Pflegekräfte demonstrieren in London (21.12.2022) | EPA

Bahn, Pflegekräfte, Lehrer Großbritannien steht vor neuer Streikwelle

Stand: 04.01.2023 10:44 Uhr

Die hohe Inflation in Großbritannien treibt die Menschen zu Demonstrationen auf die Straßen - doch es geht nicht nur ums Geld. Viele sind ausgebrannt, Pflegekräfte bemängeln die katastrophale Krankenversorgung.

Von Imke Köhler, ARD-Studio London

Neues Jahr, neue Streiks. Der Streikkalender in Großbritannien zeigt viele farbig markierte Tage im Januar: Die Pflegekräfte werden wieder streiken, die Rettungssanitäter auch, Lehrer, Busfahrer und die Bahnmitarbeiter. Letztere sind de facto schon seit gestern wieder im Ausstand.

Imke Köhler ARD-Studio London

Vorwurf: Regierung blockiert Einigung

Und auch, wenn es verschiedene Gewerkschaften sind, die zur Arbeitsniederlegung aufrufen, bedeutet das für Pendler im Ergebnis häufig dasselbe: Sie kommen nicht von A nach B. Die Frau wird ihren Arbeitsplatz nicht erreichen, mit negativen Folgen für ihr Geschäft; der Mann beklagt die finanzielle Zusatzbelastung, wo das Leben doch eh schon teuer ist.

Mick Lynch, der Generalsekretär von RMT, der Gewerkschaft der Bahnbeschäftigten, betont, dass er den Arbeitskampf gerne beilegen würde. Er habe aber von der Arbeitgeberseite schon länger nichts mehr gehört: Seit Mitte Dezember herrsche Funkstille, sagt Lynch. Er wirft zudem der Regierung vor, eine Einigung zu blockieren und die Lage zu nutzen, um die Gewerkschaften schlechtzumachen."

Hohe Inflation treibt Menschen auf die Straßen

In vielen Branchen hat die hohe Inflation von über zehn Prozent die Menschen auf die Straße getrieben, aber es geht nicht nur ums Geld.

Lynch etwa kämpft auch um die Work-Life-Balance der Beschäftigten, wie er sagt, und darum, dass sich die Arbeitsbedingungen nicht verschlechtern: "Wenn wir diese Konditionen nicht verteidigen, werden wir enden wie alle Niedrigverdiener in dieser Gesellschaft, die eine unsichere Arbeit haben und abhängig sind von dem, was der Arbeitgeber gerade mal genehmigt. Und das wollen unsere Mitglieder einfach nicht." 

Die Regierung wirft der Gewerkschaft vor, sich Reformen zu verweigern. In der Bevölkerung kommt der Bahnstreik nicht besonders gut an. Ganz anders ist das bei den Arbeitsniederlegungen der Pflegekräfte. Sie finden mit 66 Prozent die größte Unterstützung, gefolgt von den Streiks der Rettungssanitäter.

Krankenwagen stehen vor Kliniken an

Richard Webber ist ein solcher Sanitäter. Er hat in seiner letzten Schicht - wie viele seiner Kollegen auch - mit seinem Krankenwagen wieder stundenlang vor einem Krankenhaus gestanden, ohne seinen Notfall einliefern zu können. Es gibt keine freien Betten. Webber ist frustriert: "Ich finde es wirklich grotesk, dass ein Patient, der entlassen werden könnte, ein Bett belegt, und eine kranke Person draußen im Krankenwagen für acht oder zehn Stunden warten muss, bevor sie aufgenommen werden kann." 

Das Problem: "Das hat mit dem ganzen System zu tun. Wir haben zu wenig Personal in der Pflege und dort zu geringe Kapazitäten. Die wichtigste Aufgabe ist, Patienten aus dem Krankenhaus entlassen zu können. Dafür brauchen wir eine Ausweitung der Pflege und Investitionen in dem Bereich."

Der Berufsverband der Notärzte schätzt, dass momentan pro Woche 300 bis 500 Menschen sterben, weil die Notfallversorgung nicht mehr funktioniert.

Über dieses Thema berichtete NDR Info am 04. Januar 2023 um 02:15 Uhr.