
Erfolg mit System Das Milliardengeschäft K-Pop
Makellose Künstler, eingängige Tänze, treue Fans: K-Pop feiert weltweit Erfolge. Dahinter steckt eine milliardenschwere Industrie, die von Südkoreas Regierung unterstützt wird und den Musikern viel abverlangt.
"Die bunte, knallige Welt, die Tänze und Choreografien, die Verbindung zwischen Fan und Künstler, all das fasziniert mich an K-Pop", sagt die 21-jährige Frankfurterin Melissa Ndugwa. Sie hat die K-Pop-Community "K-Fusion Entertainment" in Frankfurt gegründet und aufgebaut. "Unser allererstes K-Pop-Treffen fand 2017 in Frankfurt auf dem Goetheplatz statt, damals waren wir 30 Fans, heute kommen mehr als 150 K-Pop-Begeisterte", sagt sie stolz. Mittlerweile ist es das größte K-Pop-Fantreffen deutschlandweit.
Politik fördert den Erfolg des K-Pop
K-Pop hat seinen Ursprung in den frühen 1990er-Jahren. Gruppen wie Seo Taiji and Boys verbanden Rap und Balladen, englische und koreanische Texte und setzten damit den Trend für die heutigen K-Pop-Bands. Nach der Asienkrise 1997 lagen die Wirtschaft und der heimische Musikmarkt am Boden. Die Regierung verfolgte daraufhin eine Globalisierungsagenda mit neuen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Die heimische Kulturindustrie wurde durch Subventionen stark gefördert. Auch in die IT-Branche flossen Gelder. Das ermöglichte das Erschließen von Märkten in Übersee und Kooperationen mit internationalen Produzenten.
Dies kommt der Popkultur und dem K-Pop heute zugute. Die Telekommunikationsbranche, Marketingagenturen, Entertainmentunternehmen, die Modeindustrie und Kosmetiklabels arbeiten engmaschig zusammen, um den Exportschlager K-Pop zu vermarkten. Bands wie BTS bringen dem Land jährlich mehrere Milliarden Dollar ein, und auch viele Touristen besuchen Südkorea wegen des K-Pop-Hypes.
Gangnam-Style öffnete Tür und Tor
Seit den 2010er-Jahren nahm der K-Pop-Hype Fahrt auf. 2012 landete ein Südkoreaner einen Zufallshit, der um die Welt ging. Das Video des Künstlers Psy mit dem Titel Gangnam Style wurde auf YouTube in weniger als einem halben Jahr mehr als eine Milliarde Mal angeklickt - und bis heute mehr als 4,3 Milliarden Mal.
Es war zugleich das erste Mal, dass ein koreanischer Song in den USA in den Billboard Charts landete. Damit begann die Öffnung des US-Mainstreammarktes gegenüber anderssprachigen Produktionen. Mittlerweile gibt es Kooperationen mit den großen Stars der amerikanischen Musikszene wie Dua Lipa oder Ed Sheeran.

Mit dem YouTube-Hit Gangnam Style machte Psy den K-Pop 2012 weltweit bekannt.
Pseudo-Intimität als Teil des Erfolgs
Die koreanischen Songs sind längst im Mainstream Pop angekommen. "K-Pop funktioniert jenseits von Sprache mit einfachen Symbolen, die universal verständlich sind", erklärt Michael Fuhr vom Musikethnologischen Forschungszentrum der Stiftung Universität Hildesheim.
Der heutige K-Pop zeichnet sich durch eine neue und besondere Art der Fankommunikation aus. "Es gibt viele Möglichkeiten, den Idols - so heißen die K-Pop-Stars - über Livestreams, TV-Auftritte und Interviews nahezukommen", erklärt K-Pop-Fan Ndugwa. In kostenpflichtigen Apps werden "Behind The Scenes"-Videos hochgeladen, Fans können sich zum digitalen Mittagessen mit ihren Idolen verabreden oder ihnen Fragen über ihr Privatleben stellen.
