Vetorecht Niedersachsens im Fokus Brüssel zieht wegen VW-Gesetz wieder vor Gericht

Stand: 05.06.2008 11:57 Uhr

Neuer Streit zwischen Berlin und Brüssel um die Neufassung des VW-Gesetzes: Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungs-Verfahren gegen Deutschland eingeleitet. Dabei geht es um das Vetorecht Niedersachsens. Während Ministerpräsident Wulff das Vorgehen bedauerte, begrüßte Porsche die Entscheidung.

Die EU-Kommission hat wegen des neuen Volkswagen-Gesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesregierung eingeleitet. Das teilte die Kommission in Brüssel mit. Berlin müsse das Vetorecht für das Land Niedersachsen bei Volkswagen abschaffen. Am Ende des von der Kommission eingeleiteten Verfahrens kann die Verhängung einer Geldbuße gegen Deutschland stehen.

Die deutsche Regierung hatte erst vor wenigen Tagen eine Änderung am VW-Gesetz beschlossen, die nach ihrer Auffassung einem Richterspruch des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Oktober 2007 nachkommt. Darin räumt sie Niedersachsen als Großaktionär weiterhin entscheidenden Einfluss auf Europas größten Autokonzern ein.

Die Novelle des VW-Gesetzes sieht vor, dass Niedersachsen mit einem Stimmanteil von 20 Prozent Beschlüsse blockieren kann. Der EuGH hatte festgestellt, dass diese Sperrminorität im Zusammenspiel mit einer Stimmrechtsbegrenzung auch für Großaktionäre gegen europäisches Recht verstößt.

Justizministerium reagiert gelassen

Die Bundesregierung reagierte gelassen. Eine Sprecherin des Justizministeriums erklärte, Brüssel beziehe sich dezidiert nicht auf den Änderungsentwurf zum VW-Gesetz, von dem die Kommission formell noch nichts wisse. Es gebe eine zweimonatige Frist, in der man reagieren könne, hieß es.

Doch auch wenn die Kommission in ihrer Erklärung die geplante Gesetzesänderung nicht erwähnt, so hatte sie schon im Vorfeld kritisiert, dass darin ihre Rechtsbedenken nicht ausgeräumt seien. Moniert wird, dass auch die Änderung ein Sonderrecht in Form einer Sperrminorität enthalte, das dem VW-Großaktionär Niedersachsen weiter entscheidenden Einfluss im Konzern gibt.

Wulff bedauert Entscheidung

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff bezeichnete die Entscheidung als "erwartet, aber bedauerlich". Offenbar sei die EU-Kommission derzeit nicht bereit und willens, den guten Argumenten der Bundesregierung zu folgen, sagte er. Er fügte hinzu: "In den nächsten acht Wochen gilt es, den Nachweis zu führen, dass das vom Bundeskabinett beschlossene VW-Gesetz die E

ntscheidung des EuGH vom 23. Oktober 2007 eins zu eins umsetzt."

Auch der Europäische VW-Konzernbetriebsrat bemängelte das Vorgehen Brüssels. "Wir haben alle EU-Kommissare angeschrieben und ihnen deutlich gemacht, dass die Beschäftigten von Volkswagen nicht nachvollziehen können, warum man wichtige Schutzfunktionen für Arbeitnehmer angreift", sagte Präsident Bernd Osterloh. Auch IG-Metall-Chef Berthold Huber kritisierte die Enstcheidung Brüssels als ungerechtfertigt. "Das VW-Gesetz behindert weder den freien Kapitalverkehr noch wird die Verwirklichung des Binnenmarktes verzögert", sagte er.

Porsche begrüßt Vorstoß

Der Sportwagenbauer Porsche reagierte mit Zustimmung auf die Entscheidung: "Die EU-Kommission bestätigt unsere Rechtsauffassung", sagte ein Unternehmenssprecher in Stuttgart. Damit werde der Standpunkt des Sportwagenbauers untermauert, dass das VW-Gesetz überflüssig sei. Porsche besitzt rund 31 Prozent an VW und will seinen Anteil an den Wolfsburgern bis zum Herbst auf über 50 Prozent ausbauen.