
Lieferengpässe Holzmangel bremst nachhaltiges Bauen
In Saarbrücken wird heute auf einer Konferenz über die Zukunft des nachhaltigen Bauens diskutiert. Der Bereich leidet derzeit unter Materialmangel. Gerade der Bausektor könnte aber einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Auf der Baustelle für die neue Kita im rheinland-pfälzischen Wörrstadt sind nur vereinzelt Kreissägen und Hammerschläge zu hören. Dabei sollte das Gebäude in diesen Tagen fertiggestellt werden. Daraus wird nichts. "Ich bin frustriert. Uns fehlen immer noch die Holzfenster. Wir warten jetzt seit April auf das Material", erzählt Eva Holdenried. Die 47-jährige Innenarchitektin ist für das Bauprojekt verantwortlich. "Verständlicherweise bekommen wir viele Anfragen von der Kommune, wann es endlich weitergeht. Aber das weiß ich auch nicht. Die internationale Nachfrage lässt Holz knapp werden, und die Preise sind gestiegen."
Holdenried ärgert sich aber nicht nur über den erzwungenen Stillstand auf der Baustelle in Wörrstadt. Sie sorgt sich auch um die Zukunft des nachhaltigen Bauens. So ist die Kita weitgehend aus Holz erbaut worden. "Allein dieser Neubau speichert 110 Tonnen CO2. Die Menge an Holz, die wir hier verbaut haben, wächst in Deutschland in 50 Sekunden nach. Man sieht die Potenziale - auch für die Umwelt."
Holzmangel erschwert auch nachhaltiges Bauen
Der enorme Preisanstieg von Holz und anderen nachhaltigen Materialien sei ein erheblicher Dämpfer für nachhaltiges Bauen, sagt Holdenried. "Das Interesse stieg zuletzt. Auch die Bauordnungen wurden angepasst. Jetzt kommt der Materialmangel und die Teuerung. Das hält natürlich viele Bauherren davon ab, in diese Richtung zu planen", sagt sie. "Andere überlegen, wieder abzuspringen."
Mit Holz zu bauen, sei bauphysikalisch anspruchsvoll, erklärt Holdenried. Ein nachhaltiges Haus halte qualitativ mit einem konventionellen Bau locker mit. "Betrachtet man die historischen Innenstädte, findet man dort vor allem Fachwerkbauten. Solange das Holz trocken bleibt, ist es auch langlebig."

"Die Menge an Holz, die wir hier verbaut haben, wächst in Deutschland in 50 Sekunden nach." - Architektin Eva Holdenried auf der Baustelle einer Kita in Wörrstadt
Gerade im Bausektor sieht die Architektin eine Chance für mehr Klimaschutz. Denn der Bausektor habe einen sehr hohen CO2-Ausstoß. "Beton ist ein wunderbarer Baustoff, mit dem man sehr viel machen kann. Aber schon bei der Herstellung entsteht sehr viel CO2", erklärt sie. "Vor allem Zement ist ein Problem, der der Hauptbestandteil von Beton ist. Ähnlich schlecht ist die Klimabilanz etwa bei Aluminium oder Verbund-Werkstoffen. Die werden verklebt, sind nicht mehr zu trennen und können dann nicht mehr recycelt werden."
Hohe CO2-Emissionen beim Bauen und Wohnen
Holdenrieds Einschätzung bestätigt das Bundesinstitut für Bau-, Stadt-, und Raumforschung (BBSR) in Bonn. Eine Studie des Instituts kommt zu dem Ergebnis, dass 40 Prozent der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland durch die Herstellung, Errichtung, Modernisierung und Nutzung von Gebäuden verursacht werden.
Das BBSR kommt deshalb in seiner Antwort auf eine Anfrage von tagesschau.de zu der Schlussfolgerung: "Eine wesentliche Voraussetzung, um die Klimaschutzziele in Deutschland (...) zu erreichen, ist die deutliche Reduzierung oder möglichst sogar Vermeidung von Treibhausgasemissionen über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes hinweg. Das betrifft die Errichtung, den Betrieb, die Sanierung und den Rückbau."
Temperaturen von bis zu 55 Grad Celsius
Jens Stahnke aus Saarbrücken hatte in den vergangenen Tagen besonders viel zu tun. Der Architekt aus dem Saarland hat den internationalen Kongress zum nachhaltigen Bauen mit organisiert. Mehr als 600 Experten aus Deutschland, Frankreich, den Benelux-Staaten und der Schweiz nehmen an diesem Freitag teil - viele virtuell.
"Der Klimawandel macht nicht an den Grenzen halt. Es ist wichtig, sich international auszutauschen", sagt Stahnke. "In unserer Region werden ab 2050 im Sommer Temperaturen von bis zu 55 Grad erwartet. Wie können wir dem durch nachhaltiges Bauen entgegenwirken? Was bedeutet das für den Städtebau? Darauf müssen wir uns jetzt einstellen."
Besonders freut die Veranstalter, dass auch die Politik bei dem Kongress vertreten ist. "Der Umweltminister und der Europaminister aus dem Saarland sind dabei. Auch viele Bürgermeister sind da - ebenso Vertreter von Bauämtern. Das könnte bei der Planung von Häusern und Städten mit Blick auf Klimawandel vieles erleichtern", hofft Stanke.
In den aktuellen Lieferengpässen sieht er auch Chancen. Materialien wie Lehm oder Ton seien günstig und sehr gut zu verwenden. Stahnke denkt auch an lokale Lösungen - etwa beim Holz. "Im Saarland sollte mehr Holz angebaut werden. Schon jetzt könnte mehr von diesem Rohstoff aus den Forsten verwendet werden. Das spart Transportwege und auch viel CO2."
Vereinheitlichung und Vereinfachung
In Stuttgart beobachtet auch Christine Lemaitre die Preisentwicklung bei Baumaterialien. Sie ist im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. "Ich bin beim Holz inzwischen optimistisch. Die Preise beruhigen sich. Die Industrie dürfte die Lieferengpässe bald in den Griff bekommen", glaubt sie.
Lemaitre sieht einen ganz anderen Bereich kritisch: die Politik. Von der neuen Bundesregierung erwartet sie mehr Mut: "Gesetze und Regularien müssen schnell überarbeitet, vereinheitlicht und vereinfacht werden." Dafür sei ein Bundesbauministerium nötig. Derzeit sei die Verantwortung über zu viele Ministerien in Berlin verstreut. "Das geht vor allem über das Innenministerium. Auch das Umweltministerium will mitreden, genauso wie das Wirtschaftsministerium und das Arbeitsministerium." Untereinander werde aber nicht gesprochen. Das könne so nicht bleiben. "Wir brauchen mehr Tempo beim nachhaltigen Bauen und dem Klimaschutz", sagt Lemaitre.
"Bauen mit neuem Bewusstsein"
In Wörrstadt geht Eva Holdenried nochmal über die Baustelle. "Ich hoffe sehr auf eine baldige Entspannung bei den Holzlieferungen. Ich fürchte aber, dass der Preis auch auf Dauer oben bleiben wird. Holz war früher eigentlich zu billig. Das nachhaltige Bauen wird so nicht leichter werden."
Es gehe aber auch um neue Antworten. Für einen geringeren Energieverbrauch ist sie auch für einen schonenderen Umgang mit vorhandenen Immobilien. "Statt Abriss sollten alte Häuser genutzt und wieder modernisiert werden. Auch das spart viel CO2. Wir brauchen auch beim Bauen ein neues Bewusstsein - auf allen Ebenen."