Konzerttickets

Corona-Krise Konzertkarten zu Weihnachten - gute Idee?

Stand: 30.11.2020 19:20 Uhr

Event-Eintrittskarten zu Weihnachten sind ein beliebtes Geschenk. Doch ergibt das in Corona-Zeiten Sinn? Verbraucherschützer raten, sich das vorher genauestens zu überlegen.

Von Ute Spangenberger, SWR

Für Musikfan Jörg war es ein enttäuschendes Jahr. Der Mitfünfziger aus der Pfalz liebt Livekonzerte. Er hatte sich auf einige Großevents gefreut: ein Klassik-Open Air in Berlin, ein Rockkonzert im französischen Lyon, ein Festival im Harz und ein Zirkusgastspiel in Mannheim. Stattgefunden hat davon bislang nichts. Die Tickets hängen immer noch am Magnetboard über dem Küchentisch. Die Veranstaltungen sind ins nächste Jahr verlegt. Jörg weiß jetzt schon, dass zwei Ersatztermine miteinander kollidieren werden.

Tickets als Weihnachtsgeschenke? Davon rät er in diesem Corona-Jahr eher ab: "Zum einen haben viele so wie ich noch  'alte' Konzertkarten, zum anderen wäre mir das viel zu unsicher: für den Beschenkten und für den, der verschenkt. Der hat nämlich die Tickets gekauft und dann den Ärger mit dem Rückabwickeln."

Vorsicht beim Ticketkauf

Zur Vorsicht beim Schenken mahnen auch die Verbraucherschützer. Klaus Müller, Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), sagt: "Sorglos schenken wird in dieser Corona-Zeit nicht funktionieren. Ich muss mich informieren, damit ich Freude und nicht Frust verschenke."

Was er meint: Wer jetzt eine Konzert- oder Theaterkarte für 2021 verschenkt, riskiert, dass die Veranstaltung wegen der Corona-Lage nicht stattfindet. Im besten Fall, sagt Müller, bekommen die Verbraucher dann zumindest ihr Geld zurück: "Ich kann mir den Ticketpreis erstatten lassen, vorausgesetzt natürlich, da ist jemand, der mir etwas erstatten kann. Wir haben ja momentan noch die Situation, dass Unternehmen Insolvenzen nicht anmelden müssen. Das ist gerade alles ausgesetzt. Darum gibt es keine oder kaum Insolvenzen." Das werde sich 2021 ändern, sagt Müller.

Solidarität mit der Branche

Jens Michow, Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft, appelliert in diesem Zusammenhang an die Solidarität der Verbraucher: "Wer auch nach der Krise noch die Vielfalt des Kulturangebots auf der Bühne genießen will, sollte Solidarität mit den Veranstaltern zeigen, die schließlich gänzlich unverschuldet in diese Krise geraten sind."

Michow beschreibt, dass viele Veranstalter zur Zeit Probleme hätten, noch Hallen für 2021 zu buchen. Tausende von Konzerten seien verlegt worden: "Jede Halle kann schließlich nur einmal am Tag gebucht werden. Das bedeutet, dass es für viele Veranstaltungen, die jetzt gerade zum dritten Mal verlegt werden müssen, gar keine Termine mehr gibt. Nachdem nun allerdings die Impfungen anlaufen, meine ich, dass jedenfalls im zweiten Halbjahr 2021 die angekündigten Veranstaltungen tatsächlich stattfinden können. Ticketgeschenke für diese Zeit kann man meines Erachtens daher durchaus wagen."

In einem Punkt ziehen Verbraucherschützer und Veranstaltungswirtschaft an einem Strang: Beide fordern ein gut aufgelegtes, unbürokratisches Hilfsprogramm vom Staat für die Veranstaltungsbranche. "Niemand anderes als der Staat kann die Unsicherheit nehmen", sagt Verbraucherschützer Müller.

Gutschein-Regelung

Müller warnt davor, dass die Politik die sogenannte Gutschein-Regelung nachbessert oder neu auflegt. Das Gesetz war im Mai in Kraft getreten und erlaubt Veranstaltern, Events nachzuholen, die pandemiebedingt abgesagt wurden. Verbraucher, die ihre Gutscheine bis zum 31.Dezember 2021 nicht einlösen wollen oder können, bekommen nur unter gewissen Voraussetzungen ihr Geld davor zurück. Dies gilt für alle Tickets, die vor dem 8. März gekauft wurden.

Während Verbraucherschützer die Gutschein-Regelung als "Zwangsdarlehen" kritisiert hatten, sprach die Veranstaltungsbranche von einer "Atempause".

Keine Neuauflage geplant

Auf Anfrage von tagesschau.de teilt das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit, dass derzeit nicht geplant sei, diese Frist zu verlängern. Auch für Tickets, die nach dem 8. März gekauft wurden oder werden, sei keine Folgeregelung geplant. Dazu ein Sprecher: "Bei Verträgen, die nach dem 8. März 2020 geschlossen wurden, war den Veranstaltern das Risiko von pandemiebedingten Absagen jedoch bekannt, so dass auch das etwaige Erfordernis der Rückzahlung der danach angenommenen Eintrittsgelder einkalkuliert werden konnte und musste. Zudem stehen inzwischen verschiedene finanzielle Hilfen des Bundes und der Länder zur Verfügung, die auch die Veranstalter von Freizeitveranstaltungen in Anspruch nehmen können."

Genau abwägen

Die Verbraucherzentrale rät allen, die trotz aller Unsicherheit Tickets verschenken möchten, Vor- und Nachteile abzuwägen und genau zu schauen: "Man sollte sich Gedanken machen: Ist der Veranstalter abgesichert durch eine Kommune oder ein Land oder abgesichert durch Erfolg in der Vergangenheit, so dass er auf Eigenkapital sitzt? Oder aber bin ich bereit ins Risiko zu gehen, auch aufgrund einer gewissen Sympathie, Solidarität und Unterstützung?"

Konzertfan Jörg hat sich inzwischen entschieden. Bei den beiden verlegten Konzerten, die 2021 terminlich kollidieren, will er das Event beim kleineren Veranstalter besuchen - in der Hoffnung, dass das Festival erhalten bleibt und der Veranstalter nicht insolvent geht.