
Krise in Venezuela Fünf Nullen weniger gegen die Inflation
Stand: 20.08.2018 11:19 Uhr
In Venezuela tritt heute eine Währungsreform in Kraft: Beim Bolivar werden kurzerhand fünf Nullen gestrichen. Die Ursachen der Hyperinflation werden damit jedoch nicht beseitigt.
Von Anne-Katrin Mellmann, ARD-Studio Mexiko
Lange Schlangen bilden sich in den vergangenen Tagen vor der Währungsreform um Bankgebäude in Caracas. Die Venezolaner versuchen an Bargeld zu kommen, damit sie immer knapper werdende Lebensmittel horten können und für das befürchtete Chaos nach der Reform gewappnet sind - denn Bargeld ist in der Hyperinflation Mangelware.
Ein Mann stand schon an mehreren Banken an, weil es pro Person nur 500.000 Bolivares gibt. Das reicht nicht einmal für eine Flasche Mineralwasser. Weil es Bares schon seit langem nur noch auf Zuteilung gibt, haben Venezolaner wie er so viele verschiedene Konten wie möglich. "Ich glaube nicht, dass die Währungsreform unsere Probleme löst", sagt der Mann. "Das wissen wir aus Erfahrung. Für einfache Leute wie mich wird es ein weiterer Reinfall sein. Es wird Chaos geben, bei Überweisungen zum Beispiel. Die Leute sind verunsichert und verwirrt, weil sie nicht wissen, was passieren wird."
Gibt es genug Geldscheine?
Nur so viel ist klar: Fünf Nullen wollen die seit 20 Jahren regierenden Sozialisten streichen, um die Hyperinflation zu bekämpfen. Aus einer Million des bisherigen "starker Bolívar" genannten Geldes werden dann 10 "souveräne Bolivar" - so heißt die neue Währung. Die wird an die vor einem halben Jahr eingeführte Kryptowährung Petro gekoppelt. Ob schon ausreichend neue Geldscheine gedruckt wurden, ist jedoch unbekannt.
Wieder einmal verspricht Präsident Nicolas Maduro den leidgeprüften Venezolanern bessere Zeiten: "Es ist eine Win-Win-Situation. Unsere Anhänger und Gegner, Patrioten, die ihr Land lieben, Venezolaner im In-und Ausland - alle können nur gewinnen. Ich sage euch: Im Vertrauen auf Gott werden wir alles tun, damit unser Programm der Wirtschaftlichen Erholung erfolgreich wird. Es ist zum Wohl aller Venezolaner."
Schon vor einigen Wochen wollte die Regierung drei Nullen streichen, aber die galoppierende Inflation holte sie ein und sie musste den Termin verschieben.
Nullen streichen reicht nicht
Doch nun Nullen zu streichen, nütze wenig, meinen Ökonomen wie Víctor Álvarez. Die Bindung des neuen Bolívar an die Kryptowährung Petro - dessen realer Gegenwert die reichen venezolanischen Bodenschätze sind - könne nur unter einer Bedingung klappen: "Wenn es eine ernsthafte und überprüfbare Verpflichtung gibt, keine neuen Bolívar-Scheine zu drucken. So wurde nämlich bislang das Defizit von staatlichen Unternehmen wie der Erdölfördergesellschaft PDVSA finanziert. Deren Einnahmen reichen nicht einmal für die Löhne."
Wenn wieder neues Geld gedruckt würde, wären schon bald wieder zehntausende Geldscheine in Umlauf, meint Álvarez. Und die Kryptowährung Petro sei bislang nur ein Experiment ohne das gewünschte Ergebnis und ohne international anerkannt zu sein.
#kurzerklärt: Warum geht es Venezuela so schlecht?
22.08.2017, Alexander Westermann, NDR
Inflation bei einer Million Prozent
Die Prognosen für die Inflation in diesem Jahr sind schwindelerregend: Der Wertverlust könnte bist zu eine Million Prozent betragen, schätzt der Internationale Währungsfonds. Wirklich helfen könnte der US-Dollar als Landeswährung, so wie in Panama oder Ecuador, meinen Experten. Außerdem müsse Venezuela endlich seine gravierenden strukturellen Probleme lösen: die extrem eingebrochene Erdölförderung steigern, aber auch die Abhängigkeit vom Erdölexport verringern, indem die brachliegende Produktion in Industrie und Landwirtschaft wiederbelebt wird.
In Venezuela tritt umstrittene Währungsreform in Kraft
Anne-Katrin Mellmann, ARD Mexiko Stadt
20.08.2018 10:36 Uhr
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