
Ausstand in vielen Branchen Streikwelle im Vereinigten Königreich
Großbritannien steht eine Streikwelle bevor: In vielen Branchen wollen Mitarbeitende in den Ausstand treten, um besser Löhne zu erstreiten. Doch die Wirtschaftslage dürfte wenig Spielraum lassen.
Es ist der größte Streik seit Jahren, der auf das Vereinigte Königreich zukommt. 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedener Bahnunternehmen legen heute und an drei weiteren Tagen in dieser Woche die Arbeit nieder. Wer nicht verreisen muss, solle zu Hause bleiben, heißt es. Der zuständige Transportminister warnte, viele Familien würden ein digitales Weihnachten erleben müssen, weil sie nicht zu ihren Angehörigen reisen könnten.
"Keine Anteilnahme für Kampf der Arbeiter"
Für die Begleitmusik sorgte Mick Lynch, Chef der Gewerkschaft RMT in einem Interview mit der BBC. Der hörbar verärgerte Lynch warf der Moderatorin im Sender Radio 4 vor, nicht neutral zu berichten. "Sie zeigen keine Anteilnahme für den Kampf der Arbeiter, um die Ausgewogenheit in unserer Gesellschaft wieder herzustellen. Sie kritisieren nie die Super-Reichen und was die den Krankenschwestern oder Post-Mitarbeitern antun." Es sind die Töne in einem Land, das vor einem umfassenden Streikwinter steht.
Der Arbeitgeber Network Rail hatte ein Angebot vorgelegt: Lohnerhöhungen von fünf Prozent in diesem Jahr und vier Prozent im nächsten Jahr. Doch die größte Gewerkschaft RMT lehnte das Angebot ab. Lynch argumentiert, dass die Inflation deutlich höher sei. In diesem Jahr stieg die Teuerungsrate auf 11,1 Prozent im Oktober. Außerdem wehren sich die Gewerkschaften gegen - nach ihrer Ansicht - deutliche Verschlechterungen bei Nacht- und Wochenenddiensten. In den nächsten Tagen werden auch die Beschäftigten von Royal Mail streiken. Außerdem Grenzbeamte, Fahrerinnen und Fahrer von Krankenwagen und das Pflegepersonal des Gesundheitsdienstes NHS.
Gesundheitsbranche am Limit
Die wirtschaftliche Lage für viele Angestellte im Gesundheitswesen ist derzeit schwierig. Lizzy macht gerade ihre Ausbildung zur Krankenschwester. Sie ist im zweiten Ausbildungsjahr in Bristol. Das Geld reicht hinten und vorne nicht, sagte sie der BBC. Sie könne es sich nicht leisten, auszugehen. "Stattdessen kratzen wir die Pennys zusammen für den wöchentlichen Einkauf. Benzin muss ich auch bezahlen. Vor allem im Winter ist es mühsam, wenn wir die Hälfte der Zeit nicht heizen können."
Als ausgebildete Krankschwester verdienen Berufseinsteigerinnen etwa 30.000 Euro pro Jahr - brutto. Die Gewerkschaften fordern nun deutliche Erhöhungen von über 19 Prozent. Viele in der Branche haben den Eindruck, seit Jahren wird nur gespart, die Arbeitsbedingungen werden immer schlechter: unterbesetzte Schichten, unterfinanzierte Notaufnahmen, Horrorgeschichten über stundelanges Warten in den Notaufnahmen, Patienten, die auf den Gängen auf dem Boden liegen, der Mangel regiert. Gesundheitsminister Steven Barclay argumentierte, wenn alle staatlich Angestellten einen Inflationsausgleich erhalten sollten, würde dies über 30 Milliarden Euro kosten. Das wichtigste Ziel müsse sein, die Inflation zu reduzieren. Deutlich wird: seit Jahren spart die Regierung bei der Gesundheitsversorgung, nun werden die Defizite im NHS an mehreren Stellen sichtbar.
Düstere Wirtschaftsaussichten
In diesen Tarifauseinandersetzungen agiert die Regierung zurückhaltend. Der Finanzminister hat gerade erst einen Haushaltsplan vorgelegt, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Die Regierung hat auch teure Hilfen zur Abmilderung der hohen Energiepreise auf den Weg gebracht. Die Aussichten für die Wirtschaft sind schlecht: Die britische Ökonomie rutscht in die Rezession, die Steuereinnahmen dürften sinken. Ohne Steuererhöhungen, die die konservative Regierung auf jeden Fall vermeiden will, sind umfassende Lohnerhöhungen kaum finanzierbar.