Elizabeth Holmes und ihr Lebensgefährte Biily Evans (Archivbild). | AFP

Ex-Biotech-Milliardärin Vorentscheidung im Fall Holmes?

Stand: 02.12.2021 04:44 Uhr

Im Betrugsprozess gegen die Ex-Biotech-Milliardärin Elizabeth Holmes hat sich die Theranos-Gründerin in dieser Woche möglicherweise schwer belastet. Das Kreuzverhör durch die Staatsanwaltschaft war laut Experten ein Wendepunkt.

Von Marcus Schuler, ARD-Studio Los Angeles

Wie fast an jedem Prozesstag stehen die ersten Zuschauer bereits ab vier Uhr morgens Schlange vor dem Gerichtsgebäude in San José, der selbst ernannten Hauptstadt des Silicon Valley, gut 80 Kilometer südlich von San Francisco. Dann der immer gleiche Auflauf, seit fast drei Monaten: Kameras, Blitzlichter und drängelnde Journalisten.

Marcus Schuler ARD-Studio Los Angeles

Elizabeth Holmes betritt das Gerichtsgebäude. Die 37-Jährige kommt nie allein. Meist ist sie in Begleitung ihres acht Jahre jüngeren Ehemanns, dem millionenschweren Hotelerben Billy Evans, oder ihrer Mutter.

Möglicher Wendepunkt

In dieser Woche hat der Prozess nicht nur an Spannung gewonnen, die Aussagen von Holmes könnten auch einen Wendepunkt zu ihrem eigenen Nachteil bedeuten. Denn zum ersten Mal musste sich die einstige Vorzeigegründerin den Fragen der Anklage stellen.

Die Reporterin Rebecca Jarvis hat den Prozess von Anfang an verfolgt und produziert den Podcast "The Drop Out".

Bislang hat sich Holmes kaum zu Wort gemeldet. Jetzt konnte man eine sehr emotionale Angeklagte sehen. Bei ihrer Befragung hat sie einige Dinge gesagt, die bislang nicht bekannt waren. Zum Beispiel, dass sie an der Stanford-Universität vergewaltigt worden sei und das mit ein Grund war, weshalb sie das Studium nach nur einem Jahr wieder abgebrochen hatte, um dann ihr Start-Up Theranos zu gründen.

In ihrer Befragung hat Holmes auch eine Aussage gemacht, mit der bereits vor Beginn des Verfahrens gerechnet wurde - dass ihr langjähriger Geschäftspartner und Lebensgefährte Ramesh Balwani sie mehrfach zum Sex gezwungen und sie häufig verbal erniedrigt habe.

Podcasterin Jarvis sagt: "Er habe ihren Tagesablauf vorgegeben. Selbst, was sie essen sollte. Diese Vorwürfe hat Balwani aber bereits deutlich zurückgewiesen. Mit diesen Aussagen werden sich die Geschworenen ebenso auseinandersetzen müssen wie mit der Frage, ob hinter ihrem Handeln Absicht stand." 

Handelte Holmes mit Absicht?

Das ist die wichtigste Frage, die das Gericht gemeinsam mit den Geschworenen klären muss: Hat Holmes Investoren und Geschäftspartner wie die Drogeriemarkt-Kette Walgreens absichtlich belogen, weil ihr bekannt war, dass die von ihrem Unternehmen entwickelten Bluttestgeräte so gut wie keine verlässlichen Ergebnisse lieferten?

Bislang hat Holmes' Verteidigung versucht, die Schuld auf andere Theranos-Mitarbeitende abzuwälzen - auf den Chef ihres Labors, ihren Ex-Freund oder die Marketing-Abteilung. Doch im Kreuzverhör durch Staatsanwalt Robert Leach hat sie diese Woche vermutlich einen schweren Fehler gemacht. Leach fragte sie nämlich: Die Verantwortung lag doch bei Ihnen? Holmes antwortete: "Ja, das habe ich gespürt." Podcasterin Jarvis meint:

Die Verteidigung muss hier jetzt ein starkes Gegenargument bringen. Der Staatsanwalt konnte sehr viele belastende Beweise vorlegen. Vor allem das Kreuzverhör in dieser Woche hat Holmes sehr deutlich mit dem Vorwurf des Betrugs belastet." 

Wie lange der Prozess gegen Holmes dauert, ist derzeit nicht abzusehen. Der 37-Jährigen drohen bei einer Verurteilung bis zu 20 Jahre Gefängnis.

Über dieses Thema berichtete NDR Info am 08. August 2021 um 05:38 Uhr.