
Hohe Energiepreise Wie Verbraucher entlastet werden könnten
Die Ampel-Koalition berät heute über ein Maßnahmenpaket, das Verbraucher mit Blick auf die hohen Energiepreise entlasten soll. Besonders Geringverdiener könnten davon profitieren. Die Vorschläge im Überblick.
Die seit Monaten steigenden Energiepreise machen Unternehmen und Verbrauchern zu schaffen. Der Strompreis ist nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums mit 32,63 Cent pro Kilowattstunde auf einem Rekordhoch, die Gaspreise werden durch leere Speicher und den Ukraine-Konflikt immer weiter in die Höhe getrieben. Nun will die Bundesregierung mit einem breiten Maßnahmenpaket gegensteuern und Verbraucher entlasten. Heute berät zunächst der Koalitionsausschuss über verschiedene Vorschläge zur Abfederung der Folgen hoher Energiepreise. tagesschau.de hat die wichtigsten Maßnahmen zusammengestellt.
Heizkostenzuschuss für Wohngeld-Empfänger
Der Heizkostenzuschuss wurde bereits von der Koalition beschlossen und soll Wohngeldempfänger, Studierende mit BAföG und Auszubildende, die zum Beispiel das Aufstiegs-BAföG beziehen, von den hohen Gaspreisen entlasten. Allein lebende Wohngeldempfänger bekommen einmalig 135 Euro, ein Zwei-Personen-Haushalt erhält 175 Euro Unterstützung. Studenten und Azubis bekommen unabhängig vom BAföG-Satz eine Pauschale von 115 Euro ausgezahlt. Der einmalige Zuschuss wird von Juni bis Dezember dieses Jahres gewährt und setzt voraus, dass zwischen Oktober 2021 und März 2022 mindestens einen Monat lang eine der Sozialleistungen empfangen wurde.
Verbraucherschützer und Sozialverbände kritisieren den Zuschuss angesichts der drastisch gestiegenen Heizkosten als viel zu niedrig. Sie fordern mindestens 500 Euro Unterstützungsleistung. Auch die Energie-Gewerkschaft IG BCE hält den Heizkostenzuschuss für zu niedrig und kritisiert, dass von ihm nur etwa 2,5 Prozent der Bevölkerung profitierten.
Aufteilung der Heizkosten
Das Bundeswirtschaftsministerium hat in der vergangenen Woche einen Vorschlag zur Aufteilung der CO2-Heizkosten zwischen Mietern und Vermietern vorgelegt. Bisher tragen Mieter die Heizkosten alleine. Mit einem Stufenmodell soll sich das nun ändern und auch der Vermieter einen Teil der Heizkosten tragen: Dieser Anteil soll davon abhängen, wie klimafreundlich das Gebäude ist, in dem die Mieter leben. Das Stufenmodell sieht vor, dass Gebäude in sieben Stufen eingeteilt werden - je nach Höhe des CO2-Ausstoßes pro Quadratmeter im Jahr.
In der niedrigsten und damit klimafreundlichsten Stufe mit einem Ausstoß von weniger als fünf Kilogramm CO2 müssten die Mieter die gesamten Kosten fürs Heizen übernehmen. Schlecht sanierte und schlecht gedämmte Gebäude mit mehr als 45 Kilogramm CO2-Ausstoß pro Quadratmeter fallen in die höchste Stufe. Hier müssten die Mieter nur lediglich zehn Prozent der Kosten tragen. Profitieren würden also vor allem Mieter, die in weniger energieeffizienten Gebäuden leben.
Ein entsprechendes Vorhaben ist bereits im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien festgehalten und sieht eine Einführung ab dem ab dem 1. Juni 2022 vor. Sollte sich die Koalition nicht auf das Stufenmodell einigen, werden die erhöhten Kosten durch den CO2-Preis ab dem 1. Juni zur Hälfte zwischen Vermieter und Mieter geteilt. Der Eigentümerverband Haus & Grund kündigte an, man werde eine Verfassungsbeschwerde prüfen, sollte die Bundesregierung den Vermietern die CO2-Kosten ganz oder teilweise aufbürden.
Die Abschaffung der EEG-Umlage
2000 wurde der Strompreis-Aufschlag für die Erneuerbaren Energien (EEG-Umlage) eingeführt, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern. Über die Umlage wird die Differenz zwischen den garantierten Vergütungen für die Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien und den an der Strombörse erzielten Erlösen ausgeglichen. Diese Differenz zwischen den Ausgaben für Vergütungszahlungen und den Einnahmen aus Vermarktungserlösen werden auf alle Stromverbraucher verteilt - von einer Abschaffung der EEG-Umlage profitieren also alle Stromkunden in Deutschland. Aktuell beträgt die EEG-Umlage 3,723 Cent pro Kilowattstunde. Das Bundeswirtschaftsministerium hat ausgerechnet, dass eine Musterfamilie dadurch um etwa 130 Euro im Jahr entlastet werden könnte.
