Fischer flicken Netze vor einem Fischerboot im Hafen von Fiumicino.

Hohe Kosten und Konkurrenz Warum Italiens Fischer streiken

Stand: 12.06.2022 10:49 Uhr

Viele Fischer in Italien verweigern das Fischen. Weil die Kraftstoffpreise um 50 Prozent gestiegen sind, machen sie kaum noch Gewinn und fürchten um ihre Existenz. Importe aus anderen EU-Staaten verschärfen das Problem.

Für die Römer ist das Fischrestaurant "Amelindo" am Strand in Fiumicino eine feste Größe. Am Sonntag ist ohne eine Reservierung kein Tisch zu bekommen. Der Ansturm ist immer groß, denn der Fisch, der hier auf den Tisch kommt, ist zu 80 Prozent lokal gefangen. Barsche, Doraden oder "gamberi rossi" kommen direkt aus dem Tyrrhenischen Meer vor der Tür.

Das Familienrestaurant ist seit seiner Eröffnung vor mehr als 50 Jahren für viele eine Qualitätsgarantie. Aber das geht nur im Zusammenspiel mit der Fischfangflotte, die hier in Fiumicino vor Anker liegt.

Ratlosigkeit im Restaurant

In den vergangenen Tagen wusste Massimo Mazzuca, der Betreiber des Restaurants mit Blick auf die Strandpromenade, oft nicht mehr, was er seinen Gästen anbieten sollte. Um nicht ganz zu schließen, war seine Devise: Importfisch anbieten, der tiefgekühlt gekauft wird. "So etwas haben wir noch nie erlebt", empört er sich. Denn die Fischer streiken. "Für uns ist mit dem Krieg in der Ukraine alles teurer geworden. Der Strom, das Gas, die Nudeln und jetzt auch noch der Fisch."

Massimo Mazzuca beschreibt in knappen Worten eine Situation, mit der die Restaurantbetreiber im ganzen Land kämpfen. Und nun verschärft der Streik der Fischereibetriebe aufgrund der gestiegenen Kraftstoffpreise die Situation noch.

Massimo Mazzuca

Befürchtet, auf seinen massiv gestiegenen Kosten sitzenzubleiben: Der Restaurant-Betreiber Massimo Mazzuca.

Schon seit März brodelt es deswegen gewaltig in der Fischerzunft. Der Preis des Diesel-Kraftstoffs ist in den vergangenen Monaten von steuervergünstigten 60 Cent auf fast das Doppelte angestiegen. Mehrmals hatten verschiedene Flotten im ganzen Land wochenweise ihre Arbeit niedergelegt.

Hafeneinfahrt tagelang blockiert

In Manfredonia, einem großen Umschlagplatz für Fisch an der Adriaküste, spürt man die Wut der Fischer besonders. In der Kleinstadt mit rund 55.000 Einwohnern leben rund ein Drittel der Einwohner direkt oder indirekt von den Einkünften aus dem Fischfang. Die Fischfangflotte besteht aus etwa 250 Booten mittlerer Größe.

Aus Protest hatten die Fischer zu Beginn ihrer Proteste die Hafeneinfahrt mit ihren Booten für mehrere Tage blockiert. "Es ist die einzige Möglichkeit, die italienische Regierung auf diese dramatische Situation aufmerksam zu machen", sagt Luigi di Nuovo, selbst Fischer und Vorsitzender des Fischmarktes in Manfredonia. "Für uns lohnt es sich einfach nicht mehr, aufs Meer zu fahren."

Wenn man seiner Rechnung folgt, klingt das schlüssig: Ein Fischkutter benötigt pro Ausfahrt rund 1500 Liter Kraftstoff. Bei einem Preis von 1,20 Euro pro Liter sind das knapp 2000 Euro pro Ausfahrt. Wenn man dann einen Fang von 2500 bis 3000 Euro gegenrechnet, bleibt wirklich nicht mehr viel übrig für eine vierköpfige Mannschaft an Bord und deren Familien. Von den Unkosten zum Betrieb einer Firma ganz abgesehen.

Ruf nach finanzieller Entlastung

In Manfredonia werden die Fischer deswegen so schnell nicht klein beigeben. Zu den Forderungen der Fischer gehört etwa konkrete Entlastung zur Bewältigung des Preisanstiegs für Dieselkraftstoff, Hilfe bei wetterbedingten Ausfällen und vor allem die schnellere Auszahlung von Entschädigungszahlungen.

Zurück am Strand von Fiumicino bei Rom: Restaurantbesitzer Massimo Mazzuca fasst hier die die Situation so zusammen: "Wir können ja unser Menü nicht täglich neu auspreisen. Deswegen bleiben wir momentan meistens auf unseren Kosten sitzen oder müssen eben zusehen, dass wir gut einkaufen." Gut einkaufen heißt wohl momentan vor allem eines: auf Importfisch auszuweichen.