
Autohändler Lage auf Gebrauchtwagenmarkt angespannt
Wegen der anhaltenden Lieferengpässe bei Neuwagen gibt es auch weniger gebrauchte Autos. Experten rechnen erst frühestens Mitte des Jahres mit einer Entspannung bei den Händlern.
Stefan Dast ist Autohändler in Stuttgart und hat sich auf Gebrauchtwagen spezialisiert. Doch in den vergangenen zwei Jahren hat er nicht so viele verkauft wie er gerne hätte. "Erst Corona, dann der Krieg in der Ukraine - für uns wäre es schön, wenn 2023 einfach mal wieder ein ruhiges Jahr würde", sagt er.
Denn hinter dem Automobilmarkt liegen zwei aufreibende Jahre. Die Lieferschwierigkeiten von wichtigen Bauteilen durch Corona und später den Krieg haben die Wartezeiten für Neuwagen in die Höhe schnellen lassen.
"2022 war ein schwieriges Jahr", bilanzierte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, auf der Jahrespressekonferenz des Verbands. Mitte des zurückliegenden Jahres sei die Zahl der bestellten, aber nicht ausgelieferten Neuwagen doppelt so hoch gewesen wie zum gleichen Zeitpunkt im Jahr 2019. Auch jetzt liege der Auftragsbestand noch 80 Prozent über dem Niveau von 2019.
Viele Kundinnen und Kunden wichen deshalb auf den Gebrauchtwagenmarkt aus, auch Unternehmen. Das führte auch hier dazu, dass der Markt stellenweise wie leergefegt war - und die Preise in bisher ungeahnte Höhen katapultiert wurden.
Preisspitze wohl erreicht
"Die Lieferengpässe sind noch nicht zu Ende", sagt Michael Ziegler vom Vorstand des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). Bernd Reich vom Marktbeobachter Deutsche Automobil Treuhand (DAT) sieht es ähnlich: "Es gibt weiterhin zu wenige Neuwagen - damit fließen zu wenige Fahrzeuge in den Gebrauchtwagenbestand."
Das Kraftfahrt-Bundesamt mit Sitz in Flensburg verzeichnete von Januar bis November 2022 rund 5,2 Millionen sogenannte Besitzumschreibungen bei Pkw und damit über 1,4 Millionen weniger als im gleichen Zeitraum im Vor-Corona-Jahr 2019. Immerhin: Laut Marktbeobachter DAT zogen die Preise zuletzt nicht mehr so stark an - ein Indiz dafür, dass das Angebot wieder etwas größer sei. "Hier ist die Spitze wohl erreicht", sagt Reich.
Entspannung wohl frühestens Mitte des Jahres
Die Experten sind sich einig: Bis der Markt sich wieder normalisiere, werde es noch einige Monate dauern. Der ZDK rechnet frühestens Mitte des Jahres damit, dass es wieder genug Gebrauchte gibt. "Im vierten Quartal 2022 hatten wir deutlich mehr Neuwagenauslieferungen als in den Quartalen zuvor", sagt Verbandsvorstand Ziegler. Das werde sich in sechs bis neun Monaten auch auf dem Gebrauchtwagenmarkt bemerkbar machen. "Wenn der Lieferstau abgebaut ist und wieder mehr Gebrauchtwagen auf dem Markt sind, wird sich die Preissituation ebenfalls entspannen."
Der Branchenbeobachter DAT ist nicht ganz so optimistisch: Die Auswirkungen der Lieferengpässe im Neuwagensektor könnten auf dem Gebrauchtwagenmarkt noch das ganze Jahr zu spüren sein, heißt es aus Stuttgart. Mobilität mit dem eigenen Pkw bleibe vielen Menschen wichtig - und damit die Nachfrage hoch.
Plötzlich eine neue Krise?
Sollte sich der Markt bis zum Herbst normalisiert haben, könnte dem Kfz-Gewerbe allerdings schon die nächste Krise drohen. Der ZDK-Vorstand Ziegler beobachtet, dass vor allem Privatkunden in den vergangenen Wochen vorsichtiger geworden sind. Als Gründe sieht er die hohen Inflationsraten und die gestiegenen Energiekosten. "Viele Privatkunden verschieben den Autokauf auf einen späteren Zeitpunkt und fahren ihr Auto lieber länger", sagt er.
Er hält es sogar für möglich, dass sich im Herbst die Kurven von Nachfrage und Angebot kreuzen - die Autohändler dann zwar wieder genug Gebrauchtwagen auf dem Hof stehen haben, aber darauf sitzen bleiben.
Gebrauchtwagenhändler Dast spürt die Anfänge davon jetzt schon. Eigentlich sei die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr eine gute für Gebrauchtwagenhändler, berichtet er. Doch dieses Jahr war es ruhig. Zu ruhig. "Wir haben hier zwar wieder deutlich mehr Gebrauchte stehen als noch Ende 2021. Doch die Nachfrage ist aktuell gering."