Ein Stück mit Lithium durchsetztes Stück Erz

Großes Vorkommen im Rhein Der deutsche Lithium-Schatz

Stand: 18.10.2021 17:04 Uhr

Für die Elektromobilität spielt Lithium eine Schlüsselrolle. Noch wird das "weiße Gold" vor allem in Südamerika gefördert. Doch Europas größte Quelle liegt in Deutschland. Erste Firmen wollen den Schatz heben.

Seit Jahrhunderten suchen Hobby-Forscher nach dem Schatz der Nibelungen im Rhein. Bisher vergeblich. Das Gold der Nibelungen dürfte wohl nie gefunden werden, es existiert vermutlich nur in der Sage. Einen echten Schatz gibt es aber wirklich - tief unter dem Rhein. Im 300 Kilometer langen und bis zu 40 Kilometer tiefen Oberrheingraben schlummert ein wahrer Lithium-Schatz.

Vulcan Energie will geothermisch Lithium aus dem Rhein holen

Insgesamt 15 Millionen Tonnen des "weißen Goldes" könnten alleine in einem untersuchten Teil des Oberrheintals liegen, glaubt Geologe Horst Kreuter. Daraus könnten jährlich 40.000 Tonnen Lithiumhydroxid gewonnen werden. "Damit ließe sich dann eine Million E-Autos - abhängig von der Batterieleistung und der Art der Batterie - ausstatten", sagt er gegenüber tagesschau.de. "Das gesamte Oberrheintal ist damit die größte Lithiumlagerstätte Europas und eine der größten der Welt."

Kreuter will mit seinem Unternehmen Vulcan Energie den riesigen Lithium-Schatz im Rhein heben. Er hat ein geothermisches Verfahren entwickelt, bei dem bis 200 Grad heißes Thermalwasser aus bis zu vier Kilometer Tiefe nach oben gepumpt und Lithium herausgefiltert wird.

Klimaneutrale Produktion

Das Verfahren komme ohne Zuführung von Energie aus und sei damit praktisch klimaneutral, sagt Kreuter. Auch das erforderliche Wasser könne nach der Extraktion zurück in den Untergrund gepumpt werden. "Wir wollen der erste Produzent von Zero Carbon Lithium werden", gibt der Vulcan-Energie-Geschäftsführer als Ziel aus.

Momentan betreibt Vulcan Energie eine Pilotanlage - mit "sehr erfolgsversprechenden Ergebnissen", sagt Kreuter. 2024 soll die Produktion im großtechnischen Maßstab beginnen. Es gibt mehrere Autohersteller, die vorab schon Verträge zur Abnahme von Mengen vereinbart haben. So wird Vulcan jährlich bis zu 17.000 Tonnen an Renault liefern.

Widerstand in der Bevölkerung

Das Problem ist die fehlende Genehmigung für die Tiefenbohrung. In mehreren Gemeinden hat sich Widerstand von einzelnen Bürgern formiert. Sie befürchten Erdbewegungen durch die Bohrungen, die den Häusern schaden könnten. In der Vergangenheit gab es nach Geothermiebohrungen Risse in Gebäuden in Staufen und Leonberg. Dabei handelte es sich allerdings um Bohrungen in geringen Tiefen von nur 140 Meter, die mit kleinen Bohrgeräten ausgeführt wurden. Vulcan-Chef Kreuter hält die Angst für unbegründet. "Wir sind in der Lage, Erschütterungen zu vermeiden", versichert er. "Wir sind sehr erfahren, arbeiten hochprofessionell und verantwortungsbewusst."

Lithium-Abbau im Erzgebirge

Neben dem Rheingraben gibt es weitere - allerdings deutlich kleinere - Lithium-Vorkommen im Erzgebirge. Im Zinnwald könnten rund 125.000 Tonnen im Berg liegen, ergaben Erkundungen. Die doppelte Menge wird auf der tschechischen Seite vermutet. Anders als unter dem Rhein soll im Erzgebirge das Lithium klassisch als hartes Gestein im Bergwerk abgebaut werden. Die Deutsche Lithium will 2025 mit dem Lithium-Abbau in Zinnwald beginnen.

Ein Jahr früher - 2024 - soll im brandenburgischen Guben eine Fabrik zur Herstellung von batteriefähigem Lithiumhydroxid in Betrieb gehen. Es wäre der erste Konverter in Europa, betont Unternehmenschef Dirk Harbecke. Die kanadische Firma Rock Tech will dort jährlich 24.000 Tonnen herstellen. Das "weiße Gold" kommt allerdings zunächst nicht aus Deutschland, sondern aus einer Mine in Kanada. Firmenchef Harbecke versichert aber, dass "wir deutsches Lithium verwenden, wenn wir es bekommen können".

