Einschätzung von Experten Geringe Risiken für Stromnetze im Winter
Ein "Blackout", also ein Stromausfall in Deutschland im kommenden Winter, ist laut Experten eher unwahrscheinlich. Die Risiken für die Stromversorgung könnten aber durch mehrere denkbare Entwicklungen steigen.
Die Gefahr eines gravierenden Ausfalls der Stromversorgung in Deutschland ist nach Einschätzung von Experten auch im kommenden Winter gering. Eine ganze Reihe von Faktoren könnte aber dazu führen, dass es doch noch zu Engpässen in der Versorgung kommen könnte, wie eine Befragung verschiedener Experten durch die Nachrichtenagentur dpa ergab.
Diese Experten sind überwiegend zuversichtlich, dass das Stromnetz in Deutschland auch im Winter einer möglicherweise höheren Belastung standhalten wird. Die Fachleute gehen trotz der Abschaltung der letzten deutschen Kernkraftwerke zum Jahresende nicht von großen Engpässen beim Strom aus, auch weil Steinkohlekraftwerke aus der Reserve geholt würden.
Knappheit möglich, Blackout unwahrscheinlich
Tobias Federico, Geschäftsführer beim Beratungsunternehmen Energy Brainpool, bereitet sich nach eigenen Angaben "nicht auf einen Blackout vor". Christoph Maurer vom auf Energie spezialisierten Berater Consentec hält die Lage für angespannt, aber grundsätzlich in einem normalen Winter beherrschbar. Vorsichtiger gab sich Thorsten Lenck von Agora Energiewende: "Nach unseren bisherigen Analysen ist es durchaus möglich, dass es im Winter in einigen Stunden knapp werden könnte."
Eine vor wenigen Tagen vom Bundeswirtschaftsministerium veröffentlichte Analyse zur Stromversorgung kommt zu dem Ergebnis, "dass ein sicherer Betrieb des Elektrizitätsversorgungsnetzes im Winter 2022/23 gewährleistet ist". Allerdings hat Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) einen weiteren "Stresstest" in Auftrag gegeben. Bei diesem soll die Belastbarkeit der deutschen Stromversorgung unter "weiter verschärften Bedingungen" geprüft werden.
Französische AKW als Risikofaktor
Zu diesen verschärften Bedingungen könnten mehrere Einflussfaktoren beitragen. Etwa die Atomkraftwerke in Frankreich. Dort steht ein großer Teil der Meiler gerade nach Entdeckung kleiner Risse im Notkühlsystem oder wegen Wartungsarbeiten still. Gelinge es nicht, genügend dieser Atomkraftwerke rechtzeitig wieder ans Netz zu bringen, könne dies aufgrund der europäischen Vernetzung zur Herausforderung für die deutschen Versorger werden. Dies gilt besonders in einem strengen Winter, da viele Franzosen mit Strom heizen. Schon in den vergangenen Jahren exportierte Deutschland im Winterhalbjahr zwischen Oktober und März planmäßig jeweils größere Strommengen nach Frankreich. Und infolge der Probleme der französischen Atommeiler exportierte Deutschland seit September 2021 jeden Monat mehr Strom ins Nachbarland als es von dort importierte.
Auch Wettereinflüsse können die Stromsicherheit in Deutschland in der kalten Jahreszeit beeinträchtigen. Eine "Dunkelflaute", in der mehrere Tage mit wenig Wind- und Solarstrom produziert werden, lässt die Stromversorgung kritischer werden. Zusammen mit einer Kältewelle, die den Strombedarf deutlich erhöht, sei das bedenklich, meint etwa Thomas Federico von Energy Brainpool.
Gaskraftwerke im Dienst der Stromerzeugung
Die Gaskraftwerke, die in Deutschland noch immer zur Stromproduktion beitragen, könnten bei einem Engpass ebenfalls eine Rolle spielen, dann nämlich, wenn sie nicht mit ausreichend Brennstoff versorgt werden können. Bei Lastspitzen sind sie mitverantwortlich, um die Stabilität im Stromnetz zu sichern. Wegen der unsicheren russischen Lieferungen soll nun Gas aus den Speichern vorrangig zum Heizen genutzt werden.
Heizlüfter als Netzkiller?
Nicht zuletzt spielt laut den Experten auch das Verhalten der Verbraucher bei der Belastung der Stromnetz in der kalten Jahreszeit eine wichtige Rolle. Sollten diese vermehrt mit Strom heizen, um etwa Gas einzusparen, stelle dies eine Belastung dar. In den vergangenen Wochen haben sich viele Deutsche bereits mit Heizlüftern oder Konvektoren eingedeckt. Würde wirklich in großem Umfang damit geheizt, könnte das die Stromnetze in die Knie zwingen, so Christoph Maurer von Consentec: "Das ist ein Szenario, das man fast um jeden Preis verhindern muss."