
Autojahr 2021 Schöne neue Elektrowelt?
Das Corona-Jahr war für die Autobauer zwiespältig. Während der Absatz klassischer Verbrenner einbrach, erlebten E-Autos ihren Durchbruch. 2021 kommt eine Flut neuer Stromer auf die Straße.
Deutschland steht unter Strom: Fast 395.000 E-Autos rollten im vergangenen Jahr auf deutsche Straßen. Der Absatz von reinen Stromern verdreifachte sich auf gut 194.000 Stück, während die Zahl der Autos mit Diesel- und Benzinmotoren einbrach.
Nach Ansicht von Auto-Experte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management haben E-Autos inzwischen ihre Nischenposition verlassen. Für 2021 prophezeit er einen Absatz von 480.000 Stromern in Deutschland.
"Europameister bei E-Mobilität"?
"Wir sind Europameister bei E-Mobilität", sagt Hildegard Müller, Präsidentin des Auto-Lobbyverbands VDA. Dabei übersieht sie allerdings, dass Deutschland beim Verkauf von E-Autos noch keinesfalls europameisterlich ist, sondern Ländern wie Norwegen hinterher hinkt. Dort wurden 2020 erstmals mehr Stromer als Verbrennerautos verkauft. Müller rechnet auch für die kommenden Jahre mit einem anhaltenden Elektro-Boom hierzulande, nachdem der Bund die staatliche Förderung bis 2025 verlängert hat.

"Europameister bei E-Mobilität"? VDA-Chefin Müller.
Vor allem VW profitierte von der neuen Kauflust auf batteriegetriebene Fahrzeuge. Der Wolfsburger Konzern hat im vergangenen Jahr den Absatz seiner E-Autos in etwa verdreifacht auf knapp 232.000 Stück. Bei reinen Stromern war VW 2020 Marktführer - klar vor Renault und Tesla. "2020 war für VW der Durchbruch bei der Elektromobilität", jubelt Kernmarkenchef Ralf Brandstätter. Dennoch verpasste der größte europäische Autobauer seine CO2-Ziele knapp und muss 100 Millionen Euro Strafe an die EU-Kommission zahlen.
Daimler und BMW konnten indes die Klimaschutz-Vorgaben erfüllen - auch dank Sonderregeln. So wurde bei ihnen das Gewicht der Fahrzeuge mitberücksichtigt. Zudem durften sie 2020 einen Teil der Neuwagenflotte herausrechnen, die deutlich über dem Durchschnittswert der CO2-Emissionen lag. In der EU gelten seit 2020 verschärfte Vorgaben für den Klimaschutz.
Deutsche Hersteller mit vielen neuen E-Modellen
Um die Klimaziele auch 2021 zu erfüllen, werden in diesem Jahr die deutschen Autobauer ihre Elektro-Offensive beschleunigen. Der VW-Konzern bringt 2021 zehn neue Batterieautos auf den Markt, Daimler kommt mit vier neuen reinen Stromern, und auch BMW erhöht die elektrische Schlagzahl.
Den Modellreigen eröffnete gerade Mercedes mit dem EQA. Gemessen am Absatz dürfte es die wichtigste Neuheit von Daimler in diesem Jahr sein. Der kompakte Elektro-SUV mit seiner bulligen Front soll das Einstiegsmodell der EQ-Reihe werden, hofft Daimler-Vorständin Britta Seeger. Die ersten Exemplare des EQA sollen bereits ab Februar ausgeliefert werden. Der Stromer, der kürzlich seine digitale Weltpremiere feierte, soll auf eine Reichweite von 426 Kilometer kommen und in einer Basisversion für unter 40.000 Euro erhältlich sein. Gegenüber den Konkurrenten ID.4 von VW und dem Tesla Model Y müsse sich der EQA nicht verstecken, meint Experte Bratzel.
Mercedes greift mit dem EQS Teslas Model S an
Zudem gab Mercedes einen ersten Ausblick auf das Innere des EQS. Auf der CES präsentierten die Schwaben einen Hyperscreen, einen riesigen 1,40 Meter langen Display, der das komplette Armaturenbrett von der einen bis zur anderen Fahrzeugseite reicht. Die Luxuselektro-Limousine soll 700 Kilometer rein elektrisch fahren, bevor sie aufladen muss. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research (CAR) spricht von einem "Quantensprung bei den E-Autos". Mit dem EQS, der in etwa der elektrischen S-Klasse entspricht, will Mercedes dem Tesla Model S Marktanteile abjagen.
