rechnet man da die neuesten Ankündigungen ein, wann Staaten klimaneutral werden wollen, dann ergibt sich ein günstigeres Bild. "Wenn alle Länder das tun, was sie versprochen haben, dann sind wir bei rund zwei Grad am Ende des Jahrhunderts", sagt Höhne. "Das ist niedriger als wir je vorhergesagt haben. Das ist tatsächlich eine gute Nachricht."

Klimaschutz als Wirtschaftsfaktor

Längst ist nicht gesagt, dass den Ankündigungen auch Taten folgen. Aber immer mehr engagiert sich auch die Wirtschaft weltweit, sagt Sabine Nallinger, Chefin der Stiftung 2Grad, die gemeinsam mit 80 deutschen Großunternehmen eine Initiative für mehr Klimaschutz gestartet hat. "Von Wirtschaftsseite halten wir den Druck hoch, was Glasgow angeht. Wir werden vor Ort sein und mit vielen Unternehmen vor Ort zeigen, wie weit da die Wirtschaft schon ist und hoffen, da auch ein Momentum zu erzeugen", sagt Nallinger.

Schon in Paris, als die Politikerinnen und Politiker sich noch für den Abschluss feierten, hat der damalige US-Außenminister und jetzige Klimagesandte, John Kerry, eindrucksvoll darauf hingewiesen, dass Klimaschutz dann gelingen wird, wenn die Wirtschaft darin den Markt der Zukunft sieht.

Werner Eckert, Werner Eckert, SWR, 29.10.2021 16:18 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 29. Oktober 2021 um 05:10 Uhr.