
Tarifverhandlungen starten 15 Prozent mehr Geld für Postboten?
Postboten und Paketzusteller verdienen in Deutschland deutlich weniger als der Durchschnitt. Das soll sich ändern: Die Gewerkschaft ver.di fordert bei den heute beginnenden Tarifgesprächen 15 Prozent mehr Lohn.
Postboten und Paketzusteller der Deutschen Post sollen 15 Prozent mehr Geld bekommen. Diese Forderung für 160.000 Tarifbeschäftigte im Inland hat die Gewerkschaft ver.di noch einmal bekräftigt. Heute beginnen die Tarifverhandlungen mit dem Unternehmen.
Post kritisiert Forderung als "realitätsfern"
Die Deutsche Post lehnt die 15-Prozent-Forderung als "realitätsfern" ab. "Bei den anstehenden Tarifverhandlungen wird es wichtig sein, dass wir die Balance zwischen Lohnsteigerungen für unsere Beschäftigten und wirtschaftlicher Tragfähigkeit für das Unternehmen finden", sagte ein Sprecher vor dem Start der Verhandlungen. Er betonte, dass die Firma finanziell handlungsfähig bleiben müsse für Investitionen.
ver.di-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis hält das kräftige Lohnplus dagegen für "notwendig, gerecht und machbar". "Die Beschäftigten brauchen dringend einen Inflationsausgleich und sie erwarten darüber hinaus eine Beteiligung am Unternehmenserfolg", sagte die Gewerkschafterin und verwies auf die zuletzt glänzenden Zahlen des global agierenden Konzerns. Die Deutsche Post prognostiziert für 2022 ein operatives Ergebnis von 8,4 Milliarden Euro und steuert damit auf das erfolgreichste Jahr der Unternehmensgeschichte hin.
Streiks nicht ausgeschlossen
Die Post-Mitarbeiter hätten in den vergangenen Jahren "unter höchsten Belastungen" gearbeitet, nun erwarteten sie "eine dauerhafte finanzielle Anerkennung ihrer so wichtigen Arbeit für uns alle", betonte Kocsis. Beim Verhandlungsauftakt wird nur mit einem ersten Abtasten beider Seiten gerechnet. Knapp zwei Wochen später soll es mit der nächsten Verhandlungsrunde weitergehen.
Bereits im November hatte die zuständige ver.di-Tarifkommission die Forderung beschlossen. Danach sollen die Beschäftigten 15 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von zwölf Monaten erhalten. Ein Abschluss müsse "deutlich über den Tarifabschlüssen der letzten Jahre liegen". Zudem sollen die Ausbildungsvergütungen sowie die Entgelte der Studierenden nach den Vorstellungen der Gewerkschaft in jedem Ausbildungsjahr monatlich um 200 Euro erhöht werden.
Auch Streiks schloss Verhandlungsführerin Kocsis nicht aus, um die Ziele zu erreichen. Die bisherige Entgeltregelung bei der Post hatte ver.di zum 31. Dezember 2022 gekündigt. Damit endete nun auch die Friedenspflicht. Die vorangegangene Einigung im September 2020 sah damals bei einer Laufzeit von 28 Monaten unter anderem vor, dass die Löhne und Gehälter zum 1. Januar 2021 um drei Prozent und am 1. Januar 2022 noch einmal um zwei Prozent angehoben werden.
Deutlich geringere Gehälter als in der Gesamtwirtschaft
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) sind die Gehälter in der Post- und Paketbranche seit 2011 tatsächlich deutlich weniger angestiegen als in der Gesamtwirtschaft. Vom Boom im Online- und Versandhandel der vergangenen Jahre haben die Postboten kaum profitiert.
So verdienten Vollzeitbeschäftigte von Post-, Kurier- und Expressdiensten 2021 Destatis zufolge durchschnittlich 3022 Euro brutto im Monat (nicht preisbereinigt) und damit sechs Prozent mehr als zehn Jahren zuvor. In der Wirtschaft insgesamt stiegen die Verdienste im selben Zeitraum nicht preisbereinigt allerdings um 23,8 Prozent und damit etwa viermal so stark.
Das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen bei Post-, Kurier- und Expressdiensten lag laut den Statistikern im vergangenen Jahr rund 1000 Euro unter dem Schnitt der Gesamtwirtschaft, der 4100 Euro betrug. Darüber hinaus arbeiten die Erwerbstätigen in der Branche oft zu unüblichen Zeiten. Rund 60 Prozent mussten 2021 auch am Wochenende arbeiten und jeder siebte Paketbote zwischen 23 Uhr und 6 Uhr. Zum Vergleich: Über alle Branchen hinweg arbeitete nur jeder elfte Erwerbstätige nachts und 19 Prozent am Wochenende.