Angesichts der Rekordpreise für Strom gibt es in der Koalition Konsens darüber, dass der Strompreis-Aufschlag früher als ursprünglich geplant, abgeschafft werden soll. Derzeitig ist eine Abschaffung zur Jahresmitte im Gespräch. Der bisherige Plan der Ampel ist es, die EEG-Umlage über die Stromrechnung zum 1. Januar 2023 abzuschaffen.
Der Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung kritisiert, dass die Abschaffung der EEG-Umlage vor allem für Unternehmen bei weitem nicht ausreiche: Die Bundesregierung müsse den Mittelstand entlasten, "sonst steht Deutschland bald ohne mittelständische Industriebetriebe da", sagte Hauptgeschäftsführer Christian Vietmeyer. Für Unternehmen, die im europäischen und internationalen Wettbewerb stehen und auf fossile Energien angewiesen seien, müsse es Kompensationen geben.
Kindersofortzuschlag
Die Grünen wollen besonders arme Familien stärker entlasten und haben einen monatlichen Sofortzuschlag für Kinder von Geringverdienern in die Debatte eingebracht. Wann ein solcher Zuschlag ausgezahlt werden soll, an wen und wie hoch er ausfallen könnte, ist aber unklar. Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, sagte: "Ein schneller Kindersofortzuschlag ist unabhängig davon absolut notwendig, um Familien, die ohnehin kaum Geld haben, zu entlasten und ihre Kinder besser zu unterstützen."
Erhöhung der Pendlerpauschale
Bundesfinanzminister Christian Lindner, FDP, hat eine Erhöhung der Pendlerpauschale vorgeschlagen, um Berufstätige mit weitem Arbeitsweg zu entlasten. Derzeitig erkennt das Finanzamt für jeden Kilometer zwischen Wohn- und Arbeitsort 30 Cent Entfernungspauschale an. Liegen mehr als 21 Kilometer zwischen Wohn- und Arbeitsplatz, werden seit 2021 35 Cent pro Kilometer anerkannt. Zum 1. Januar 2024 sollen es dann ab dem 21. Kilometer 38 Cent pro Kilometer sein. Kommen im Jahr mehr als 1000 Euro Werbungskosten zusammen, kann mit jedem darüber liegenden Euro die Steuerlast gesenkt werden. Viele Berufspendler dürften davon aber kaum profitieren, da sie weniger als zehn Kilometer von der Arbeitsstätte entfernt wohnen. Dieser Betrag liegt innerhalb des Arbeitnehmer-Pauschalbetrages.
Die Verbraucherzentralen kritisieren den Vorschlag: Eine erhöhte Pendlerpauschale "wäre der falsche Weg", weil daraus besonders Haushalte mit hohem Einkommen Vorteile ziehen würden, betonte Marion Jungbluth, Teamleiterin Mobilität und Reisen des Verbraucherzentrale Bundesverbands. Sie forderte stattdessen ein einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld. Der Energie-Gewerkschaft IG BCE verlangt dagegen von der Politik eine noch deutlichere Entlastung der Berufspendler und schlägt eine Erhöhung der Pendlerpauschale auf 40 Cent pro Kilometer für das Steuerjahr 2022 vor.
Klimaprämie
Die Grünen hatten im Wahlkampf dafür geworben, über ein Energiegeld die Einnahmen der CO2-Bepreisung direkt an die Bürger zurückzugeben. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP steht, es solle ein "sozialer Kompensationsmechanismus" entwickelt werden - auch Klimageld genannt. Wann es kommen und wie es umgesetzt werden soll, ist aber offen. Vor allem die Art der Auszahlung gilt als komplex. Umstritten ist in der Ampel, ob es eine Pro-Kopf-Erstattung geben soll oder eine Staffelung nach Einkommensstufen, wie es zum Beispiel SPD-Politiker wollen.
Eine Auszahlung pro Kopf forderte ein Bündnis aus Umwelt- und Sozialverbänden sowie Kirchen: Jede Person würde bei der Prämie denselben Betrag erhalten, unabhängig von Einkommen und Höhe der durch Heizen und Autofahren verursachten CO2-Emissionen. Mit steigenden CO2-Preisen erhöhen sich die staatlichen Einnahmen, damit erhöht sich auch die Summe, die an die Bevölkerung ausgeschüttet werden soll. Mögliche Auszahlungswege wären die monatliche Lohnsteuerabrechnung, die monatliche Überweisung der gesetzlichen Renten, die monatliche Auszahlung der Grundsicherung und die Jahressteuererklärung.