Martin Dulig (SPD, l), Wirtschaftsminister von Sachsen und Thomas Dittrich, Geologe der "Deutsche Lithium GmbH" im Besucherbergwerk Zinnwald.

Martin Dulig (SPD, l), Wirtschaftsminister von Sachsen, lässt sich beim "Rohstofftag" mit Lithium durchsetztes Erz an einem Hunt erklären.

Rock Tech will teils aus recycleten Batterien Lithium herstellen

Rock Tech setzt auf Kreislaufwirtschaft. Das Unternehmen will einen geschlossenen Lithium-Kreislauf aufbauen - von der Rohstoffaufbereitung über die Batteriefertigung bis zum Einsatz im E-Auto und der Wiederverwertung der Batterien. Bis 2030 soll gut die Hälfte der in der Produktion verwendeten Rohstoffe aus dem Batterien-Recycling stammen. Bis dahin dürfte es genügend Elektro-Fahrzeuge geben, die aus dem Verkehr gezogen werden müssen.

Einen zweiten Konverter plant die Firma AMG in Bitterfeld. Sie könnte schon 2023 in Betrieb gehen. Das reicht noch nicht. "Wir bräuchten etwa 15 Konverter in Europa", sagt Ralf Wehrspohn, Leiter des neu gegründeten Deutschen Lithiuminstituts in Halle.

Europa will sich unabhängiger von Importen machen

Der Bedarf ist riesig. Die E-Offensive von VW, Daimler, BMW & Co. und die zahlreichen Gigafabriken für Batterien werden dafür sorgen, dass sich die Nachfrage bis 2025 mehr als verdoppeln wird auf mehr als 500.000 Tonnen des "weißen Goldes". Europa wird 2050 gut 60 Mal so viel Lithium benötigen wie heute, prognostiziert die EU-Kommission. Um sich von der Importabhängigkeit zu lösen, fördert Brüssel eine europäische Produktion von Lithium.

Bisher stammen 80 Prozent des weltweit abgebauten Lithiums aus Chile, Australien und Argentinien. Es wird nach China transportiert, wo es weiterverarbeitet und dann erst nach Europa exportiert wird. Experten schätzen das weltweite Vorkommen an Lithium auf 50 Millionen Tonnen.

Viele Explorations-Projekte in Europa

Noch gibt es in Europa keine eigenen Lithium-Kapazitäten, weiß Experte Werspohn. "Das wollen wir ändern", sagt er. Ziel sei der Aufbau einer breiten Lithiumwirtschaft in Deutschland. Als ersten Schritt sieht er Raffinerien wie die von Rock Tech und AMG zur Aufbereitung des Rohstoffs.

In ganz Europa prüfen Explorer und Rohstoffkonzerne den Abbau des Lithiums in Bergwerken. So plant der Rohstoffriese Rio Tinto, in der Nähe der serbischen Stadt Loznica an der Drina jährlich 55.000 Tonnen zu produzieren. Weitere Projekte gibt es in Portugal, Spanien und im britischen Cornwall. Diese stoßen teils aber auf großen Widerstand in der Bevölkerung.

Auch in Österreich wird seit Jahren über eine mögliche Lithium-Mine in Wolfsberg an der Grenze zwischen Kärnten und der Steiermark gestritten. Der in Australien ansässige Explorer European Lithium hat seit 2011 die Schürfrechte. Mehrere Gemeinden bangen um ihr Trinkwasser, das sie von der Koralpe beziehen. Zusammen mit anderen Grundeigentümern kämpft der Waffenhersteller Gaston Glock gegen die Australier vor Gericht.

"Goldgräberstimmung in Deutschland!"

Experte Wehrspohn vom Deutschen Lithiuminstitut sieht gute Chancen für eine deutsche Lithiumproduktion. Es herrsche derzeit "ein bisschen Goldgräberstimmung in der Branche", erklärt er. Gerade Regionen, in denen die Kohleindustrie stark war, wären geeignet für den Aufbau einer Lithiumproduktion. Das Institut fördert Innovationen, den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft und Beiprodukte, die beim Lithiumabbau anfallen. Dazu zählt unter anderem Gips, der bisher laut Experte Wehrspohn teils als Nebenprodukt in konventionellen Kraftwerken durch die Rauchgasreinigung anfällt. Durch den Kohleausstieg muss die Gipsindustrie umdenken. Als Alternative gilt Lithium. Bei der Herstellung des Rohstoffs fällt Gips als Nebenprodukt aus.

Anmerkung der Redaktion: An dem Artikel wurden nachträgliche Änderungen vorgenommen.