
Energiesorgen im Gastgewerbe Wellnessbereich als Stromfresser
Eigentlich wollten Hotels und Restaurants nach mageren Corona-Jahren wieder durchstarten. Jetzt belasten Krieg und Energiekrise die Branche schwer. Das Schlimmste steht womöglich noch bevor.
"Die allermeisten Gastronomen realisieren noch gar nicht, wie die Bombe tickt", sagt Gereon Haumann. Als langjähriger Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) Rheinland-Pfalz kennt er die Branche wie nur wenige. Eine Stimmung wie zurzeit habe er noch nicht erlebt.
Fast die Hälfte sieht Existenz bedroht
Laut einer bundesweiten DEHOGA-Umfrage bezeichnen 90 Prozent der Restaurants und Hotels die Energiekosten als die aktuell größte Herausforderung. 40 Prozent fühlen sich bereits existenziell bedroht. Vielen Betrieben sei noch gar nicht bewusst, dass ihre Gaslieferverträge zum Jahresende auslaufen, sagt Haumann. Doch die Erkenntnis allein würde auch nicht viel nützen. "Kein Gasversorger ist bereit, zu ähnlichen Konditionen wie zuvor abzuschließen." Beim Strom ist es nicht besser.
Haumann berichtet von einem großen, privatgeführten Hotel in Mainz. Weil sich die Gasknappheit schon im Frühjahr abzeichnete, habe der Inhaber Teile der Heißwasserversorgung auf Elektro umgestellt. Das heiße Wasser in den Gästezimmern komme nun nicht mehr aus der Zentralheizung, sondern aus Elektro-Durchlauferhitzern. Mehr als 100.000 Euro habe der Hotelier in die Umrüstung investiert, sagt Haumann.
Anders als viele seiner Kollegen hatte der Hotelier auch im Blick, dass sein Stromliefervertrag am 31. Dezember 2022 endet. Bereits im Juli fragte er nach den künftigen Konditionen. Die seien schon damals katastrophal gewesen, sagt DEHOGA-Präsident Haumann. Allein der Strompreis - also ohne Netzdurchleitungskosten, Zählermiete, Steuern und so weiter - habe sich von vier Cent auf 40 Cent verzehnfacht. "Das hätte 900.000 Euro Mehrkosten bedeutet," rechnet Haumann vor. Er habe dem Hotelier geraten, das Angebot auszuschlagen - "weil: Das kann ja nicht so bleiben". Jetzt liegt das aktuelle Angebot noch deutlich höher, bei 65 Cent.
Hoher Energieverbrauch in Küchen und Spa-Bereichen
Große Stromfresser in Hotels sind außer Restaurantküchen vor allem die Wellnessbereiche. Doch weil viele Gäste sich für ein Hotel gerade wegen des Wellnessangebots entscheiden, hatte sich die Familie Pistono aus Dieblich an der Mosel kurz vor der Energiekrise entschieden, den Spa-Bereich in ihrem Drei-Sterne-Superior-Hotel deutlich auszubauen und mehr als eine Million Euro zu investieren - für eine neue Sauna, eine Bio-Sauna, Dampfbad, Infrarotsauna und Ruheraum.
"Wir haben dafür einen hohen Kredit aufgenommen," sagt Junior-Chefin Theresa Pistono. "Nach heutigen Kriterien ist das eigentlich verrückt." Die 30-Jährige zählt zur fünften Generation, die das 85-Zimmer-Hotel betreibt. "Wir wollen es auf einen zeitgemäßen Standard bringen, neue Jobs bieten und eine möglichst gute Auslastung über das ganze Jahr erreichen."
"Zimmer und Abendessen reichen nicht"
Ihr Vater Walter weiß aus seiner langjährigen Erfahrung: "Wenn man dauerhaft Gäste haben will, muss man etwas bieten und bereit sein zu investieren. Zimmer und Abendessen allein reichen heute nicht." Immerhin betreibt die Familie bereits seit zehn Jahren ein eigenes Blockheizkraftwerk, um Hotelzimmer, Restaurant und Schwimmbad mit heißem Wasser und Strom zu versorgen. "Das hat für erhebliche Einsparungen beim Strom gesorgt", so Senior-Chef Walter Pistono. Der Gasliefervertrag für das Blockheizkraftwerk läuft noch bis Ende 2023. Mit welchen Kosten die Pistonos danach rechnen müssen, ist völlig ungewiss.
