Der Volkswagen-Konzern in Wolfsburg
FAQ

Niedersachsen und VW Kontrolle und Einfluss

Stand: 10.08.2017 17:56 Uhr

Mitglieder einer Landesregierung im Aufsichtsrat eines DAX-Konzerns - das Konstrukt VW ist einmalig in Deutschland. Warum ist das so und was hat das VW-Gesetz damit zu tun? Und warum sind Absprachen zwischen Politik und VW eigentlich kein Aufreger? Antworten auf wichtige Fragen.

Was hat die niedersächsische Landesregierung mit VW zu tun?

Das Land Niedersachsen gehört zu den größten Anteilseignern bei VW und hält 20 Prozent der Stimmrechte beim Konzern. Die Landesregierung kann dadurch bei VW mitreden und entsendet auch zwei Vertreter in den 20-köpfigen Aufsichtsrat. Einer davon ist derzeit Ministerpräsident Stephan Weil, der andere ist Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies. Der Aufsichtsrat hat vor allem die Aufgabe, die Interessen der Aktionäre zu vertreten und den Vorstand des Unternehmens zu kontrollieren.

Warum ist das so?

Dem im Dritten Reich gegründeten Volkswagenkonzern drohte nach dem Krieg zunächst das Aus. Doch die Alliierten entschieden anders. Die britische Militärregierung übertrug den Konzern 1949 auf die Bundesregierung als Treuhänderin und das Land Niedersachsen als Verwalter. VW sollte auf Jahrzehnte Jobs und Wohlstand bringen, das war die Motivation der Alliierten.

Was ist das VW-Gesetz?

Die Alliierten legten 1949 die Grundlage, im Juli 1960 trat das VW-Gesetz in Kraft - als die Volkswagenwerk GmbH zur Aktiengesellschaft wurde. Der Bund und Niedersachsen behielten jeweils 20 Prozent und sicherten sich diverse Vorrechte, was den Einfluss der Politik auf das Unternehmen zementiert. In erster Linie soll VW vor feindlichen Übernahmen geschützt werden.

Im Jahr 1988 verkaufte der Bund gegen den Widerstand von IG Metall und Betriebsrat seine 20 Prozent an VW, stellte das Gesetz aber nicht in Frage. Auch alle niedersächsischen Landesregierungen hielten danach an ihrem Anteil und dem Einfluss an VW fest.

Nachdem der EuGH allerdings 2007 eine Reihe von Sonderregelungen verwarf, wurde das VW-Gesetz geändert. Nach wie vor gelten aber zwei Regeln, die vom regulären Aktienrecht abweichen: Zentrale Entscheidungen der Hauptversammlung, für die normalerweise drei Viertel der Aktionärsstimmen ausreichen, benötigen bei VW mehr als 80 Prozent Ja-Stimmen. Die Landesregierung hat daher ein Vetorecht. Zudem regelt das Gesetz, dass Entscheidungen über Produktionsstätten der Zustimmung des Aufsichtsrats mit einer Mehrheit von zwei Dritteln bedürfen. Dies führt dazu, dass Produktionsverlagerungen ins Ausland nicht gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter möglich sind.

Absprachen zwischen VW und Politik - wirklich ein Aufreger?

Nein. Den Austausch gibt es, seitdem es das VW-Gesetz gibt. "Ein Aufsichtsrat muss sich abstimmen mit dem Unternehmen, das er kontrolliert. Das ist auch aktienrechtlich geboten", sagt NDR-Korrespondent und VW-Experte Thorsten Hapke. Denn nach außen kommuniziere der Aufsichtsrat immer auch als Teil des Unternehmens. Diese Praxis, also die Abstimmung zwischen Landesregierung und VW, sei auch Konsens zwischen allen Parteien. "Man kann als Anteilseigner, als Aufsichtsrat, eines Unternehmens nicht über dieses Unternehmen sprechen, ohne sich abzustimmen. Denn man liefe immer Gefahr gegen Aktienrecht zu verstoßen, wenn man etwas Falsches sagt. Alle Landesregierungen in Hannover, egal welcher Couleur, tauschten sich denn auch eng mit VW aus, übernahmen "VW-Wording" oder erhielten Formulierungshilfen.

Was spricht für und was gegen das VW-Gesetz?

Kritiker monieren die enge Verflechtung zwischen Politik und Konzern. Die Interessen eines Politikers seien nicht immer deckungsgleich mit denen eines Unternehmens sind - etwa, wenn ein Unternehmen gegen Gesetze verstößt. Rufe nach einer Abschaffung des VW-Gesetzes gibt es immer wieder, politische Mehrheiten für einen solchen Vorstoß sind aber nicht in Sicht. Denn durch die Einflussmöglichkeit im Konzern kann sich das Land für den Erhalt der Arbeitsplätze bei VW stark machen.

Fakt ist: VW hat eine wirtschaftlich überragende Bedeutung für Niedersachsen. Jeder fünfte Job im VW-Konzern ist in Niedersachsen beheimatet, von den insgesamt mehr als 600.000 Beschäftigten arbeiten gut 120.000 in dem Land. VW steht für mehr als die Hälfte der erwirtschafteten Wertschöpfung der 50 größten niedersächsischen Unternehmen, wie eine NordLB-Studie ergab. VW aber ist nicht nur größter Arbeitgeber in Niedersachsen. Das Land profitiert als Großaktionär auch von den Dividenden. Und: Volkswagen ist ein großer Steuerzahler. Das haben in der Krise viele Städte mit VW-Werken gespürt - als die Gewerbesteuerzahlungen einbrachen.

Mit Informationen von dpa und afp

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 10. August 2017 um 15:00 Uhr.