Kreuzfahrtschiff "Global Dream"

Insolvenz in Wismar Werftpleite könnte für Steuerzahler teuer werden

Stand: 02.12.2022 15:37 Uhr

Mehrere hundert Millionen Euro hat der deutsche Staat in die Rettung der MV Werften gesteckt, trotzdem mussten sie Insolvenz anmelden. Nun droht offenbar ein Ausfall der Bürgschaften.

Von Lilli-Marie Hiltscher, ARD-Finanzredaktion

40 Millionen Euro soll der Unterhaltungskonzern Disney für die "Global Dream" zahlen. Das haben in dieser Woche "Capital" und "Stern" unter Berufung auf Finanzkreise berichtet. Das in weiten Teilen fertiggebaute Kreuzfahrtschiff gehörte zur Insolvenzmasse der MV Werften, die Anfang dieses Jahres pleite gingen. Vergangenen Monat wurde bekannt, dass der US-Konzern es übernimmt.

Für Disney ist das ein Schnäppchenpreis - selbst wenn man berücksichtigt, dass der Konzern offenbar noch einmal bis zu einer Milliarde Euro in den Weiterbau des Schiffs investieren will. Ursprünglich war der Wert der "Global Dream" auf rund 1,8 Milliarden Euro nach der Fertigstellung taxiert worden.

Bund und Land bürgen für 430 Millionen Euro

Um den Bau des Mega-Kreuzfahrtschiffes zu finanzieren, musste sich der bisherige Betreiber der MV Werften, die malaysische Genting-Gruppe, viel Geld über Kredite bei privaten Banken beschaffen - laut "Capital" insgesamt 650 Millionen Euro. Als die Werften 2020 in finanzielle Schieflage gerieten, sicherten der Bund und das Land Mecklenburg-Vorpommern die Kredite über öffentliche Bürgschaften ab. Im Umfang von rund 430 Millionen Euro ging der Staat nach Informationen des "Handelsblatts" auf diese Weise ins Risiko.

Nun droht ein Ausfall der Bürgschaften, da die Kredite über den Verkaufserlös nur zu einem kleinen Teil beglichen werden können. Ein deutlich weniger gutes Geschäft könnte die "Global Dream" am Ende also für die Steuerzahler sein.

"Der Verkauf war Schadensbegrenzung"

Trotzdem war der Verkauf an Disney offenbar die einzige Option. Denn der US-Konzern machte das beste Angebot, Verhandlungen mit anderen Käufern seien gescheitert, so der Insolvenzverwalter Christoph Morgan auf Anfrage von tagesschau.de. Die andere Alternative wäre die Verschrottung gewesen. "Dass man das Schiff nun für 40 Millionen Euro verkauft hat, war Schadensbegrenzung", sagt Michaela Skott vom Bund der Steuerzahler im Gespräch im tagesschau.de.

Im Haushalt des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern könnte der geringe Kaufpreis der "Global Dream" eine riesige Lücke reißen. Denn von den 430 Millionen Euro an Bürgschaften hat allein das Land 300 Millionen Euro zugesichert. "Das ist Geld, dass Mecklenburg-Vorpommern eigentlich nicht hat. 300 Millionen Euro sind für Mecklenburg-Vorpommern bei einem Gesamthaushalt von rund 10 Milliarden Euro keine Peanuts", so Skott.

Die Expertin vergleicht die Summe mit dem, was das Bundesland für Kitas und Kinderkrippen ausgibt: "2021, also als die Bürgschaft in Höhe von 300 Millionen bewilligt wurde, wurden 370 Millionen Euro für Kitas und Krippen ausgegeben." Das Geld fehle dem Bundesland also nun, um in Bildung und Infrastruktur zu investieren.

Nicht die erste gescheiterte Rettung

"Hier ist man sehenden Auges in die Katastrophe gerannt. Wie es soweit kommen konnte, muss dringend aufgearbeitet werden", so Michaela Skott. Der Bund der Steuerzahler fordert eine politische Aufarbeitung der Ereignisse.

Zumal es nicht das erste Mal sei, dass das Bundesland erfolglos Staatshilfe für die Branche geleistet habe, so die Expertin: "Mehrfach hat Mecklenburg-Vorpommern Geld in die Rettung einer Werft investiert - jedes Mal mit dem Ergebnis, dass die Werften dann trotzdem pleite waren."

Etwa im Fall der P+S Werften: Als der Betrieb vor gut zehn Jahren in wirtschaftliche Schieflage geriet, bescheinigte ihm die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG Sanierungsfähigkeit. Der Bund und das Land Mecklenburg-Vorpommern bewilligten daraufhin Kreditbürgschaften in Millionenhöhe. 2012 mussten die Werften in Wolgast und Stralsund trotzdem Insolvenz anmelden - laut Wirtschaftsministerium fielen damals Bürgschaften und Kredite des Landes im Umfang von 239 Millionen Euro aus.

Mitarbeiter können hoffen

Die fehlgeschlagene Rettung der MV Werften dürfte Schätzungen zufolge sogar noch teurer sein als die Insolvenz der P+S Werften. Genau beziffern lassen sich die Kosten für das Land laut Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) derzeit noch nicht. Allerdings liege der mögliche Schaden dem Ministerium zufolge bei einem "nennenswerten dreistelligen Millionenbetrag", berichtet der NDR.

Etwas Hoffnung ist der Verkauf der "Global Dream" immerhin für die rund 900 Mitarbeiter der insolventen MV Werften. Denn das Schiff soll in Wismar von der Papenburger Meyer-Werft weitergebaut werden. Und das Unternehmen hat bereits Perspektiven für die ehemaligen Beschäftigten der MV Werften in Aussicht gestellt: "Bis zu 650 Menschen werden ein Angebot zur Beschäftigung bei Meyer Wismar erhalten, mindestens 400 werden eingestellt“, hieß es gestern von Meyer-Werft. Der Bau der "Global Dream" soll bis 2025 abgeschlossen sein.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR2 am 17. November 2022 um 07:00 Uhr.