
Mittelständler zu Lieferketten "China ist für uns unverzichtbar"
Auch kleine und mittelständische Unternehmen sind stark von globalen Lieferketten abhängig - viele suchen nun andere Beschaffungsstrategien. Das Geschäft mit China allerdings ist etwa für die Solarbranche unverzichtbar.
Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflationschaos: Der Druck aktueller Krisen lastet auch auf den Schultern des Solarenergie-Spezialisten Belectric. Die Ereignisse der letzten Jahre haben vor allem eines gezeigt: "Dass die globalen Lieferketten wesentlich vulnerabler sind als angenommen", sagt Peter Walch, CTO und Einkaufsleiter bei Belectric.
Das mittelständische Unternehmen beschäftigt sich mit der Entwicklung, dem Bau und dem Betrieb von Solarkraftwerken in Europa und ist zudem weltweit für die Wartung von Photovoltaik-Anlagen verantwortlich. Themen wie Lieferkettenstabilität und alternative Beschaffungsstrategien werden in Unternehmen immer wichtiger.
Störungen in der Transportlogistik
In den vergangenen Monaten sei der Konzern besonders stark von den Störungen in der internationalen Transportlogistik betroffen gewesen. "Um unsere bestehenden Lieferverpflichtungen zu erfüllen oder aber zu beschleunigen, mussten wir erhebliche finanzielle Mehraufwände tätigen", erläutert Walch. So mussten globale Materialverfügbarkeiten vor Vertragsabschlüssen noch sorgfältiger geprüft werden als bisher. Vor allem für mittelständische Unternehmen mit beschränkter Marktmacht könnten Beeinträchtigungen in den Lieferketten existenzbedrohend werden.
Die engen internationalen Verflechtungen Deutschlands wurden mit Lieferengpässen auf eine harte Probe gestellt, denen sich der Mittelstand nicht entziehen konnte. "Ein mittelständisches Unternehmen ist genauso abhängig von globalen Lieferketten wie ein Großkonzern", sagt Sebastian Moritz, Vorstand der TWS Partners in München zu tagesschau.de. Eine intensivere Lagerhaltung oder etwa der Ausbau von Lagerkapazitäten seien kurzfristige Reaktionen.
Westeuropa gewinnt an Bedeutung für Lieferketten
Um sich vor Ausfällen oder Materialknappheit zu schützen, will laut einer Umfrage der DZ Bank mehr als die Hälfte der etwa 1000 befragten Vertreter mittelständischer deutscher Firmen ihre Lager ausbauen. Zwei Drittel der Unternehmen wollen auf ein breiteres Lieferantennetzwerk setzen. Um Abhängigkeiten zu mindern, erwägen 38 Prozent ihre Produktion anzupassen. Jeder dritte Mittelständler will sich in den nächsten fünf Jahren sogar stärker auf das Geschäft mit Westeuropa fokussieren.
Um Lieferkettenproblemen entgegenzuwirken, suchen viele Konzerne nach Alternativen. "Eine langfristige Maßnahme wäre zum Beispiel die Diversifizierung der Lieferantenbasis, also der Bezug von Vorprodukten von mehreren Lieferanten aus unterschiedlichen Regionen", erklärt Moritz. Eine Entkoppelung von den Weltmärkten sei nicht möglich, da es in Europa zu wenige oder keine Zulieferer spezieller Vorprodukte gebe.
"China ist für uns unverzichtbar"
Angesichts politischer Spannungen hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor einseitigen Abhängigkeiten in Fernost gewarnt und Unternehmen aufgerufen, sich in Asien breiter aufzustellen. Die Mittelständler seien in der Umfrage der DZ Bank bei Geschäften mit China gespalten. Mehr als ein Drittel der Firmen sind in ihren Lieferketten von der Volksrepublik abhängig, so die DZ Bank.
Der Handelspartner China ist auch für das Solarenergieunternehmen Belectric unverzichtbar. "Am meisten Sorgen bereiten uns derzeit die wirtschaftlichen Beziehungen zu China, da ein Teil unserer Kernkomponenten, wie zum Beispiel Module ausschließlich dort beschafft werden kann", so Peter Walch. Ohne Güter aus der Volksrepublik könne der Konzern keine Solaranlagen mehr bauen, da es hier bezüglich regionaler Abhängigkeiten aktuell kaum Alternativen gebe. Deshalb würde ein Aus des Handels mit China nicht nur ein Aus ihrer Geschäftstätigkeit bedeuten, sondern der gesamten europäischen industriellen Solarbranche.
Lieferkettenexperte Moritz betont, dass die Produktion hoch spezialisierter Vorprodukte nicht von heute auf morgen in andere Regionen verlagert werden kann. "Diese Komplexitäten müssen aktiv bewältigt werden." Die Umsetzung werde ein langer Prozess sein und erzeuge zusätzlichen Kostendruck auf dem Markt. Das heiße aber nicht, dass kein Interesse an einer Neuausrichtung besteht.
Erholung in den Lieferketten
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht immerhin etwas Entspannung bei den Lieferketten. "Aktuell deutet vieles darauf hin, dass sich die Störungen allmählich abbauen: Frachtraten für Containerpreise nähern sich wieder den langjährigen Normalwerten, die Staus vor internationalen Häfen lösen sich langsam auf", sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. Sollten die angekündigten Lockerungen der Null-Covid-Politik Chinas vollzogen werden, sei das ebenfalls ein positives Signal für die globalen Lieferketten.