Eine Ein-Euro-Münze steht auf einem Ein-Dollar-Schein
Interview

Trump-Kritik an Deutschland "Mit Verlaub - das ist absurd"

Stand: 03.02.2017 07:18 Uhr

Schwächen die Deutschen den Euro, um der heimischen Exportwirtschaft einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Amerikanern zu verschaffen? "Absurd", sagt der Ökonom Schmieding im Gespräch mit tagesschau.de. Am starken Dollar sei eher Trump schuld als Merkel.

tagesschau.de: Nach den Angriffen auf China und Mexiko knöpft sich die neue US-Regierung nun auch die hiesige Wirtschaftspolitik vor. Peter Navarro, ein wichtiger Berater Donalds Trumps, wirft Deutschland vor, mithilfe des schwachen Euro seine Handelspartner "auszubeuten". Was ist dran an dieser Unterstellung?

Holger Schmieding: Mit Verlaub - dieser Vorwurf ist absurd, speziell in geldpolitischer Hinsicht. Denn es sind ja gerade die Deutschen, die von der Europäischen Zentralbank seit Jahren einen härteren währungspolitischen Kurs fordern, wenn auch vergeblich.

Zur Person

Holger Schmieding arbeitete am Kieler Institut für Weltwirtschaft und beim Internationalen Währungsfonds, bevor er 1993 zur US-Investmentbank Merrill Lynch und 2002 schließlich zur Bank of America wechselte. Dort amtierte er als Chefvolkswirt für Europa. Seit 2010 ist Schmieding Chefökonom der Hamburger Privatbank Berenberg.

tagesschau.de: Sie spielen auf die extrem lockere Geldpolitik im Euroraum an. Der Leitzins ist praktisch bei Null, zudem pumpt die EZB durch den Aufkauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren Monat für Monat Milliarden in die Märkte. Im Zuge dessen hat der Euro zuletzt gegenüber dem US-Dollar deutlich an Wert verloren - was deutsche Exporte verbilligt und amerikanische verteuert.  

Schmieding: Ich würde allerdings nicht behaupten, dass der Euro - zum Beispiel gemessen am britischen Pfund oder an den meisten Schwellenländerwährungen - besonders schwach wäre. Stattdessen ist der Dollar ungewöhnlich stark. Und das rührt daher, dass die meisten Investoren damit rechnen, dass die US-Staatsverschuldung unter Trump deutlich steigen wird. Dadurch steigen in Amerika die Zinsen - und das hat wiederum zur Folge, dass auch der US-Dollar vermehrt nachgefragt wird. Wenn also einer für die momentane Dollar-Stärke verantwortlich ist, dann eher Trump als Merkel.

tagesschau.de: Die Geldpolitik ist das eine. Daneben zielt die Kritik allerdings auch auf die deutsche Fiskalpolitik - also konkret auf die Frage, ob der deutsche Staat angesichts der guten konjunkturellen Lage nicht seine Ausgaben steigern sollte.

Schmieding: In der Tat lässt sich argumentieren, dass die Bundesregierung durch ihre solide Haushaltspolitik einen kleinen Teil dazu beiträgt, dass die Zinsen für Staatsanleihen in Europa so niedrig sind. Diese Politik zu kritisieren, finde ich allerdings unsinnig.  

"Kritik war übertrieben"

tagesschau.de: Warum das? Im Kern hat Trump-Berater Navarro doch nur das wiederholt, was viele renommierte Ökonomen seit Jahren sagen - nämlich dass Deutschland mit seinen Exportüberschüssen auf Dauer anderen Volkswirtschaften schadet und die Bundesregierung endlich gegensteuern sollte.

