Great Barrier Reef

Trotz kritischen Zustands Great-Barrier-Reef kein "gefährdetes" Welterbe

Stand: 23.07.2021 15:54 Uhr

Wegen des Klimawandels ist das Great-Barrier-Reef schwer geschädigt. Trotzdem gilt er vorerst nicht als "gefährdetes Weltnaturerbe". Das wollte Australien so - und startete eine diplomatische Kampagne.

Von Von Christoph Schwanitz, ARD-Studio Singapur

Im Juni hatte die UNESCO vorgeschlagen, das Great-Barrier-Reef auf die Liste des gefährdeten Welterbes zu setzen. Auf der 44. Sitzung der UN-Organisation im chinesischen Fuzhou hat das zuständige Komitee nun jedoch mit zwölf zu neun Stimmen gegen den entsprechenden Beschluss gestimmt. Schon 2015 hatte Australien es geschafft, eine Herabsetzung des Riffs als "gefährdet" zu verhindern.

In ihrem Vorschlag einen Monat zuvor hatte die UNESCO erklärte, sie sei "zutiefst besorgt" über den Zustand des seit 40 Jahren als Weltnaturerbe gelisteten Riffs. Die Aussichten für das riesige Ökosystem hätten sich "von schlecht zu sehr schlecht" entwickelt.

Als wichtigster Grund dafür wurde explizit der Klimawandel genannt. Noch nie zuvor war dies eine Begründung für die Herabstufung eines Naturerbes. Der Text forderte die australische Regierung außerdem auf, auf die Ziele des Pariser Klimaabkommens hinzuarbeiten - auch das ist ein Novum.

Klimawandel Grund für Korallensterben

Das Great-Barrier-Reef erstreckt sich mit einer Länge von 2300 Kilometern und einer Fläche von mehr als 344.000 Quadratkilometern vor der Nordostküste Australiens. Neben tropischen Regenwäldern sind Korallenriffe die Lebensräume mit der größten Artenvielfalt. Doch Wissenschaftler warnen, dass die Hälfte des Riffs mittlerweile unwiderruflich zerstört sei.

Der Klimawandel hat eine dramatische Erwärmung des Meerwassers verursacht, die wiederum zu ständigen Korallenbleichen führt. In den vergangenen fünf Jahren litt das Great-Barrier-Reef gleich unter drei großflächigen Bleichen, so dass die Korallen sich kaum regenerieren konnten und schließlich starben. Wenn sich dies nicht ändere, könnte das Riff in ein paar Jahrzehnten verschwunden sein, warnen Experten. Führende Wissenschaftler, auch in Australien, begrüßten daher den Vorstoß der UNESCO als überfällig.

Australien reagierte empört

Australiens Regierung reagierte dagegen mit großer Empörung auf die Einschätzung der UNESCO. Sie behauptete, ihre Maßnahmen zum Umweltschutz seien nicht berücksichtigt worden, das Great-Barrier-Reef sei die am besten gemanagte Korallenlandschaft weltweit.

Vielmehr werde die UNESCO politisch instrumentalisiert: China, das dieses Jahr den Vorsitz inne hat, wolle Australien für seine Kritik an Menschenrechtsverletzungen in China bestrafen. Tatsächlich sind die Beziehungen der beiden Länder seit geraumer Zeit zerrüttet. China reagierte auf australische Kritik an seiner Politik mit drastischen Handelsbarrieren. Dass der UNESCO-Entwurf eine von China inszenierte Strafaktion sei, halten Beobachter jedoch für abwegig.

Während Australien die Politisierung der UNESCO beklagte, begann das Land selbst sofort eine frenetische diplomatische Kampagne, um den Beschluss abzuwenden. Vertreter von 21 Ländern sitzen im Welterbe-Komitee, und die australische Regierung versuchte, eine Mehrheit von ihnen für seine Blockade zu gewinnen.

In Australien wurden 14 Botschafter zu einer Schnorcheltour am Riff eingeladen, um sie über den gesunden Zustand des Riffs aufzuklären. Die Umweltministerin Sussan Ley ging auf eine achttägige Rundreise, vor allem durch Europa, während der sie Vertreter von 18 Ländern traf. Die Unterstützung von Komitee-Mitgliedern aus Saudi-Arabien und Bahrain hatte Australien schon auf seiner Seite.

Gründe für Australiens Kampagne

Das sei kein Zufall, denn Australien suche sich andere Exporteure von fossilen Brennstoffen als Verbündete, so Professor Terry Hughes, wohl der bekannteste Experte zu Korallenriffen und dem Great-Barrier-Reef.

Australiens Regierung beklagt vor allem die negativen Auswirkungen, die eine Herabstufung des Riffs auf die Reisebranche haben würde. Tourismus am Riff schafft Zigtausende Arbeitsplätze und sorgt laut Schätzungen für Einnahmen von mehr als drei Milliarden Euro jährlich.

Den Hauptgrund für die aggressive Reaktion von Australiens konservativer Regierung sehen Kritiker jedoch in deren Energie- und Kohlepolitik. Australien hat weltweit eine der höchsten CO2-Emissionen pro Kopf, die höchsten unter OECD-Ländern. Das Land ist der größte Exporteur von Kohle und von Flüssig-Erdgas und damit nach Russland und Saudi-Arabien der drittgrößte Exporteur von fossilen Brennstoffen. Der australische Premier Scott Morrison positioniert sich klar als Freund der Kohlebranche und plant, diese weiter auszubauen. Australiens Klimapolitik gilt als besonders rückständig.

Australien hatte Erfolg

Laut Beobachtern befürchtet die Regierung vor allem, dass sich ihre Energie- und Kohlepolitik schwerer fortsetzen ließe, wenn die UN offiziell das Absterben des größten australischen Naturwunders mit der eigenen Politik in Verbindung brächte.

Australiens diplomatischer Kraftakt hatte Erfolg. "Das Ergebnis war eine Farce", so Riff-Forscher Terry Hughes. "Die internationale Gemeinschaft hat es heute verpasst, Druck auf Australien auszuüben, damit es seiner Verantwortung für das Great-Barrier-Reef nachkommt. Leider haben die Mitglieder des Welterbekomitees Australiens Lobbying nachgegeben und sich dazu entschieden, die Wissenschaft zu ignorieren."

Lena Bodewein, Lena Bodewein, ARD Singapur, 24.07.2021 06:39 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk Kultur am 21. Juli 2021 um 18:17 Uhr.