Dabei ist die Gastronomie schon jetzt mit erheblichen Mehrkosten bei Lebensmitteln konfrontiert. "Dazu kommt, dass der Mindestlohn ab Oktober steigt", sagt Theresa Pistono. "Wir werden die Preise um zehn bis 15 Prozent erhöhen müssen." Schon jetzt sei zu spüren, dass bei vielen Gästen das Geld knapper wird. Zurzeit sei das Hotel zwar noch gut ausgelastet, es sei Hochsaison an der Mosel. Doch für November und Dezember gebe es kaum Buchungen. Trotzdem meint Theresa Pistono: "Unternehmen müssen sich neu aufstellen und antizyklisch handeln. Das ist natürlich eine schwierige Entscheidung, in solchen Zeiten einen hohen Kredit aufzunehmen. Aber man darf sich nicht abschrecken lassen. Ich denke schon, dass es sich lohnt."
Grüne Investitionen zahlen sich jetzt aus
Abschrecken ließ sich auch Thomas Langhauser aus Edenkoben aus der Pfalz nicht, als er zu einem Zeitpunkt, als Gas und Strom noch günstig waren, das erste klimaneutrale Hotel in Rheinland-Pfalz baute. "Gott sei Dank habe ich mich schon vor 20 Jahren mit dem Thema Klimafreundlichkeit intensiv beschäftigt. Damals hat das niemanden ernsthaft interessiert." Seine Motivation erklärt der 58-jährige Hotelier so: "Das macht man für sich selbst aus Überzeugung. Aber auch, um langfristig Geld einzusparen". Das Motto des Pfälzers: "Net babbele, mache."
Auch Langhauser setzt auf ein Blockheizkraftwerk für Wärme und Strom, ergänzt durch Solarenergie. Von Oktober bis März läuft das Blockheizkraftwerk durch und produziert außer Wärme auch die benötigte Elektrizität. "Nur im Sommer müssen wir Strom dazukaufen" sagt Langhauser. Die CO2-Reste, wie Langhauser sagt, werden durch Zertifikate kompensiert. So schmückt sich sein Hotel "Ziegelhütte" seit zwölf Jahren mit der Auszeichnung "CO2-neutral".
Seit der Umstellung auf Blockheizkraftwerk und Solar verbrauche das Hotel weniger als ein Drittel so viel Strom wie davor. Weil das Blockheizkraftwerk im Winter mehr Strom produziert, als das Hotel benötigt, erhält Langhauser eine Einspeisevergütung, die sich an den Markpreisen orientiert. Er macht das, was heute als Zufallsgewinn bezeichnet wird. Oder wie Langhauser es formuliert: "Die Wärme kriege ich dadurch quasi umsonst."
Viele Hoteliers denken jetzt um
Sein Wissen und seine Erfahrung teilt er seit Jahren im Arbeitskreis "Umwelt und Nachhaltigkeit" des DEHOGA-Verbandes auf Bundesebene. Der Arbeitskreis wurde jetzt um das Thema Energie ergänzt und als Ausschuss aufgewertet. "Die Krise bringt die Nachhaltigkeit weiter", sagt Langhauser, der jahrelang von vielen Kollegen belächelt wurde.
Auch viele andere Hotels versuchen jetzt, energieeffizienter zu werden, müssen aber noch mit den aktuellen Rahmenbedingungen klarkommen. "Wir müssen uns auf die neue Situation einstellen," sagt Gereon Haumann vom DEHOGA." Um eine Pleitewelle zu verhindern, fordert sein Verband einen Energiepreisdeckel für Strom und Gas, die Nutzung aller Energiequellen inklusive Atomkraft. "Energie muss nicht nur verfügbar, sondern auch bezahlbar bleiben", so Haumann. "Einen Energie-Lockdown würden viele Betriebe nicht überleben".