Shanghai

Wirtschaftliche Konkurrenz mit China Vom Wettbewerber zum Rivalen

Stand: 20.04.2023 10:30 Uhr

China könnte als Markt für deutsche Exporte in den kommenden Jahren an Bedeutung verlieren. Die Bedingungen für Geschäfte mit dem Land haben sich stark verändert, wie eine Studie zeigt. Was bedeutet das für Investoren?

Die Bedeutung der Volksrepublik für deutsche Exporte könnte in den kommenden Jahren einer Studie zufolge abnehmen. Der chinesische Markt könnte demnach von deutschen Investoren zunehmend durch die Produktion vor Ort bedient werden - mit möglichen Folgen für Arbeitsplätze in Deutschland. Außerdem gibt es eine zunehmende "Systemrivalität" mit China, wie aus der Studie unter anderem des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) hervorgeht.

In der Bundesregierung gibt es eine Debatte über eine neue China-Strategie. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt steht im Westen wegen Menschenrechtsverletzungen, des Säbelrasselns gegenüber Taiwan und des forscheren außenpolitischen Auftretens in der Kritik. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte deutlich gemacht, einseitige Abhängigkeiten zum Beispiel bei wichtigen Rohstoffen sollten vermieden, Lieferwege breiter aufgestellt und neue Märkte abseits von China erschlossen werden. Der konservative SPD-Flügel hingegen warnte vor einer "Anti-China"-Strategie.

BDI sieht wachsende "Systemrivalität"

Der BDI hatte 2019 eine Neupositionierung im Verhältnis zu China unternommen. In einem Grundsatzpapier war die Rede vom "Systemwettbewerb" zwischen dem Modell einer liberalen, offenen und sozialen Marktwirtschaft und Chinas staatlich geprägter Wirtschaft. In der neuen Studie ist die Rede von zunehmender "Systemrivalität". Sie stammt von der Bertelsmann Stiftung, dem Institut der deutschen Wirtschaft, dem China-Institut Merics und dem BDI.

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte nach ihrem jüngsten China-Besuch auf diesen Punkt hingewiesen. "China ist für uns Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale", sagte Baerbock gestern bei der Regierungsbefragung im Bundestag. "Unser Eindruck ist leider, dass der Aspekt 'Rivale' immer mehr zunimmt."

Mit Blick auf die Erfahrungen ihres Besuchs nannte es Baerbock "teilweise schockierend", in welchem Maße China nach außen hin "offensiver" und auch "aggressiver" auftrete. Zugleich nehme die Repression nach innen zu.

EU, Großbritannien und USA für Investitionen bedeutender

Der Studie zufolge ist China im vergangenen Jahrzehnt als Investitions- und Produktionsstandort für deutsche Firmen zwar deutlich wichtiger geworden. Es gebe aber keine volkswirtschaftliche Abhängigkeit von Direktinvestitionen in China, heißt es dort. Auf China seien im Jahr 2020 nur knapp sieben Prozent deutscher Direktinvestitionen im Ausland entfallen. Im Vergleich zur EU und Großbritannien mit 34 und zu den USA mit 27 Prozent sei Chinas Bedeutung als Investitionsstandort für deutsche Unternehmen damit deutlich geringer.

Aus den Investitionen deutscher Unternehmen in China flossen laut der Analyse zwischen 2017 und 2021 jährlich Gewinne in Höhe von sieben bis elf Milliarden Euro nach Deutschland zurück. China spiele damit im Vergleich zur EU für die deutsche Wirtschaft weiterhin eine untergeordnete Rolle. Die Gewinnrückflüsse aus China erzeugten aus gesamtwirtschaftlicher Sicht keine kritische Abhängigkeit.

China will weltweit führend sein

China bleibe ein wichtiger Investitionsstandort für deutsche Unternehmen - allerdings hätten sich die Rahmenbedingungen für deutsche Unternehmen unter Präsident Xi Jinping stark verändert. China verfolge das langfristige wirtschaftspolitische Ziel, bis 2049 zur weltweit führenden Industrie- und Technologienation zu werden, heißt es in der Studie. "Dazu sollen chinesische Abhängigkeiten von ausländischen und insbesondere westlichen Technologien reduziert werden. Im Gegenzug soll die Weltwirtschaft abhängiger von chinesischer Technologie und vom chinesischen Absatzmarkt werden."

Konkret bedeutet das unter anderem gezielte Zukäufe im Ausland, mehr eigenständige Innovation durch chinesische Unternehmen - aber auch mehr lokale Produktion sowie Forschung und Entwicklung durch ausländische Unternehmen in China. Dies solle durch einen "Mix aus Anreizen, Lokalisierungsvorgaben und politischem Druck" erreicht werden, heißt es.

Die Ergebnisse einer nicht repräsentativen Umfrage unter drei Dutzend großer Firmen mit relevantem China-Engagement zeige: Eine klare Mehrheit wolle bis 2030 Exporte aus Deutschland durch Produktion vor Ort ersetzen. Auch solle China zunehmend als Forschungsstandort und für den Export in Nachbarländer genutzt werden.

Handelsdefizit hat Rekordhöhe erreicht

Chinas Bedeutung als "Wachstumstreiber" für deutsche Exporte könnte in Zukunft abnehmen. Der Export aus Deutschland nach China aber bringe starke positive Effekte auf den Standort Deutschland mit sich, etwa in Form von Arbeitsplätzen. Einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft zufolge hingen im Jahr 2018 etwa 2,7 Prozent der deutschen gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung und 2,4 Prozent der Gesamtbeschäftigung direkt und indirekt vom Export nach China ab - inzwischen dürften es jeweils um die drei Prozent sein.

Im vergangenen Jahr war China nach Daten des Statistischen Bundesamts erneut wichtigster Handelspartner Deutschlands. Während aber der Wert der Warenimporte aus China gegenüber dem Vorjahr um 33,6 Prozent auf 191,1 Milliarden Euro zunahm, stieg der Wert der nach China exportierten Waren nur um rund 3 Prozent auf 106,8 Milliarden Euro. Daraus ergab sich ein Rekord-Handelsdefizit von 84,3 Milliarden Euro. Die meisten deutschen Exporte gingen 2022 in die Vereinigten Staaten, dahinter folgten Frankreich und die Niederlande - und dann China.

Astrid Freyeisen, BR, 20.04.2023 21:37 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 20. April 2023 um 18:41 Uhr.