Blick in einen Raum mit zahlreichen Schließfächern

Reaktion auf Filialsterben Die Neuerfindung des Bankschließfachs

Stand: 05.06.2021 16:07 Uhr

Das Filialsterben der Banken lässt das Angebot an Schließfächern schrumpfen. Zwei Start-Ups wollen diese Lücke schließen. Sie setzen auf teure Tresortechnik und hohen Versicherungsschutz.

Von Ulrich Crüwell, RBB

Das Schließfach der neuen Generation liegt im Erdgeschoss und fühlt sich an wie ein luxuriöser Geldautomat. Per Chipkarte öffnen sich Türen und massive Schleusen. Ein Automat fragt den PIN-Code ab und bittet um den Abdruck des Zeigefingers. Dann ist ein leises Surren zu hören, und etwa eine Minute später liefert ein Roboter das persönliche Fach in eine kleine Kabine. Ein anonymer Vorgang ohne menschlichen Kontakt. 

Bei vielen Banken und Goldhändlern dagegen führt ein Mitarbeiter den Schließfach-Inhaber in einen Tresorraum, der traditionell gerne mal im Keller zu finden ist. Vielleicht umweht das Schließfach deswegen ein etwas angestaubtes und umständliches Image. Genau das wollen zwei Start-Ups ändern. 

Skepsis gegenüber Währungen und Banken

Es mag Zufall sein, dass Asservato und Trisor zur selben Zeit ihre bundesweit ersten Filialen in Berlin eröffnet haben. Aber vielleicht trifft ihr Angebot einen Zeitgeist der Skepsis gegenüber Währungen und Banken. Oder der Mangel an Schließfächern ist wirklich so riesig, wie es die Gründer behaupten. Auf jeden Fall setzen Asservato und Trisor auf exakt dieselbe Tresortechnik des schwedischen Herstellers Gunnebo.  

Wie viele Schließfächer es in Deutschland gibt, wissen weder Bundesbank noch Bankenverband. Es werden noch nicht mal Schätzungen genannt. Ein bisschen wirkt es so, als ob ein Mantel des diskreten Schweigens über dem jahrhundertealten Verwahrgeschäft liege. 

Vom Filialsterben profitiert die Schließfach-Branche

"Über die genaue Anzahl und Auslastung unserer Schließfächer dürfen wir leider aus versicherungsrechtlichen Gründen keine Auskunft geben", sagt Benjamin Summa, Sprecher des bundesweit tätigen Goldhändlers pro aurum GmbH. Auch die Commerzbank will keine Zahlen nennen. Nur soviel: "Insgesamt verzeichnen wir eine stabile Nachfrage nach Schließfächern und haben eine hohe Auslastung", so Pressesprecher Mathias Paulokat. 

Der Konzern kündigte Anfang des Jahres an, sein Netz an Filialen von 790 auf 450 Filialen zu verkleinern. Andere Banken und Sparkassen reagieren ähnlich drastisch. Mit dem großen Filialsterben könnten viele Menschen ihre Schließfächer verlieren und nach Alternativen suchen. 

Zielgruppe: Gold-Anleger und digitale Nomaden

"Wir merken schon eine erhöhte Nachfrage nach Schließfächern, wenn Filialen von Banken schließen", sagt Markus Ragg, Geschäftsführer der Degussa Goldhandel GmbH. Der nach eigenen Angaben größte Edelmetallhändler Europas bietet in neun deutschen Städten Schließfächer an. Das Geschäft scheint zu laufen. "Wir stocken die Kapazitäten der Schließfächer regelmäßig auf wegen der konstant hohen Nachfrage."

Auch der neue Schließfach-Anbieter Asservato hofft auf Kunden, die ihr Vermögen in physisches Gold anlegen und das bei einem bankenunabhängigen Anbieter verwahrt wissen möchten. Die Bilder von Menschen-Schlangen vor Geldinstituten in Griechenland während der Euro-Krise vor mehr als fünf Jahren habe viel Vertrauen gegenüber Banken auch hierzulande erodieren lassen, sagt Colin Solberg, einer der Gründer von Asservato.

Der Eingansbereich einer Asservato-Filiale in Berlin

Asservato will mit seinem Schließfach-Angebot ganz neue Zielgruppen erreichen.

Anonym und monatlich kündbar

Eine andere Zielgruppe der neuen Schließfach-Automaten: Digitale Nomaden, die kurz mal in Berlin arbeiten, vielleicht in einer Wohngemeinschaft leben und einen sicheren Ort für Dokumente und USB-Stick suchen. "Wir wollen Gruppen ansprechen, die noch gar nicht wussten, dass sie ein Schließfach brauchen", sagt Solberg. Und das soll möglichst einfach sein. 

Die Anmeldung funktioniert bei Asservato fast komplett digital und dauert nur wenige Minuten. Nur der Versand der Chipkarte läuft traditionell per Post. Das Fach ist - anders als bei vielen Banken - monatlich kündbar.

Eine Frage der Versicherung

Der Inhalt jedes Fachs ist bei Asservato mit 30.000 Euro versichert - egal was drin ist. Inhalte von Schließfächern bei Instituten wie der Deutschen Bank sind dagegen nicht automatisch versichert, hat die Stiftung Warentest herausgefunden. Bei der Commerzbank ist Bargeld nicht versichert, sagt Pressesprecher Paulokat. 

Anfang Mai hat Asservato die Schließfächer im Zentrum Berlins am Potsdamer Platz eröffnet. Wenn es in der Hauptstadt läuft, sollen bald andere Standorte in Deutschland dazu kommen. Auf die Frage, woher das Unternehmen das viele Geld für die teuren Tresore nehme, bleiben die Gründer vage und deuten an, dass es sich um zwei sehr vermögende Parteien handele - sogenannte Family Offices. 

Wenige Kilometer von Asservato entfernt bietet Trisor die fast identische Dienstleistung der vollautomatischen Schließfächer an. Doch da ist ein kleiner Unterschied: Die 5000 Trisor-Schließfächer sind rund um die Uhr erreichbar. Auch Trisor will wie Asservato ein bundesweiter Schließfach-Player werden und kündigt an, dass Anfang nächsten Jahres München, Düsseldorf und Hamburg als weitere Standorte folgen sollen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 27. Mai 2021 um 11:00 Uhr.