G20-Pläne für Bankenregulierung Das Ende von "Too big to fail"?

Stand: 16.11.2014 08:07 Uhr

Mit immer neuen Regeln bändigt die Politik die Banken. Ein Frage aber blieb bislang offen: Würde das Finanzsystem auch den Crash einer Großbank überstehen? Mit der "TLAC-Regel" wollen die G20 dieses Problem nun angehen. tagesschau.de erklärt die Idee dahinter.

Von Heinz-Roger Dohms, tagesschau.de

Was bedeutet TLAC?

Das Kürzel TLAC steht für "Total Loss Absorbing Capacity" - es geht also um die Frage, wie viele Verluste eine Bank maximal absorbieren kann, ohne umzukippen bzw. vom Steuerzahler aufgefangen zu werden.

Mit TLAC wollen die G20-Staaten das sogenannte "Too big to fail"-Problem ("Zu groß zum Scheitern") lösen. "Too big to fail" bedeutet, dass manche Banken angeblich so groß sind, dass die Politik sie im Falle einer Schieflage gar nicht pleitegehen lassen kann. Als Beispiel führen Experten den Bankrott der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 an. Die Pleite löste damals Schockwellen aus, die das gesamte Finanzsystem erschüttern ließen. Viele Ökonomen sagen, dass die Finanzkrise zumindest weniger heftig ausgefallen wäre, wenn man Lehman gerettet hätte.

Die radikale Lösung des "Too big to fail"-Problems wäre gewesen, die großen Banken nach der Krise einfach zu zerschlagen. Tatsächlich wurde in den USA die "Volcker-Rule" verabschiedet, die die amerikanischen Großbanken zwang, ihren Eigenhandelssparten abzustoßen. Ähnlich Schritte unternahm man auch in Großbritannien ("Vickers Report") und der EU ("Liikanen-Bericht"). Wirklich kleiner sind die großen Banken dadurch aber nicht geworden.

TLAC ist darum nun der Versuch, das "Too big to fail"-Problem auf anderem Weg zu lösen: Wenn man die Banken schon nicht zerschlägt, dann soll man sie wenigstens zwingen, so stark zu werden, dass sie im Krisenfall selbst hohe Verluste aus eigener Kraft auffangen können.

Was ist der Unterschied zwischen TLAC und Basel III?

Tatsächlich sagte TLAC bis vor wenigen Tagen nur Eingeweihten etwas. Das liegt vor allem daran, dass die neue Regel bislang im Schatten von Basel III steht - also von jenen Kapitalvorschriften, um die es sonst immer geht, wenn die Bankenregulierung thematisiert wird.

Was sind die Unterschiede: Basel III gilt für die gesamte Branche, von der örtlichen Volksbank bis zu Goldman Sachs, von der kleinsten Sparkassen bis zur Commerzbank. TLAC hingegen soll nach allem, was man bislang weiß, nur auf die "global systemrelevanten" Institute angewandt werden - das sind nach Ansicht der Regulierer momentan rund 30, darunter auch die Deutsche Bank.

Basel III und TLAC verlangen im Prinzip dasselbe - nämlich dass die Banken ihr Kapital stärken. Die Institute können das zum Beispiel tun, indem sie ihre Aktionäre um frisches Geld anpumpen ("Kapitalerhöhung") oder Gewinne einbehalten. Die Idee dahinter: Je dicker die Kapitaldecke, desto widerstandsfähiger die Bank.

Basel III schreibt den Banken vor, bis 2019 sieben Prozent ihrer Risiken (also ihrer Kredite und Wertpapiere) mit Eigenkapital zu unterlegen. Für Großbanken gelten schärfere Regeln, bei ihnen soll die Quote bei 9,5 Prozent liegen.

Das alles ist jedoch - zumindest auf den ersten Blick - gar nichts gegen TLAC. Denn hier soll es nun plötzlich um Quoten von 16 bis 20 Prozent gehen, teilweise ist sogar von 25 Prozent die Rede.

Warum sind die Kapitalquoten bei TLAC so hoch?

Wegen der "Too big to fail"-Problematik muss TLAC deutlich höhere Anforderungen stellen als Basel III, schließlich ist die Deutsche Bank gefährlicher als eine Sparkasse. Allerdings sind die Zahlen in Wirklichkeit nicht ganz so exorbitant, wie es auf den ersten Blick scheint.

Den Risiken einer Bank (also vor allem den Krediten) stehen das Eigenkapital (Aktien und einbehaltene Gewinne) und das Fremdkapital (Anleihen und Spareinlagen) gegenüber. Das Eigenkapital gehört der Bank sozusagen selbst - damit haftet sie bei Verlusten voll. Das Fremdkapital hingegen ist nur geliehen. In der Vergangenheit sorgte die Politik meist dafür, dass dieses Kapital selbst im Krisenfall nicht angezapft wurde. Stattdessen sprang der Staat selber ein. Anleihegläubiger und Sparer wurden geschützt.

Seit ein, zwei Jahren denkt die Politik um. Als erstes sollen zwar weiterhin die Aktionäre haften. Aber wenn das Eigenkapital nicht reicht, dann sollen statt der Steuerzahler zunächst einmal die Anleihegläubiger herangezogen werden. Genau an diesem Punkt setzt TLAC an. Neben dem Eigenkapitalpolster sollen sich systemrelevante Institute eine zweite Schutzhülle aus haftendem Fremdkapital zulegen - damit sind Anleihen gemeint, die sich im Krisenfall automatisch in Eigenkapital verwandeln (zum Beispiel sogenannte Coco-Bonds). Zusammengenommen sollen die Banken so auf etwa 20 Prozent Haftungskapital kommen.

Viele Großbanken stellen sich längst nicht nur auf Basel III, sondern auch schon auf TLAC ein. Ein Beispiel: Die Deutsche Bank emittierte im Mai zunächst Coco-Bonds in Höhe von 3,5 Milliarden Euro (äußere Schutzhülle) - und legte im Juni mit einer 8,5 Milliarden Euro schweren Kapitalerhöhung (innere Schutzhülle) nach.

Werden die beiden Schutzhüllen in jedem Fall reichen?

TLAC wird für viele Banken zur Belastungsprobe. Die Ratingagentur Scope hat berechnet, dass der französischen Großbank BNP Paribas (die jüngst den EZB-Stresstest souverän bestand) rund 25 Milliarden Euro fehlen, um eine TLAC-Kapitalquote von 20 Prozent zu erfüllen. Bei der spanischen Santander sind es gut 17 Milliarden Euro, bei der ebenfalls spanischen BBVA knapp neun Milliarden Euro.

Lohnt das? Absolut sichere Banken gibt es nicht - zumal nicht in einer Situation wie 2007 und 2008, als die US-Hypothekenkrise nicht nur einzelne Banken, sondern weite Teile der Branche erfasste. Trotzdem: Sollte neben Basel III auch TLAC umgesetzt werden, dürfte die Bankenindustrie so krisenfest sein wie seit Jahrzehnten nicht mehr.