Rohre einer Gasheizung

Strom- und Gastarife Viele Bestandskunden zahlen drauf

Stand: 03.04.2023 13:15 Uhr

Nach Monaten steigender Preise fallen die Energiekosten wieder. Doch die gesunkenen Strom- und Gaspreise kommen oftmals nicht bei den Haushalten an. Vor allem Kunden in Grundversorgungs-Tarifen zahlen häufig mehr als sie müssten.

Trotz gesunkener Börsen- und Großhandelspreise für Strom und Gas kommen die meisten Grundversorgungstarife der örtlichen Versorger laut dem Vergleichsportal Verivox nicht ohne staatliche Hilfe aus. Einer Auswertung zufolge liegen 82 Prozent der Stromtarife und sogar 92 Prozent der Gastarife über dem staatlichen Preisdeckel.

Das trifft für einen großen Teil der deutschen Haushalte zu: Der Bundesnetzagentur zufolge wurde 2021 mindestens ein Viertel der Strom- und Gaskunden im Rahmen der örtlichen Grundversorgung beliefert. Iim vergangenen Jahr dürfte dieser Anteil aufgrund der Energiekrise deutlich gestiegen sein.

44,4 Cent gegenüber 32,9 Cent

In diesen Tarifen sind die Preise laut Verivox aktuell besonders hoch. So kostet eine Kilowattstunde Strom im Grundversorgungstarif im bundesweiten Durchschnitt derzeit 44,4 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Dabei sind aktuell Neukundentarife für Strom bereits für 32,9 Cent die Kilowattstunde zu haben - was auch deutlich unter dem staatlichen Preisdeckel von 40 Cent pro Kilowattstunde liegt.

Ähnlich sei die Situation bei den Gastarifen. Dort zahlen Haushalte für eine Kilowattstunde bei den Grundversorgern 16,1 Cent, während es bereits Neukunden-Tarife für 10,1 Cent kWh gibt. Der staatliche Preisdeckel greift hier bei 12 Cent pro kWh.

Wann sinken Tarife für Haushalte?

Mit der weichenden Angst vor Versorgungsengpässen seien die Großhandelspreise für Energie in den vergangenen Monaten kontinuierlich gesunken, so Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox. "Grundversorger haben in der Regel eine langfristige Beschaffungsstrategie. Daher gehörten sie zu Hochzeiten der Energiekrise zu den günstigsten Anbietern im Markt. Das Bild hat sich nun gedreht, sinkende Beschaffungskosten kommen vor allem bei Neukundentarifen überregionaler Versorger schneller an", so Storck.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Energiekonzerne Ende Februar aufgefordert, sinkende Großhandelspreise an Verbraucher weiterzureichen. Er "erwarte, dass die Energieunternehmen die Situation jetzt nicht ausnutzen und Sondergewinne machen", hatte er der "Bild"-Zeitung gesagt.

Von den gesunkenen Großhandelspreisen für Gas werden Verbraucher in Deutschland nach Einschätzung der Bundesnetzagentur erst in einigen Monaten profitieren. Bis die Senkung der Großhandelspreise für Gas und Strom auch bei den Haushaltskunden ankomme, dürfte es noch sechs bis zwölf Monate dauern, sagte Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller kürzlich der "Rheinischen Post".

Auch der Staat könnte Milliarden sparen

Das Vergleichsportal Verivox rechnet für einen durchschnittlichen Kunden eines Grundversorgers vor, wie hoch die Hilfen des Staates aufs ganze Jahr gerechnet ausfallen. So bezuschusst der Staat einen durchschnittlichen Grundversorgungs-Kunden mit 457 Euro beim Gas und 109 Euro beim Strom. "Dabei können Verbraucherinnen und Verbraucher den Grundversorgungstarif jederzeit verlassen und aus vielen Tarifen unterhalb der Preisbremsen wählen", so Verivox gegenüber tagesschau.de. Die zusätzliche Ersparnis zur Preisbremse könnte beim Gas demnach bis zu 364 Euro und beim Strom 278 Euro im Jahr betragen.

Dabei würde auch der Steuerzahler profitieren, so das Vergleichsportal: Würden alle Kunden aus dem teuren Grundversorgungstarif in einen günstigeren Tarif wechseln, könnte sich die Ersparnis des Staates laut Verivox auf mehr als drei Milliarden Euro summieren.

Sind günstige Anbieter seriös?

Auch laut Angaben des Vergleichsportals Check24 lohnt sich ein Preisvergleich der Versorger. Mit einem Wechsel aus der Grundversorgung zu einem günstigeren Alternativanbieter für Strom könnte ein Musterhaushalt (Verbrauch von 5000 kWh) zusätzlich zur Preisbremse 349 Euro sparen. Beim Gas könnten Kunden Check24 zufolge sogar noch mehr einsparen: neben der Entlastung durch die Energiepreisbremse von 727 Euro im Jahr (bei einem Verbrauch von 20.000 kWh) könnten hier durch einen Wechsel 523 Euro zusätzlich eingespart werden.

Verivox-Chef Daniel Puschmann wandte sich dabei der "Augsburger Allgemeinen" gegen die Annahme, günstige Anbieter seien nicht seriös. "Dieser Eindruck führt in die Irre", sagte er. Zum einen hätten auch Stadtwerke oder Ökostromanbieter günstige Neukundentarife. Zum anderen seien alle Anbieter von der Aufsichtsbehörde geprüft und zugelassen. "Agiert ein Anbieter unseriös, ist es Aufgabe der Bundesnetzagentur, gegen schwarze Schafe vorzugehen. Ihre Befugnisse sind im vergangenen Jahr dafür extra gestärkt worden."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk Nova am 07. Januar 2023 um 12:06 Uhr und am 25. Februar 2023 um 12:08 Uhr.