Flugreisende sitzen mit ihren Koffern in einem Wartebereich im Terminal 1 im Airport Hamburg.
Hintergrund

Streik in der Luftfahrt Welche Rechte Flugreisende haben

Stand: 06.10.2022 06:47 Uhr

Die EU regelt die Rechte von Passagieren, wenn ihr Flug ausfällt oder deutlich verspätet ankommt - und wenn ihr Gepäck verloren geht. Worauf haben die Reisenden beim aktuellen Streik Anspruch?

Von Christoph Kehlbach, ARD-Rechtsredaktion

Für die allermeisten Flüge, die von einem Flughafen eines EU-Staates angetreten werden sollen, gilt die EU-Fluggastrechte-Verordnung. Diese gibt Reisenden weitgehende Ansprüche gegen die Fluglinien - und zwar dann, wenn der Flug kurzfristig ausfällt, überbucht ist oder mindestens drei Stunden zu spät am Ziel ankommt. In diesen Fällen kann jeder auf den Flug gebuchte Passagier eine pauschale Ausgleichszahlung von 250, 400 oder sogar 600 Euro verlangen.

Anspruch auf Ausgleichszahlung durch EU-Richtlinie

Wie viel es im Einzelfall gibt, richtet sich nach der Länge der geplanten Flugstrecke. Daneben behalten die Tickets natürlich ihre Gültigkeit. Wenn man im Falle einer Annullierung also einen Ersatzflug antritt, muss der nicht "nochmal" gezahlt werden, die Ausgleichszahlung gibt es "obendrauf". Wird der Alternativflug umgehend angeboten und ist er (bei kurzen Strecken) maximal zwei Stunden, bei langen Strecken maximal vier Stunden später am Ziel, können die Fluglinien die genannten Ausgleichszahlungen um 50 Prozent kürzen.

Gar nicht zahlen müssen die Fluglinien, wenn eine Flugannullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich "auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären". Das ist etwa bei unvorhersehbaren Naturereignissen der Fall. Nicht aber bei Umständen, die von der Fluglinie selbst zu vertreten sind, wie etwa fehlendes Personal im Flugzeug oder beim Check-in. Verpasst der Fluggast seinen Flug aus eigenem Verschulden, etwa weil er zu spät am Flughafen war, muss die Airline natürlich nicht zahlen.

Streik ist zumeist keine "höhere Gewalt"

Fluglinien behaupten in der Praxis sehr oft, dass sie den konkreten Flugausfall nicht hätten vermeiden können und deshalb auch nicht zahlen müssen. Für Streiks trifft das aber in vielen Fällen gerade nicht zu: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat 2021 entschieden, dass auch bei einem Streik ein Anspruch auf Entschädigung bestehen kann. Jedenfalls dann, wenn es das eigene Personal ist, das streikt und sich der Streik im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen bewegt. Denn in diesen Fällen kann die Fluglinie sehr wohl Einfluss nehmen und sich auch in aller Regel auf den Streik einstellen.

Anders sei es allenfalls dann, wenn "fremdes Personal" streikt, etwa die Fluglotsen. Wessen Reise jetzt von den Konsequenzen des Arbeitskampfes bei der Lufthansa-Tochter Eurowings beeinträchtigt wird, sollte sich von der Airline nicht nur die Verspätung oder den Flugausfall bestätigen lassen, sondern auch, dass der Streik der Grund hierfür war. Wenn die Fluggesellschaft dann nicht von sich aus aktiv wird und Entschädigung anbietet, sollten Betroffene Ersatzleistungen aktiv einfordern und im Fall von entstandenen Zusatzkosten die Belege aufbewahren.

Empfohlen wird auch, sich über Ersatztransportmöglichkeiten zu informieren. Fallen Inlandsflüge streikbedingt aus, lohnt sich möglicherweise ein Umstieg auf die Bahn als Verkehrsmittel. Auch hier sollten alle Kaufbelege aufbewahrt und schnellstmöglich bei der Fluggesellschaft zwecks Erstattung eingereicht werden.

Unterstützung bei verspätetem Abflug

Verspätet sich der Abflug erheblich, sind die Airlines in jedem Fall verpflichtet, ihre Passagiere während  der Wartezeit zu unterstützen. So haben Fluggäste Anspruch auf zwei kostenlose Telefonate und auf unentgeltliche Mahlzeiten und Erfrischungen "in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit".

