Maschinen der italienischen Fluggesellschaft Alitalia | REUTERS

Rettungsplan Alitalia Hört Draghi auf Draghi?

Stand: 17.03.2021 08:21 Uhr

Corona hat auch die italienische Alitalia hart getroffen. Allerdings steckte die zuvor schon in den Miesen. Als Finanzexperte hätte Mario Draghi eine klare Empfehlung für die Airline gehabt. Aber nun ist er Regierungschef.

Von Jörg Seisselberg, ARD-Studio Rom

Die Wortwahl ist die härtest mögliche. "Zombie firms"- "Zombie-Firmen" nennt Mario Draghi Unternehmen, die über Jahre nur durch ständige Zuschüssen am Leben gehalten werden. Seine Empfehlung: Zombie-Firmen gehören dicht gemacht.

Jörg Seisselberg ARD-Studio Rom

So steht es in einem Papier aus dem Dezember 2020, gemeinsam formuliert mit renommierten Wirtschafts- und Finanzexperten, unterzeichnet federführend von Mario Draghi. Gedacht war es als Empfehlung an die Regierungschefs der Welt in Corona-Zeiten.

Seit 2002 macht Alitalia Verlust

Jetzt, drei Monate später, ist der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) überraschend selbst Regierungschef - und muss unter anderem das Problem Alitalia lösen.

Sollte Draghi auf Draghi hören, wäre die seit Jahrzehnten defizitäre Airline bald Geschichte, sagt Andrea Giuricin, Berater und Professor für Transportmanagement an der Mailänder Universität Bicocca.

Alle anderen großen Fluggesellschaften in Europa haben vor der Covid-Krise Gewinne gemacht - die Lufthansa beispielsweise 2019 einen Gewinn von zwei Milliarden Euro. Die Alitalia dagegen macht seit 2002 jedes Jahr mehrere hundert Millionen Verlust. Ja, die Alitalia ist eines dieser Zombie-Unternehmen. Es konnte sich nicht einmal vor der Pandemie wirtschaftlich auf den Beinen halten.
Italiens Regierungschef Draghi. | dpa

Der ehemalige Präsident der EZB Mario Draghi ist nun selbst Regierungschef und muss das Problem Alitalia lösen. Bild: dpa

Neustart unter neuem Namen?

Der Regierungschef Draghi scheint aber weniger konsequent als der Ratgeber Draghi. Denn auch seine Regierung bemüht sich, der unter staatlicher Verwaltung stehenden Airline einen Neustart zu ermöglichen, möglicherweise unter neuem Namen.

Draghis Verkehrsminister Enrico Giovannini verhandelt darüber in diesen Tagen mit der EU-Kommission und sagt: "Die Angelegenheit ist komplex. Auch weil wir wissen, dass es aus Brüssel eine sehr klare Position gibt: dass wir auf Staatshilfen verzichten müssen." Staatshilfen, mit denen die Alitalia trotz Insolvenz seit Jahren weiter fliegt.

In der Alitalia-Kasse kaum noch Geld

1,3 Milliarden Euro hat die Fluggesellschaft in den vergangenen vier Jahren von der italienischen Regierung als sogenannte Überbrückungskredite erhalten. Zuletzt sind weitere 350 Millionen als Corona-Hilfe hinzugekommen. Fast alles ist weg, in der Alitalia-Kasse kaum noch Geld, die Februar-Gehälter konnten nur mit Verzögerung gezahlt werden. Zusätzlich droht die EU-Kommission mit Strafen, weil die Überbrückungskredite als unerlaubte Staatshilfen eingestuft werden. 

Ein Neustart der Alitalia? Dafür will Brüssel nur grünes Licht geben, wenn vorher das jetzige Unternehmen weitgehend zerschlagen wird. Diskontinuität laute das Stichwort, sagt Transport-Experte Giuricin:

Die Kommission hat das sehr klar gesagt: Die Marke Alitalia könne nicht auf die neue Gesellschaft übergehen. Für alle Teile der jetzigen Alitalia, vom reinen Fluggeschäft bis zur Wartung, müsse es eine Versteigerung geben. Auch die Start- und Landeslots müssten von der alten Alitalia freigegeben werden.

Flugzeuge und Jobs reduzieren

Zu harte Bedingungen, finden sie in Rom - und keine Basis für einen Start in eine erfolgreichere Zukunft. Roms Gegenvorschlag sieht vor, dass die Alitalia in die neu gegründete Gesellschaft ITA übergeht (Italia Trasporto Aereo) und die Zahl der Beschäftigten von derzeit rund 11.000 auf 5000 reduziert wird. Auch die Flotte soll schrumpfen von aktuell circa 90 Flugzeugen auf nur noch 45. Als staatliche Starthilfe sind drei Milliarden Euro vorgesehen, die wertvollen Slots sollen erhalten bleiben, nur Bereiche wie Wartung und Handling in die Versteigerung gehen.

Ein Gesamtpaket, so die Hoffnung von ITA-Präsident Francesco Caio, mit der die Alitalia-Nachfolgerin aus der Zombie-Ecke chronisch defizitärer Unternehmen herauskommen könnte.

Dringend auf Partnerschaften angewiesen

Ein Problem: Im internationalen Wettbewerb wäre die noch einmal verkleinerte Airline ein absolutes Leichtgewicht und noch dringender als bislang auf Partnerschaften angewiesen. Alle in der Branche aber stecken derzeit selbst in Schwierigkeiten, der am italienischen Markt sehr interessierte Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat Anfang des Monats zumindest Gesprächsbereitschaft signalisiert. Allerdings war schon häufiger ein Einstieg der Lufthansa im Gespräch.

Jetzt sind die Aktionsmöglichkeiten der Lufthansa begrenzt. Aufgrund der Coronahilfen kann sich das Unternehmen maximal bis zu einer Obergrenze von zehn Prozent an anderen Gesellschaften beteiligen. Klar ist: Die Uhr für die klamme Alitalia tickt, bis Ende April muss eine Lösung her. Sollte das nicht klappen, könnte Ministerpräsident Draghi doch auf den Ratgeber Draghi hören - und den einst stolzen Staatsflieger beerdigen.

Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 17. März 2021 um 05:44 Uhr.