
Lage der Verkehrsbetriebe Was das 9-Euro-Ticket die Betreiber kostet
Das 9-Euro-Ticket soll den öffentlichen Nahverkehr fördern. Geringere Ticket-Einnahmen will der Bund den Verkehrsbetrieben erstatten. Für sie ist die Umsetzung des Projekts trotzdem eine wirtschaftliche Herausforderung.
Nürnberg in Mittelfranken wird Frankenmetropole genannt und leistet sich trotz seiner überschaubaren Größe von einer halben Million Einwohnern den öffentlichen Nahverkehr einer Metropole: drei U-Bahnlinien, mehrere Straßenbahnen, ein weit verzweigtes Busnetz. Das kostet Geld - und so verlangt die Nürnberger Verkehrsaktiengesellschaft (VAG) mit einem Einzel-Ticketpreis von 3,20 Euro auch einen vergleichsweise stattlichen Preis. Da hat sich das 9-Euro-Ticket für Kunden schnell amortisiert. Entsprechend groß ist das Interesse.
Hohe Zusatzkosten allein für den Ticketverkauf
Pro Jahr nutzen bis zu 150 Millionen Fahrgäste den öffentlichen Nahverkehr in Nürnberg, und schon in den ersten Tagen wurden 25.000 der 9-Euro-Tickets verkauft. Doch allein die dafür nötige Umstellung der Systeme, der Automaten und Apps der VAG hätten das Unternehmen bis zu 400.000 Euro gekostet, so Verkaufsleiter Thomas Seyfried. Für mehr Personal in den Verkaufsstellen und für das Anschreiben aller Abo-Kunden kämen noch einmal bis zu 200.000 Euro dazu.
Viel Geld, das erst einmal wieder zurückfließen muss, so Seyfried. Doch noch ist völlig unklar, wie genau das funktionieren soll, wie genau das Geld vom Bund über die Länder wieder beim Verkehrsunternehmen in Nürnberg landet. Seyfried hofft, dass es schnell geht. Es fehlten Umsätze und Einnahmen. "Und gerade mit dem Hintergrund der erhöhten Energiepreise brauchen wir jetzt sehr schnell erste Abschlagszahlungen, um unsere Liquidität aufrecht zu erhalten", so Seyfried.
Millionen weniger allein bei den Abonnenten
Das Experiment "Öffentlicher Nahvehr, fast gratis" nennt er eine "Operation am offenen Herzen", bei der das Nürnberger Verkehrsunternehmen erst einmal - um im Bild zu bleiben - finanziell bluten muss. Rund fünf Millionen Euro fehlen zum Beispiel monatlich im Abo-Bereich. Den 80.000 Abonnenten werden automatisch nur noch neun Euro abgebucht. Wie groß das Defizit insgesamt wird, lasse sich noch nicht sagen.
Die VAG ist Teil des deutlichen größeren VGN, des Verkehrsverbunds Großraum Nürnberg, der sich über große Teile Mittel-, Ober- und Unterfrankens erstreckt. Der VGN rechnet mit Mindereinanahmen von insgesamt 65 Millionen Euro in den Monaten Juni bis August.
Wieder mehr Fahrgäste trotz Corona?
Was bei all dem bleibt, ist die Hoffnung, dass das Versprechen des Bundes hält, dass am Ende alle Unkosten der Verkehrsbetriebe durch das 9-Euro-Ticket abgedeckt werden. Für die Schlussabrechnung danach sollen die Umsätze aus den Monaten Juni bis August dieses Jahres mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 verglichen werden. Das ist gut für die ohnehin pandemiegeschädigten Bahn- und Busbetreiber.
In Nürnberg hofft die VAG außerdem, dass durch das Billig-Ticket wieder die Corona-Löcher bei den Fahrgastzahlen aufgefüllt werden. Bis zu 30 Millionen weniger Fahrgäste nutzen zuletzt das Angebot. So viel Pozential sieht VAG-Verkaufschef Seyfried nun auch als Fahrgast-Plus durch das 9-Euro-Ticket. Mehr Personal und mehr Verbindungen seien dagegen aktuell nicht möglich.
Verkehrsbetriebe haben Tempo vorgelegt
Neben all den Fragezeichen, die es zu den anstehenden Sommermonaten gibt, ist Seyfried aber auch stolz auf sein Unternehmen und alle anderen Verkehrsbetriebe. So eine massive Umstellung auf ein neues Ticketsystem würde normalerweise mindestens fünf Monate dauern - die deutschen Nahverkehrs-Betreiber, auch der in Nürnberg, hätten es diesmal aber in sechs Wochen geschafft.