
Hohe Preise bei Obst und Gemüse Auch Özdemir für Mehrwertsteuerbefreiung
Agrarminister Özdemir hat sich der Forderung nach einer Mehrwertsteuerbefreiung bei bestimmten Nahrungsmitteln angeschlossen. Zustimmung, aber auch Kritik an der Idee gab es aus Verbänden und der Wissenschaft.
Bundesagrarminister Cem Özdemir unterstützt die Forderungen, bestimmte Lebensmittel komplett von der Mehrwertsteuer zu befreien. "Wenn wir Obst und Gemüse billiger machen, entlasten wir die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nur vergleichsweise kostengünstig, sondern fördern dazu auch noch eine gesunde Ernährung durch die gewonnene Lenkungswirkung", sagte Özdemir der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Das wäre ein Vorschlag mit doppelter Dividende, wie ich sie bevorzuge."
Özdemir verwies jedoch auf die Zuständigkeit des Finanzministeriums bei Steuerfragen. Eine vor zwei Wochen in Kraft getretene Änderung der sogenannten EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie würde ein solches Vorhaben ermöglichen, da sie Steuerbefreiungen bei Lebensmitteln und anderen Gütern zum Decken der Grundbedürfnisse erlaubt.
Belastungen durch hohe Inflationsrate
Im März kosteten Nahrungsmittel nach Angaben des Statistischen Bundesamts 6,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Teurer wurden vor allem Speisefette und Speiseöle (plus 17,2 Prozent) sowie frisches Gemüse (plus 14,8 Prozent). Durch die hohe Inflationsrate kämen immer mehr Menschen an ihre finanziellen Grenzen, sagte die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, der dpa.
Geringverdiener, Rentner und Grundsicherungsempfänger wüssten nicht mehr, wie sie Lebensmittel oder ihre Stromrechnung bezahlen sollten. Der VdK fordere deshalb, auf die Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel zu verzichten
Der Verbraucherzentrale Bundesverband sprach sich für eine völlige Abschaffung der Mehrwertsteuer speziell bei Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten aus. Dies würde die Auswirkungen steigender Preise abfedern, was aktuell gerade für Haushalte mit niedrigem Einkommen wichtig sei, sagte Lebensmittel-Referentin Christiane Seidel. "Gleichzeitig würde es vielen Menschen eine gesunde Ernährung erleichtern und einen Beitrag für eine klimafreundliche Lebensmittelproduktion leisten." Ähnliche Forderungen kommen von der Deutschen Diabetes Gesellschaft.
Haushalte mit geringem Einkommen besonders betroffen
Ein Ansetzen bei der Mehrwertsteuer könnte vor allem Menschen mit geringen Einkommen unterstützen - da sie einen größeren Teil ihres monatlichen Einkommens für Lebensmittel ausgeben als Menschen mit hohem Einkommen, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erläuterte. DIW-Präsident Marcel Fratzscher sagte der "Augsburger Allgemeinen": "Die Bundesregierung sollte den reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent temporär abschaffen, da dadurch vor allem Lebensmittel und andere Dinge der Grundversorgung günstiger würden und den Menschen schnell und unbürokratisch Hilfe zukäme."
Wirtschaftswissenschaftler und Handel kritisch
Der Vizepräsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft, Stefan Kooths, sieht darin keine Lösung. Steigende Preise spiegelten größere Knappheiten wider, die der Staat nicht beseitigen könne, sagte er der "Rheinischen Post". "Wenn der Staat wirksam etwas gegen höhere Lebensmittelpreise tun möchte, dann sollte er über die Freigabe von landwirtschaftlichen Nutzflächen nachdenken."
Auch der Handelsverband HDE äußerte sich kritisch. Das Drehen an der Mehrwertsteuerschraube sei der falsche Weg. Denn damit würden auch Haushalte begünstigt, die die steigenden Preise tragen könnten. Stattdessen solle die Bundesregierung die staatlichen Transfers entsprechend erhöhen.