BMW setzt auf den Luxus-Stromer
Was der EQS für Daimler, könnte der iX für BMW werden. Die Münchner präsentieren im Laufe des Jahres ihr neues E-Flaggschiff. Der SUV verbraucht nur 21 KWh pro 100 Kilometer. BMW-Chef Oliver Zipse lobt ihn als "Technologieträger der Zukunft". "Wir packen hier alles, was BMW drauf hat, in ein Fahrzeug", schwärmt er. So sei der iX 5G-fähig, verfüge über neue und verbesserte automatisierte Fahr- und Parkfunktionen und nutze "die leistungsstarke fünfte Generation unseres elektrischen Antriebs". Der Luxus-Stromer glänzt mit einer stolzen Reichweite von 600 Kilometern und soll Tesla Paroli bieten. Stolz ist auch der Preis: Der iX soll voraussichtlich um die 100.000 Euro kosten. Deutlich billiger wird der i4 sein, der den Massenmarkt erreichen soll. Ab Ende des Jahres wird der Elektro-4er produziert. Bis 2023 will BMW insgesamt 25 Modelle mit Batterieantrieb auf den Markt bringen.

Soll Tesla Konkurrenz machen: der BMW iX3.
Audi kontert mit dem Q4 e-tron. Der Elektro-SUV, der in diesem Jahr auf die Straße rollen soll, schafft 306 PS. Die Batterie mit einer Kapazität von 82 KWh sorgt für eine Reichweite von 450 Kilometern. Laut dem Ingolstädter Unternehmen war der e-Tron 2020 das weltweit meist verkaufte Elektrofahrzeug unter den deutschen Premiumherstellern.
VW ID.4 soll zum "Weltauto" werden
Der neue Elektro-Flitzer von Audi ist Teil der großen E-Offensive von VW, mit der die Klimaschutz-Vorgaben 2021 erreicht werden sollen. Neue Stromer kommen von den Töchtern: Skoda bringt den Eniaq, und Seat enthüllt den el-born der Submarke Cupra. Das mit Abstand wichtigste Modell ist aber der VW ID.4, der seit Jahresbeginn ausgeliefert wird. Der Klein-SUV, der mit einer 77-Kilowattstunden-Batterie auf eine Reichweite von 520 Kilometer kommt, soll zum "Weltauto" werden. Bis Ende 2025 sollen 500.000 Stück des ID.4 produziert werden. In Deutschland liegt der Preis für die günstige Version des ID.4 bei 44.450 Euro. In China soll der Stadtgeländewagen in zwei Versionen kommen und mit 25.500 Euro deutlich billiger sein als der Tesla Model Y.
Das Tesla Model Y soll gut 43.000 Euro kosten. Zum Vergleich: Das direkte Elektro-Konkurrenzmodell, der EQC von Daimler, ist rund 20.000 Euro teurer. Ab Juli soll der batteriegetriebene Kompakt-SUV im brandenburgischen Grünheide vom Band rollen. Jährlich sollen dort 500.000 Stück des Model Y gefertigt werden.
Erstes E-Auto für 10.000 Euro?
Auch im untersten Preissegment tut sich was: Mitte des Jahres bringt Renault einen Billig-Stromer auf den Markt: den Dacia Spring. Der Stadtwagen mit 45 PS und einer Reichweite von 225 Kilometer soll voraussichtlich schon für 10.000 Euro zu kaufen sein. Damit wäre er das mit Abstand günstigste E-Auto in Europa.
Autobauer zittern vor der Abgasnorm Euro-7
Neue Modelle mit klassischem Verbrennermotor sind 2021 in der Minderheit. Zu den wenigen Ausnahmen zählt die neue C-Klasse von Mercedes. Neben dem Feuerwerk an neuen E-Modellen "dürfte sie die wichtigste Neuerscheinung im deutschen Automarkt werden", meint Experte Dudenhöffer.
Wie lange Diesel- und Benzinmotor hierzulande noch eine Zukunft haben, ist ungewiss. Die EU-Kommission arbeitet aktuell an einer neuen Abgasnorm Euro-7. Sollten die bisher diskutierten Vorschläge so durchgesetzt werden, wäre das quasi das Ende der Verbrennerautos ab 2025, heißt es aus der Autoindustrie. "Wenn ein neues Fahrzeug auch im Winter bei Start oder beim Ziehen eines Anhängers am Berg die gleichen Grenzwerte einhalten muss wie bei Tempo 50 auf gerader Strecke, dann kommt das faktisch einem Verbot des Kolbenmotors gleich", moniert VDA-Präsidentin Müller. Sie forderte am Dienstag Brüssel auf, den Euro-7-Vorschlag zu überarbeiten.