Gerade bei heißen Temperaturen kann man also etwa kostenlose Getränke verlangen. Macht die Verspätung eine Übernachtung nötig, so muss die Airline auch die Kosten für ein Hotel übernehmen, sowie für den Transport dorthin und zurück zum Flughafen, wenn der Flieger dann endlich geht.

Auch gegen Reiseveranstalter bestehen Ansprüche

Viele Urlaubsreisende buchen ihre Flüge nicht separat bei der Fluglinie, sondern als Teil eines Gesamtpakets bei einem Reiseveranstalter. In diesen Fällen stellen Flugausfälle und erhebliche Verspätungen Reisemängel dar. Hier kann dann ein Anspruch auf Herabsetzung des Gesamtreisepreises bestehen. Voraussetzung ist, dass man als Reisender oder Reisende den Mangel (also die Verspätung) anzeigt und Gelegenheit gibt, diesen zu beseitigen. Das wird bei verspäteten Flugzeugen wohl kaum gelingen. Je nachdem, was man erreichen will, können Pauschalurlauber also aussuchen, gegen wen sie vorgehen wollen: den Reiseveranstalter oder die Airline. Doppelt kassieren können sie natürlich nicht.

Um die genannten Rechte auch effektiv durchsetzen zu können, empfiehlt es sich generell, frühzeitig Beweise zu sichern. Denn nicht immer sind Airlines besonders kooperativ, wenn es darum geht, ihre Passagiere zu entschädigen. So ist es ratsam, die Verspätung oder Annullierung zu dokumentieren, sich gegebenenfalls eine Bestätigung der Airline aushändigen zu lassen oder auch Kontaktdaten mit Mitreisenden auszutauschen, um die näheren Umstände bezeugen lassen zu können. In den vergangenen Jahren haben mehrere Anbieter Anbieter ein Geschäftsmodell entwickelt, bei der Durchsetzung dieser Rechtsansprüche gegen entsprechende Bezahlung mitzuwirken.

Verschwundenes Gepäck muss ersetzt werden

Zu den Pflichten des Reiseveranstalters oder der Fluglinie zählt natürlich auch der pünktliche und sichere Transport des Gepäcks. Kommt ein Gepäckstück gar nicht oder deutlich verspätet am Zielort an oder wird während des Fluges beschädigt, so begründet das in der Regel einen Anspruch gegen Airline oder Reiseveranstalter. Im Fall der Pauschalreise redet man wieder von einem Reisemangel. Für die Zeit, die Reisende ohne Koffer am Zielort verbringen, kann dann wiederum der Gesamt-Reisepreis entsprechend gemindert werden.

Die Höhe der Minderung bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls. Ähnlich ist es bei Individualflügen, hier haftet die Fluglinie. Wenn ein Koffer nicht ankommt, können sich Reisende vor Ort in jedem Fall mit dem Nötigsten (Kleidung, Hygieneartikel) selbst versorgen und die Kosten dann in Rechnung stellen. Auch bei Beschädigung eines Koffers oder dessen Inhalts können Reisende Entschädigung verlangen. Ersetzt wird der Zeitwert, also das, was der Koffer beziehungsweise dessen Inhalt "noch wert ist". Bleibt der Koffer ganz verschwunden, wird dies genauso behandelt. Es gibt allerdings eine Höchstgrenze für solche Entschädigungen. Diese liegt laut dem sogenannte Montrealer Abkommen aktuell bei rund 1400 Euro pro Person.

Schnelle Reaktion ist wichtig

Beim Gepäck ist es ganz besonders wichtig, Schäden und Verlust schnell zu melden, am besten direkt vor Ort. Als Beleg dafür, dass Gepäck aufgegeben wurde, gilt der Gepäck-Aufkleber auf der Bordkarte. Kommt es zum Streit über den Wert von Koffer oder Kleidung sind aufbewahrte Kaufbelege von Vorteil.

Natürlich ist es unrealistisch, die Quittungen für sämtliche mitgeführten Kleidungsstücke oder Geräte zu haben - aber vielleicht  gibt es noch Nachweise für besonders teure oder neu angeschaffte Dinge. Bei einer Beschädigung muss spätestens nach sieben Tagen eine Schadensmeldung aufgegeben werden, der Verlust eines Gepäckstücks muss spätestens nach 21 Tagen angezeigt werden. Man sollte damit also in keinem Fall zu lange warten.

Carsten Schabosky, WDR, 01.07.2022 10:58 Uhr