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Analyse

Sportartikel-Hersteller Warum Adidas in der Krise steckt

Stand: 09.11.2022 12:55 Uhr

Die weltweit bekannte Marke Adidas hat gerade mit vielen Problemen zu kämpfen. Den künftigen Vorstandschef Björn Gulden erwartet ein kriselnder Konzern, wenn er im Januar vom Rivalen Puma kommt.

Eine Analyse von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion

Auf eine kleine Euphoriewelle folgt mal wieder der nächste Rückschlag: Zum fünften Mal in Folge hat Adidas heute seine Prognose gesenkt. Der Sportartikel- und Klamottenproduzent rechnet beim Umsatz jetzt nur noch mit einem um Währungseffekte bereinigten Plus im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Und die operative Marge werde jetzt nur noch bei 2,5 Prozent erwartet, teilte das Unternehmen mit.

Zuletzt hatte der Konzern aus Herzogenaurach, der kurz vor einem Chefwechsel steht, noch ein Wachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich und eine Marge von 4,0 Prozent in Aussicht gestellt. Zudem geht Adidas im laufenden Jahr nun beim Gewinn aus fortgeführten Geschäft nur von 250 Millionen Euro aus - statt von 500 Millionen Euro wie noch Mitte Oktober. Damit geht der Absturz des zweitgrößten Sportartikelherstellers der Welt vorerst weiter.

Rekordhoch der Aktien im August 2021

Die dramatische Entwicklung lässt sich leicht am Kurs der im deutschen Leitindex DAX notierten Aktien ablesen. Im Sommer 2021 liefen die Geschäfte noch glänzend. Zwar hatte die Corona-Pandemie Adidas und die gesamte Branche ein Jahr zuvor hart getroffen, als ein Großteil der Läden weltweit geschlossen werden musste. In der Erholung ging es allerdings steil nach oben - sowohl beim Aktienkurs als auch bei den Erträgen.

Der Konzern baute seinen Online-Handel massiv aus und nutzte die Chance, Neuentwicklungen zu präsentieren. Weitere Impulse lieferten sportliche Großereignisse wie die Fußball-Europameisterschaft oder die Olympischen Spiele. Zwei Mal hob der noch bis Ende der Woche amtierende Chef Kasper Rorsted im vergangenen Jahr die Prognosen an. Denn allein in China hatte sich der Umsatz zeitweise fast verdreifacht.

Schließlich erreichten die Adidas-Papiere Anfang August an der Börse nach der Ankündigung des Konzerns, Anteilsscheine zurückzukaufen, ein bis heute nie erreichtes Niveau von mehr als 336 Euro. Doch dann folgte der Absturz. Vergangenen Donnerstag sackten die Adidas-Titel auf ein neues Sechs-Jahres-Tief ab und waren nur noch knapp 94 Euro wert - damit ist der Börsenwert innerhalb von nur 15 Monaten um mehr als 72 Prozent geschrumpft. Was ist in der Zeit passiert?

Erlahmtes China-Geschäft und Abzug aus Russland

Ein wesentlicher Grund ist die Lage in China. Eigentlich war die Marke mit den drei Streifen stets eine der beliebtesten westlichen Marken in der Volksrepublik. Doch die Abhängigkeit vom einst gewinnträchtigen Geschäft im Land ist zum Problem geworden. Denn die Regierung verfolgt eine harte Null-Covid-Politik mit strikten Lockdowns, sodass es für chinesische Modeliebhaber und Sportfans unmöglich wurde, in stationären Läden einkaufen zu gehen.

Dazu kamen Boykott-Aufrufe gegen westliche Modekonzerne und eine wachsende Konkurrenz, die mehr auf die Bedürfnisse der chinesischen Kundschaft einging. Allein im zweiten Quartal 2022 waren die Erlöse in China um 35 Prozent eingebrochen. Heute berichtete Adidas, dass auch von Juli bis September der Umsatz um 27 Prozent gefallen sei. Sogar der China-Chef wurde zwischenzeitlich ausgewechselt, was bislang aber wenig änderte.

Außerdem fällt für Adidas auch Russland als Markt weg. Der Konzern beendete nach dem Angriff auf die Ukraine sein komplettes Geschäft in dem Land. Zwar war der Umsatz vergleichsweise gering. Allerdings hatte Adidas 500 eigene Geschäfte in Russland - die geschlossen wurden und nun über die Moskauer Tochtergesellschaft LLC die Bilanz belasten. Darüber hinaus hinkt Adidas Fachleuten zufolge der Konkurrenz seit Jahren bei der Produktdynamik hinterher, was sich durch die neuesten Entwicklungen nicht gerade verbessern dürfte.

Beliebte "Yeezy"-Produkte fallen weg

Denn Ende Oktober beendete das Unternehmen die Zusammenarbeit mit Kanye West, auch bekannt als Ye, wegen als antisemitisch gewerteten Aussagen des US-Rappers. "Die jüngsten Äußerungen und Handlungen von Ye sind inakzeptabel, hasserfüllt und gefährlich", hieß es in einer Mitteilung. "Sie verstoßen gegen die Werte des Unternehmens wie Vielfalt und Inklusion, gegenseitigen Respekt und Fairness."

Die Produktion der gemeinsamen Produktlinie "Yeezy" wurde eingestellt, was Adidas allein im laufenden vierten Quartal bis zu 250 Millionen Euro Gewinn kosten dürfte. Mittelfristig könnten gar rund sieben Prozent des Umsatzes durch den Ausfall des mit Abstand wichtigsten Partners wegfallen.

Seit 2015 hatte Kanye West für den Konzern Schuhe und Kleidung entworfen. Lange lief die Kooperation für beide Seiten gut: Laut internen Informationen der Bank UBS, über die die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, erzielte die Marke "Yeezy" im Jahr 2020 einen Umsatz von 1,7 Milliarden Dollar. Adidas bezeichnete die Zusammenarbeit in der Vergangenheit als "eine der erfolgreichsten Kollaborationen in der Geschichte unserer Branche".

Alle Hoffnungen liegen auf Gulden

Ende der Woche verlässt nun der langjährige Vorstandschef Kasper Rorsted den Konzern. Der Manager war 2016 mit großen Ambitionen und Vorschusslorbeeren zu Adidas gekommen. Marktbeobachter hoben besonders seine Kenntnis des Zahlenwerks und seinen Fokus auf Profit hervor. 2019 wurde Rorsted vom "Manager Magazin" gar zum Manager des Jahres gekürt.

Von der einstigen Euphorie ist mittlerweile nicht mehr viel zu erkennen. Großaktionäre lasteten Adidas-Chef Rorsted unter anderem Fehler im wichtigen China-Geschäft an. Auch sein Führungsstil soll in Herzogenaurach auf Kritik gestoßen sein. Daher hatte der Däne im August seinen Abschied bekanntgegeben. Ab Januar wird Björn Gulden übernehmen, der vom direkten Wettbewerber und jahrzehntelangen Rivalen Puma zu Adidas wechselt.

Dem einstigen Fußball- und Handball-Profi, der bereits in der Vergangenheit bei Adidas tätig war, trauen die Anleger offenbar einiges zu. Bereits am Freitag, als die Ernennung des Norwegers noch gar nicht offiziell bestätigt war, ging es für die Papiere von Adidas um mehr als 20 Prozent nach oben. Gulden genießt auch dank des Erfolgs bei Puma einen guten Ruf. Doch bei Adidas hat er viel zu tun.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 08. November 2022 um 23:59 Uhr.