Ein Landwirt düngt sein Feld in der Dämmerung

Teures Erdgas Düngerpreise steigen auf das Fünffache

Stand: 21.03.2022 10:42 Uhr

Dünger wird immer knapper und dadurch teurer. Der Krieg verschärft die Lage. Für Landwirte ist das eine Herausforderung, die auch die Verbraucher bald zu spüren bekommen werden.

"Auf dem Acker finanzieren wir immer ein ganzes Jahr lang vor", sagt die Landwirtin Christina Große-Frericks. "Wir haben immer die Hoffnung, dass der Preis mit der Ernte stimmt. Aber die Situation durch Diesel und den teuren Dünger ist gerade extrem." Große-Frericks betreibt mit ihrer Familie einen Bauernhof im Sauerland - ein Mischbetrieb mit Ackerbau, Schweinemast und Pferdehaltung. "Wir haben Vorverträge bei Lieferanten gemacht, um einen Preis zu sichern. Damit können wir das Preisniveau ein wenig einfrieren."

Durch den Krieg in der Ukraine seien die Preise für Dünger durch die Decke gegangen. "Vielen Betrieben steht das Wasser zum Hals", sagt Große-Frericks. Das berichtet auch der Deutsche Bauernverband. "Der Düngerpreis ist auf einem horrenden Niveau. Das ist gerade das Fünffache des Preises des vergangenen Jahres", sagt Präsident Joachim Rukwied. "Schon vor dem Krieg waren die Preise auf Rekordstand. Der neuerliche Preisschock kommt zur Frühjahrsbestellung und damit zum Zeitpunkt des größten Bedarfs."

Hersteller fahren Produktion herunter

Vor allem die hohen Gaspreise machen den Dünger teuer. Denn Gas ist wichtig für die Herstellung von stickstoffhaltigen Düngemitteln. In Wittenberg sitzen die SKW Stickstoffwerke Piesteritz, der nach eigenen Angaben größte deutsche Hersteller von Stickstoffdünger. Die wichtigste Zutat hier ist Erdgas - nicht nur als Energiequelle, sondern auch als Rohstoff. Und weil der Gaspreis durch die Decke gegangen ist, stieg auch der Düngerpreis. Die Nachfrage ging runter, viele Landwirte hofften auf sinkende Preise. In der Folge haben Hersteller wie SKW die Produktion runtergefahren.

"Das Nachholen von Düngemittelproduktion, die wir im letzten Jahr runtergefahren haben, ist jetzt nicht möglich", sagt Christopher Profitlich von den SKW Stickstoffwerken Piesteritz. "In der Konsequenz heißt das, dass die Produkte, die wir auf dem Tisch sehen - wie Brot, Brötchen, oder Obst - am Ende teurer werden." Dünger drohe zu einem Mangelprodukt zu werden, erklärt Andreas Meyer-Aurich vom Leibniz-Institut für Agrartechnik: "Die Verteuerung des Erdgases hat nun dazu geführt, dass sogar einige Düngemittelhersteller die Produktion von Stickstoffdünger ganz einstellen", sagt der Wissenschaftler. "Und das, obwohl die wichtigsten Pflanzennährstoffe in der Landwirtschaft Stickstoff und Phosphor sind." 

Weniger düngen, mehr recyclen

Letztlich werde sich die Landwirtschaft daran gewöhnen müssen, weniger zu düngen und Nährstoffe zu recyceln. Doch das ist in der Praxis gar nicht so leicht. Thorsten Mühlinghaus aus Wermelskirchen kann sich nicht daran erinnern, jemals so viel für seinen Dünger bezahlt zu haben. "Wir haben darauf spekuliert, dass der Markt sich schon wieder beruhigt. Aber der Preis ist weiter explodiert", sagt der Landwirt. Eine Alternative zum Kunstdünger habe er nicht. Einfach nur Gülle nehmen, ginge nicht. Das wäre weder gut für die Umwelt noch für die Tiere. "Eine Gülledüngung vor einer Beweidung ist nicht praktisch", sagt der Landwirt. "Weil die Kühe das riechen und nicht so gerne fressen. Dann ist die Futteraufnahme bei den Kühen geringer. Also werden wir in den sauren Apfel beißen müssen und teuren Dünger zukaufen müssen."

Der Preis für Stickstoffdünger kennt seit Monaten nur noch den Weg nach oben. Vor einem Jahr wurden für eine Tonne noch knapp 200 Euro fällig, heute sind es mehr als 600 Euro. Der Bauernverband prognostiziert, dass als Folge Lebensmittel im Supermarkt teurer werden müssen. "Die höheren Kosten müssen in der Kette, das bedeutet bis zum Verbraucher, weitergegeben werden", sagt Präsident Rukwied. "Der Anteil der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise am Verbraucherpreis beträgt im Durchschnitt aller Produkte lediglich ein Fünftel, bei Brot und Backwaren nur rund fünf Prozent." Viel bleibe den Landwirten nicht übrig vom Verbraucherpreis.

"Wir brauchen mehr Wertschätzung"

Es sei jetzt Zeit für ein Umdenken, fordert auch Landwirtin Große-Frericks aus dem Sauerland. "Wir brauchen mehr Wertschätzung für das regionale Produkt", sagt sie. "Wir produzieren hier zu den allerhöchsten Standards in der EU. Wenn wir diese Standards weiterhin nicht einpreisen können, dann haben wir ein existenzielles Problem." Die Situation entschärfen wollen die Forscherinnen und Forscher vom Leibniz-Institut für Agratechnik. Meyer-Aurich und sein Team arbeiten an Konzepten, Dünger effizienter zu nutzen und auch Düngerersatzstoffe einzusetzen: "Verfahren des Präzisionspflanzenbaus können helfen, Nährstoffe präziser nach tatsächlichem Bedarf auszubringen. Mit Biokohle könnte beispielsweise organischer Dünger aus der Tierhaltung mit weniger Emissionen in die Agrarsysteme eingebracht werden."

Doch was hilft als Alternative zu Mineraldünger? "Wenn Wirtschaftsdünger - Gülle, Festmist oder Kompost - verfügbar ist, kann man Mineraldünger teilweise ersetzen", heißt es vom Deutschen Bauernverband. "Allerdings werden diese Stoffe schon bisher zur Düngung eingesetzt und sind dort fest eingeplant." Fehlen Nährstoffe, macht sich das an der Pflanze schnell bemerkbar. Blätter und Blüten sterben ab, und die Pflanze stellt ihr Wachstum ein. Das kann zu geringeren Ernteerträgen führen und die Preise für Lebensmittel weltweit noch weiter in die Höhe treiben. Das sei ein Weckruf, sagen die Landwirte, um über Düngemittel zu sprechen - aber auch über die Wertschätzung ihrer Produkte. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 20. März 2022 um 23:59 Uhr.