Kunden stehen in einem erleuchteten Buchladen in Montreal

Buchmarkt in Kanada Ein Land, zwei Bücherwelten

Stand: 19.10.2021 12:13 Uhr

Kanada ist diesmal das Gastland der Frankfurter Buchmesse. Die Spaltung in einen englischsprachigen und einen französischsprachigen Markt macht der Buchindustrie des Landes zu schaffen.

In Kanada gibt es ein geflügeltes Wort für den Buchmarkt des Landes: "The two solitudes" oder "Les deux solitudes" - je nachdem, wo man fragt. Die Bedeutung ist die gleiche: "die zwei Einsamkeiten". "Die französischsprachige Buchindustrie ist eine komplett andere als die englischsprachige", sagt Gillian Fizet. Sie hat als Chefin des Organisationskomitees die nicht ganz leichte Aufgabe, einen gemeinsamen Auftritt Kanadas als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse auf die Beine zu stellen. "Eine Gemeinsamkeit gibt es", sagt sie. "Beide Märkte stehen einem großen Konkurrenten gegenüber: Im englischsprachigen Kanada sind das die USA und im französischsprachigen Kanada ist es Frankreich."

USA dominieren den englischsprachigen Markt

Besonders der englischsprachige Markt, der rund drei Viertel des Umsatzes ausmacht, hat zu kämpfen. Der große Nachbar im Süden dominiere die Buchhandlungen, sagt Kate Edwards von der Association of Canadian Publishers, dem englischsprachigen Verlegerverband. "Gerade für kleine Verlage ist es schwierig, überhaupt in die Regale zu kommen, besonders mit neuen Autoren", sagt sie. "Die Buchläden fokussieren sich eher auf die US-amerikanischen oder britischen Autoren, die eine ganze andere Marketingmaschinerie hinter sich haben. Deshalb sehen die Bestsellerlisten bei uns meist genauso aus wie in den USA."

Im französischsprachigen Markt, der hauptsächlich aus der Provinz Quebec besteht, sieht das ganz anders aus. Zwar ist die Konkurrenz durch Autoren und Verlage aus Frankreich groß. Trotzdem sei der Markt dynamischer als im englischsprachigen Teil, sagt Arnaud Foulon vom Verband der französischsprachigen Buchverleger. "Für rund acht Millionen französischsprachige Kanadier erscheinen jedes Jahr 6000 neue Titel. Die meisten in Quebec und dort in Montreal", sagt Foulon. Zum Vergleich: In den englischsprachigen Provinzen mit etwa 30 Millionen Einwohnern gab es zuletzt gerade mal 9000 Neuerscheinungen.

Kaum Überschneidungen zwischen den Buchmärkten

Zwischen den beiden Buchmärkten gibt es praktisch keine Überschneidungen. "Es gibt nur ganz wenige Verlage, die in beiden Sprachen veröffentlichen", erklärt Foulon. "Wenn ein französischsprachiger Verlag ein Buch übersetzen will, dann muss er sich einen englischsprachigen Partner suchen. Man muss die Rechte verkaufen, wenn man ein Buch im eigenen Land in einer anderen Sprache, wie Englisch, auf den Markt bringen will."

Das Ergebnis: Nur die wenigsten Neuerscheinungen kommen in der jeweils anderen Landessprache auf den Markt. Häufig werden Bücher erst in andere Sprachen übersetzt, bis sie dann den Weg zurück nach Kanada finden.

Unterschiedliche Regulierung

Auch gesetzgeberisch sind die Provinzen in den vergangenen Jahrzehnten ganz unterschiedliche Wege gegangen. Während der Buchmarkt im englischsprachigen Teil relativ frei ist und wie in den USA die großen Ketten dominieren, hat Quebec in den 1980er-Jahren strenge Regulierungen eingeführt.

"Die Verlage müssen allen Buchhandlungen die gleichen Rabatte geben - egal ob große Kette, Versandhandel oder der kleine Buchladen um die Ecke", sagt Foulon. Dazu komme, dass Schulen und Bibliotheken ihre Neuanschaffungen von lokalen, unabhängigen Buchhandlungen beziehen müssten. "Das führt dazu, dass auch in kleinen Orten Buchläden überleben können, selbst wenn es nicht so viele Leser gibt, wie etwa in Montreal."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 18. Oktober 2021 um 13:52 Uhr.