"Die digitale Vernetzung mit den Fans und der partizipative Charakter sind extrem wichtig für den Erfolg der K-Pop-Gruppen, es wird eine Pseudo-Intimität geschaffen", sagt Musikwissenschaftler Fuhr. "Es gibt sogar spezielle Audioaufnahmen, bei denen Bandmitglieder flüstern, um ihren Fans auch beim Einschlafen zu helfen", sagt Ndugwa. Der Markt sei enorm groß.
Durchschnittlich drei Alben pro Jahr
Die K-Pop-Bands bringen im Durchschnitt drei Alben im Jahr raus. Von diesen gibt es verschiedene Versionen mit Poster und Fotos für 30 bis 50 Euro. "Wenn ich alle Releases von einem Album kaufen würde, wäre ich bei rund 300 Euro im Jahr, nur für die Musik ohne Merchandise-Artikel. Die Fans, die das Geld haben, geben es für K-Pop aus", erklärt Ndugwa.
Hinter den K-Pop-Bands stehen große Talentagenturen wie SM Entertainment, YG Entertainment, JYP Entertainment oder Big Hit Entertainment. "Die K-Pop-Künstlerinnen und -Künstler werden zu Allround-Entertainern ausgebildet", sagt Fuhr. Die Jugendlichen werden in jungen Jahren gecastet, manche von ihnen sind noch Kinder und kommen mit sieben Jahren in sogenannte Bootcamps. Dort werden sie jahrelang in Gesang und Tanz trainiert, lernen verschiedene Sprachen und wie sie sich Fans und Presse gegenüber verhalten sollen.
"Die Jugendlichen werden von Familie und Freunden getrennt, dürfen keine Liebesbeziehungen eingehen und werden stetig kontrolliert und diszipliniert. Das hierarchische System kann die Persönlichkeitsentwicklung hemmen", erklärt Fuhr. "K-Pop gilt als Dream-Factory, früher war es kaum vorstellbar, seine Kinder in die Entertainment-Branche zu schicken", ergänzt er. Die Eltern betrachten die teure Ausbildung auch ohne Erfolg auf der Bühne als nützlich für andere Berufsfelder.
Künstler unter Druck
Werden die jungen Künstlerinnen und Künstler dann letztendlich in Bands zusammengestellt, dürfen sie sich keine Fehltritte mehr erlauben; sie sind nicht nur Repräsentanten der Agenturen, sondern des ganzen Landes.
Die Einschränkung von Persönlichkeitsrechten und die Knebelverträge der Agenturen werden hauptsächlich von der westlichen Fangemeinde immer mehr kritisiert. Besonders die utopischen Schönheitsideale stehen in der Kritik.

Auch wenn die Mitglieder der populären Bands von den Fans angehimmelt werden, stehen sie unter permanentem Druck der Agenturen, die sie oft jahrelang ausgebildet haben.
Kritik am System hinter den Bands
Die Beziehung zwischen den Fans und der Industrie ist ambivalent: Einerseits werden die Bands angehimmelt, andererseits wird das System dahinter kritisiert. "Wir sehen, wie schwierig es für die Idols ist, den hohen Beauty-Standards gerecht zu werden", sagt Ndugwa. Fangemeinden wie "K-Fusion Entertainment" kämpfen dafür, ein realistisches Bild von den Künstlerinnen und Künstlern zuzulassen. Mit Erfolg: Bands wie BTS und Black Pink werden mehr künstlerische Freiheiten gewährt. Das bedeutet auch, dass sie inzwischen selbst ihre Songs schreiben. Lieder anderer Bands stammen dagegen meist von Produzenten aus Amerika und Europa.
"Die Fankultur hat eine eigene Dynamik entwickelt", sagt Fuhr. In der Szene finden sich viele Minoritäten, die Fans geben sich kosmopolitisch und transportieren eine kulturelle Offenheit.
K-Pop-Fan Ndugwa möchte noch viele weitere Treffen organisieren, es macht ihr Spaß zu sehen, dass sich viele unterschiedliche Menschen durch K-Pop zusammenfinden. "Die K-Pop-Treffen sind auch ein Zufluchtsort für Jugendliche, die in der Schule keine Freunde finden, wir fühlen uns verstanden und eng verbunden durch die Musik, den Tanz und die Begeisterung für Südkorea."