Schmieding: Diese Kritik an Deutschland war immer schon übertrieben, und inzwischen würde ich sogar sagen, sie ist unberechtigt. Denn im vergangenen Jahr hat Deutschland die Staatsausgaben real, also nach Abzug der Inflation, um mehr als vier Prozent erhöht. Deutschland leistet sich also bereits einen fiskalischen Stimulus, sprich: eine Art staatliches Konjunkturprogramm. Das ist doch genau das, was jahrelang gefordert wurde.

tagesschau.de: Man könnte auch sagen: Angesichts der seit Jahren steigenden Steuereinnahmen sollte Deutschland noch sehr viel mehr tun.

Schmieding: Das finde ich nicht. Aus meiner Sicht hat die Bundesrepublik in den zurückliegenden Jahren eine fast idealtypische Haushaltspolitik betrieben. Zunächst wurden durch wirtschaftliche Reformen die Beschäftigung gesteigert und die öffentlichen Kassen saniert. Entsprechend kann man es sich nun leisten, die Ausgaben - wie zum Beispiel für Investitionen oder für Flüchtlinge - hochzufahren, ohne dafür neue Schulden machen zu müssen. Statt Deutschland dafür zu kritisieren, sollten die USA eher ihre eigene Haushaltspolitik überdenken.

"Die Gegenseite weichklopfen"

tagesschau.de: Sie waren jahrelang Chefvolkswirt eines der größten US-Finanzinstitute, nämlich der Bank of America - kennen also nicht nur die europäische, sondern auch die amerikanische Sicht auf die Dinge. Was will Trump mit seiner scharfen Kritik an Deutschland bewirken?

Schmieding: Ich habe den Eindruck, dass die neue US-Regierung ganz bewusst zunächst mal eine Reihe von Knallern loslässt. So war es in der China-Taiwan-Frage, so ist es jetzt mit der Kritik an Deutschland. Offenbar gehört das zur Trumpschen Verhandlungsstrategie: die Gegenseite weichklopfen, um dann, wenn die ernsten Gespräche beginnen, von vornherein mehr Zugeständnisse erwarten zu können.

tagesschau.de: Wird diese Strategie im konkreten Fall aufgehen?

Schmieding: Da die Kritik von Navarro in erster Linie der Währungspolitik galt, müssten die Zugeständnisse nicht von der Bundesregierung kommen - sondern von der EZB. Doch die ist allein ihrem Mandat verpflichtet, das da lautet, eine langfristige Inflation von etwa zwei Prozent anzustreben. Ich denke nicht, dass die EZB davon abrückt, nur weil Trump es so will.

Gebäude der Federal Reserve der USA

Wie will Trump die Federal Reserve der USA unter seine Kontrolle bringen?

tagesschau.de: Hätte die Kritik eine größere Wirkungskraft, wenn sie vom amerikanischen Pendant zur Europäischen Zentralbank käme - also von der US-Notenbank Fed?

Schmieding: Zumindest würde man die Hinweise dann ernster nehmen. In der Tat ist das ja eine Frage, die uns noch beschäftigen wird - nämlich inwieweit die Trump-Regierung die Notenbank unter ihre Kontrolle bringen will, etwa indem sie die Fed einer politischen Aufsicht unterwirft. Zumal: Ein solcher Schritt würde im Kongress nicht nur von vielen Konservativen begrüßt, sondern vermutlich auch von linken Demokraten.

tagesschau.de: Um noch einmal auf die EZB zurückzukommen: Könnte es sein, dass den Deutschen - oder zumindest: der Bundesbank - die Äußerungen aus den USA sogar zupass kommen, weil die Kritik den Druck auf EZB-Präsident Mario Draghi erhöht, von seiner ultralockeren Geldpolitik abzurücken?

Schmieding: Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass man im Moment seine Position stärkt, indem man sich auf Trump beruft. Wenn beispielsweise die Bundesbank dies versuchen würde - was sie selbstverständlich nicht tun wird - würde sie eher eine Gegenreaktion auslösen. 

Das Interview führte Heinz-Roger Dohms

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 03. Februar 2017 um 21:45 Uhr.