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Neue Flügeltechnik Das Ende der Turbulenzen?

Stand: 28.02.2023 10:03 Uhr

Mit lästigen Turbulenzen im Flugzeug könnte bald Schluss sein: Airbus entwickelt flexible Flügel, die sich der Windströmung anpassen. Das soll auch Gewicht sparen - auf dem Weg zur klimafreundlicheren Luftfahrt.

Im Flugzeug wackelt es, manchen Fluggästen steht Panik ins Gesicht geschrieben - mit Turbulenzen hat man besonders auf Flugrouten über dem Atlantik oder in Äquator-Nähe häufig zu tun. Doch damit könnte bald Schluss sein: Der teilstaatliche europäische Flugzeugbauer Airbus entwickelt neuartige, flexible Flügel, die sich an die Flugbedingungen anpassen und Turbulenzen abfedern - inspiriert vom Flugverhalten des Albatros.

Vor Ort in einer einem lichtdurchfluteten Hangar bei Toulouse: Überall wird hier an einem entkernten Flugzeug gewerkelt. Nach vielversprechenden Tests mit einem fliegenden Modell soll die neue Flügeltechnik nun mit einem richtigen Flugzeug ausprobiert werden.

Gut zehn Techniker arbeiten an dem ehemaligen Geschäftsflugzeug. Einer zieht auf dem Dach Nieten fest, andere verlegen im Inneren dicke Kabel-Büschel.

Airbus entwickelt neue Generation von Tragflächen

Friederike Hofmann, ARD Paris, tagesschau24 12:00 Uhr

Längere Flügel, abknickbare Spitze

Dem deutschen Ingenieur Michael Augello von der Airbus-Tochter UpNext steht die Begeisterung ins Gesicht geschrieben. Er hat mit dem 17 Meter langen Flugzeug Großes vor: Mit ihm werden völlig neue Flügel getestet, die die Luftfahrt revolutionieren könnten.

"Die nächste Phase wird sein, den Flieger in die Luft zu bekommen und zu gucken, wie es mit dem alten Flügel so aussieht", sagt Augello. "Dann werden wir den neuen Flügel dranschrauben." Im kommenden Jahr soll der dann erprobt werden.

Die neuen Flügel werden viel länger sein als bisher, um mehr Auftrieb zu bekommen. Und das Besondere: Die äußeren Flügel-Spitzen kann man abknicken. Das Fliegen soll sich dadurch völlig verändern.

Vom Albatros abgeschaut

"Es wird weniger wackeln", sagt Augello. "Wenn man den Flügel länger macht und eine Turbulenz kommt, wird die ganze Last auf die Kabine übertragen. Wenn wir jetzt den Mechanismus haben, dass wir den Flügel kurz hochklappen, dann wird es viel ruhiger werden."

Mitentwickelt hat die neuen Flügel für die Airbus-Tochter der junge Ingenieur Christoph Naue. Mit einem Kollegen probiert er den Mechanismus an einem rund ein Meter langen Plastik-Modell aus. Ein kleiner Motor fährt die äußere Flügelspitze hoch und runter.

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Die neue Flügeltechnik von Airbus, getestet mit einem Modellflugzeug: Die Flügel sind länger konstruiert, die Spitzen lassen sich hochklappen.

Die Ingenieure haben sich das Prinzip von einem Vogel abgeschaut. "Das Prinzip kommt aus der Natur vom Albatros. Der kann durch ein Gelenk den äußeren Teil freimachen oder eben fest", sagt Naue.

Kommt eine Böe, werden die Spitzen der Flügel automatisch abgeknickt. Sie passen sich dann den Windströmungen an. Die Böen haben dadurch weniger Angriffsfläche. Naue zufolge lassen sich Turbulenzen so gut ausgleichen. Es sei "sichergestellt, dass sich die Turbulenzen für den Passagier im Flugzeug gar nicht mehr so stark anfühlen wie es jetzt normalerweise der Fall ist".

Weniger Gewicht heißt weniger Treibstoff

Durch die abknickbaren Spitzen wird viel weniger Last auf die Flügel und den Flugzeugrumpf übertragen. Dadurch müssen sie in Zukunft weniger massiv sein. Weniger Gewicht bedeutet, dass weniger Treibstoff gebraucht wird.

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Der Airbus-Ingenieur Christoph Naue hat die Flügel mitentwickelt. Damit Testpiloten trainieren können, ist die neue Technik schon im Flugsimulator programmiert.

"Fünf bis zehn Prozent hört sich immer so wenig an, wenn man von Treibstoffersparnis spricht", sagt Ingenieur Naue. "Aber für die ganze Industrie ist das ein Gamechanger. Wenn man dann noch ein bisschen bei den Triebwerken einsparen kann, dann ist das der erste große Schritt für klimaneutrale Luftfahrt."

Nicht nur Airbus arbeitet mit Hochdruck an klimaschonender Flugtechnik. Auch Konkurrent Boeing hat im Januar ein groß angelegtes Entwicklungsprojekt gestartet.

"Nicht eine einzige Technologie"

Für Airbus-Technik-Chefin Sabine Klauke steht die Luftfahrt insgesamt vor einem großen Umbruch. "Es wird nicht eine einzige Technologie geben, die das Ganze nach vorne bringt, sondern wir wollen heute anfangen mit dem, was wir jetzt schon tun können", sagt die Managerin. Dazu gehörten Biokraftstoffe, aber auch "die wirklich disruptiven Technologien wie neue Flügel, neue Motoren und eben auch Wasserstoff".

Das klimaneutrale Flugzeug der Zukunft müsse man völlig neu denken, sagt Klauke. Bis man als Passagier ohne Turbulenzen in der Luft unterwegs sein wird, könne es daher noch rund zehn Jahre dauern.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 27. Februar 2023 um 12:00 Uhr.