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Global Wealth Report Ab jetzt schrumpfen die Vermögen

Stand: 12.10.2022 15:07 Uhr

Bis zuletzt ist das weltweite Geldvermögen gewachsen - so das Ergebnis des "Global Wealth Report" der Allianz. Doch damit dürfte nun Schluss sein. Und gleichzeitig wachsen die Schulden.

Jede Einwohnerin, jeder Einwohner Deutschlands hat im Schnitt ein Vermögen von 69.000 Euro. Dieser rechnerische Wert gilt für alle - Kleinkinder und Greise, für Männer und Frauen. Er errechnet sich aus 94.000 Euro Bruttovermögen abzüglich 25.000 Euro Schulden, die jeder Durchschnittseinwohner hat. Das ergibt sich aus dem "Global Wealth Report 2022", den die Volkswirte der Allianz-Versicherung heute veröffentlicht haben. Vergleicht man die Daten mit dem Report des Vorjahres, wuchs das Nettovermögen von Privatleuten in Deutschland 2021 um mehr als ein Zehntel.

"Das letzte Hurra"

Zwar hat Corona das Wirtschaftsleben schwer geschädigt; doch die Wirtschaft der Privatleute hat sich davon abgekoppelt. In Industrieländern konnten sie mehr sparen. "Die Leute haben ihr Geld nicht angerührt", sagt Allianz-Volkswirt Arne Holzhausen. Einerseits sanken Kosten: Urlaub und Freizeitvergnügen waren kaum möglich, Büromenschen fuhren weniger, brauchten weniger Geschäftskleidung und gingen nicht mehr essen. Andererseits wurden Einkommenseinbußen vielfach staatlich ausgeglichen - in Deutschland etwa durch Kurzarbeitergeld.

"Das letzte Hurra" überschreibt die Allianz ihren Welt-Wohlstands-Report. Waren die Corona-Jahre 2020 und 2021 von außergewöhnlich hohem Erfolg für die privaten Finanzen geprägt, sei nun Schluss. Der große Schwung der Globalisierung könne mit dem Ukrainekrieg beendet sein. Volkswirtschaften und Unternehmen suchen neue Geschäftsmodelle: keine enge Bildung mehr an zweifelhafte Staaten, nähere Lieferanten, weniger Abhängigkeiten, die sich als unkalkulierbar herausgestellt haben. Schrumpfende Wirtschaftsleistung und Inflation werde Privatleute hart treffen. Kurzfristig dürften sie ein Zehntel ihres Vermögens einbüßen. "Das ist eine Menge", sagt Volkswirt Holzhausen. "Das ist so noch nie dagewesen".

Was Wohlstandsstudien nicht erfassen

Wie verteilt sich der Wohlstand in der Gesellschaft? Es gibt eine Messzahl, die das anzeigt: Der sogenannte "Gini-Koeffizient". Der von der Allianz errechnete Wert ist geringfügig gestiegen. Das bedeutet: Privatvermögen war 2021 ungleicher verteilt als 2020. Das deckt sich mit Angaben des Reichtumsreports der Großbank Credit Suisse. Die dortigen Berechnungen zeigen: Vermögensungleichheit schwankt in Deutschland seit zehn Jahren geringfügig. Gegenüber dem Jahr 2000 ist sie aber geringer geworden.

Wohlstandsstudien berücksichtigen nur Werte, die auf Konten liegen oder aus Stein sind: Lebensversicherungen, Wertpapiere, Spareinlagen und Immobilien. Ansprüche an staatliche Rentensysteme werden nicht eingerechnet. Das verzerrt die Darstellung zu Lasten von Ländern, in denen Staatsrenten eine wesentliche Rolle spielen. Volkswirte des Instituts der deutschen Wirtschaft haben errechnet, dass garantierte Rentenansprüche die Nettovermögen in Deutschland leicht verdoppeln. Werden sie mit kalkuliert, sinke auch die Vermögensungleichheit.

Es ist nicht leicht, Vermögen anzusparen

Vermögen muss angespart werden. Idealerweise wird das Gesparte dann von sich aus mehr. Das funktioniert regelmäßig mit Immobilien und Aktien. Solange die Bevölkerung in einem Gebiet wächst, Geld verdient und anspruchsvoller wird, steigen die Immobilienpreise. Solange es Privatunternehmen gibt, müssen die mehr verdienen, als Banken an Sparzinsen zahlen - und Aktien steigen. Dieses Prinzip funktioniert in den Vereinigten Staaten und der Schweiz offenbar besonders gut: Sie sind die Länder mit dem weltweit größten Privatvermögen. "Die USA und die Schweiz spielen in ihrer eigenen Liga", sagt Allianz-Volkswirt Holzhausen. In der Schweiz ist das Privatvermögen ähnlich gestreut wie in Deutschland; in den USA ist die Verteilung ungleicher.

Die Allianz-Volkswirte haben 57 Länder untersucht, die für 91 Prozent der Weltwirtschaftsleistung stehen. Mangels brauchbarer Statistik wurden zahlreiche Entwicklungsländer nicht betrachtet. "In diesen ärmsten Ländern sieht die Lage nochmal anders aus", sagt Holzhausen. Ein Drittel der Menschen in den untersuchten Ländern habe kein Vermögen. Man müsse vorsichtig sein, wenn Gesellschaftsgruppen betrachtet werden, die unterm Strich vermögenslos sind. "Ein glücklicher Hauseigentümer in Dänemark sollte nicht verwechselt werden mit einem bitterarmen Tagelöhner in Indien", heißt es im Allianz-Report. Viele Hauseigentümer in Dänemark sind hochverschuldet, können das aber dank hoher Verdienste tragen.

Weltweit ist privates Vermögen sehr ungleich verteilt. Zwar bessere sich die Situation deutlich, aber von sehr niedrigem Niveau aus, heißt es von der Allianz. "Wenn wir so weitermachen, wird die Welt noch sehr lange ungleich sein", sagt Arne Holzhausen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 12. Oktober 2022 um 13:38 Uhr.