Konsequenzen aus Libor-Skandal EU-Kommissar Barnier will Zinsmanipulationen bestrafen

Stand: 09.07.2012 16:48 Uhr

Brüssel sagt Zinsmanipulationen den Kampf an: Regeln gegen den Handel mit Insider-Informationen sollen ausgebaut, weitere rechtliche Schlupflöcher geschlossen werden. EU-Binnenmarktkommissar Barnier will damit die Konsequenzen aus dem Skandal um den Referenz-Zinssatz Libor ziehen.

Die Europäische Kommission will gegen Zinsmanipulationen in der EU vorgehen. Solche Eingriffe müssten bestraft werden, sagte ein Sprecher von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier.

Michel Barnier

EU-Kommissar Barnier sagt Marktmissbrauch den Kampf an.

Geplante Regeln gegen Marktmissbrauch wie zum Beispiel den Handel mit Insider-Informationen sollen erweitert und rechtliche Schlupflöcher geschlossen werden.

Ermittlungen gegen internationale Großbanken

Die EU-Kommission will damit die Konsequenz aus den manipulierten Libor-Zinssätzen ziehen: Internationale Behörden ermitteln derzeit gegen mehr als ein Dutzend Großbanken, die im Verdacht stehen, den für ihre untereinander vergebenen Kredite maßgeblichen Zinssatz Libor gezielt gelenkt zu haben.

Stichwort: Libor

Der London Interbank Offered Rate (Libor) ist der weltweit gültige Interbanken-Zinssatz, der täglich in London festgelegt wird. An ihm orientieren sich alle möglichen Kredite mit variablen Zinsen in der Realwirtschaft. Er dient als Referenz für Finanzprodukte mit einem Gesamtvolumen von 360 Billionen Dollar.

Für die Berechnung melden die nach Marktaktivitäten 18 wichtigsten Banken dem britischen Bankenverband BBA die Zinsen, die sie für Kredite ihrer Konkurrenten zahlen müssen. Aus den Zahlen werden die höchsten und tiefsten Werte gestrichen, um große Manipulationen zu vermeiden. Mit den übrigen Daten wird dann ein Mittelwert gebildet. Eine einzelne Bank hat so ohne Absprachen mit Konkurrenten praktisch keine Chancen, den Libor massiv zu beeinflussen.

Im Libor-Fall wird unter anderem auch gegen die Deutsche Bank und die Schweizer UBS ermittelt. Sie sollen von 2005 bis 2009 den Referenz-Zinssatz und andere Marktzinsen mit falschen Angaben manipuliert haben, um ihre wahren Refinanzierungskosten zu verschleiern und Handelsgewinne einzustreichen. Im Zentrum der Untersuchungen steht die britische Bank Barclays, die als erstes Geldhaus ein Fehlverhalten einiger Händler eingeräumt hatte und zu einer Strafzahlung von fast einer halben Milliarde Dollar verurteilt wurde.

"Konsequenzen für das ganze System"

"Wir müssen die Lektionen aus dem Libor-Fall lernen", sagte Barniers Sprecher. Die EU-Kommission wolle deshalb künftig Zinsmanipulationen in ihren Strafen-Katalog aufnehmen. Barnier selbst hatte die verfälschten Raten in der "Financial Times" als "Betrug" bezeichnet, der möglicherweise "Konsequenzen für das ganze System" haben könne.

Die Verhandlungen mit dem EU-Parlament und den Mitgliedsländern über neue Gesetze gegen Marktmissbrauch laufen bereits. Sollten die Richtlinien vom EU-Parlament und den Staatsregierungen gebilligt werden, hätten sie in allen 27 Mitgliedstaaten Gültigkeit.