
Ideen von Firmengründern Wie Startups die Krise nutzen
Während viele Firmen unter den Corona-Folgen leiden, steigt die Zahl der Startup-Gründungen in Deutschland deutlich an. Oftmals sehen sich Unternehmer zum Wandel gezwungen.
Laut Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sank die Gesamtzahl der Existenzgründungen hierzulande im vergangenen Jahr. Dagegen geht der Trend bei Startups genau in die entgegengesetzte Richtung: 2732 neu gegründete Startup-Unternehmen gab es in Deutschland laut Handelsregister-Daten des Branchenportals Startupdetector im Jahr 2020. Das sind über 300 mehr als noch 2019, eine Steigerung um 13 Prozent. In diesen schwierigen Zeiten keine Selbstverständlichkeit. "Die Corona-Krise brachte hohe Belastungen für Selbstständige und Unternehmen mit sich, die wirtschaftliche Unsicherheit ist dabei deutlich gestiegen", so die KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Gelb.
Nicht jede Neugründung ist ein Startup
Doch nicht gleich jeder Gründer, der sich zu einer Selbstständigkeit als Yoga-Lehrer entschließt oder einen Kiosk an der Ecke eröffnet, hat auch ein Startup. Letzteres definiert die KfW in ihrem jährlichen Startup-Report als wachtstumsorientiertes junges Unternehmen mit hohem Zukunftspotenzial, das eine technologische Innovation oder eine deutschlandweite Neuheit auf den Markt bringt. Und davon gibt es in Deutschland viele - auch und gerade in Zeiten von Corona.
Auf neue Wege wagten sich im vergangenen Jahr etwa Lukas Schmyrczyk und seine Frau Daniela Campos. Im Februar 2020 saßen die beiden in Frankfurt am Main beim gemeinsamen Mittagessen und ärgerten sich über die unrealistischen Bilder auf der Speisekarte im Vergleich zu dem, was sie anschließend serviert bekamen. "Was wäre, wenn wir etwas machen, dass das Essen so zeigt, wie es wirklich aussieht, also die Wahrheit", fragten sich Daniela Campos und ihr Mann. "Dann kriegt der Kunde auch genau das, was er sieht", erinnert sich Campos an die damalige Idee. Daraus entstand die Entwicklung einer Plattform für digitale Speisekarten mit kurzen Videos der einzelnen Speisen. Der Name des Startups: Sotrusty, zu deutsch "so zuverlässig".
Dann kam Corona, und aus dem Online-Menü wurde ein wachsendes Online-Shop-Geschäft. "Irgendwann kamen auch Einzelhändler auf uns zu. Wir haben ihnen dann die Lösung so angepasst, dass dieses Modell auch für sie funktioniert", sagt Sotrusty-Gründer Schmyrczyk. Ob Nudeln, Kalender, Mützen oder Drohnenflugkurse: Verschiedenste Unternehmen, viele davon aus der Frankfurter Innenstadt, haben sich über die neue Online-Plattform ein vereinfachtes Angebot ihrer Produkte - mit Bewegtbildern und inklusive Bestellabwicklung - mit Hilfe des neuen Startups, das mittlerweile selbst sechs Mitarbeiter hat, erstellt. Bei Sotrusty verdoppelt sich momentan die Kundenzahl jeden Monat. "Wir haben viele Unternehmen, die mitmachen und tolle Umsätze erwirtschaften. Das Bedeutet für uns: die App und das Konzept funktioniert", so Schmyrczyk.
Homeoffice statt Messebau
Das Geschäftsmodell des international agierenden Messebauers Stephan Haida dagegen funktionierte im vergangenen Jahr mit Beginn der Ausbreitung von COVID-19 schnell nicht mehr. Alle Messen - nach und nach abgesagt. Haidas Firma Artlife aus Hofheim am Taunus erlitt im Jahr 2020 Umsatzeinbußen von 75 Prozent und hat heute statt 60 nur noch 50 Mitarbeiter. "Für uns gab es nur den Weg nach vorne", erzählt der 54-jährige Geschäftsführer. "Wir haben relativ schnell in den Innovationsmodus umgeschaltet."
Im Juli gründete Haida seine Marke "Home Office Total". Als erstes Produkt entwickelte er ein containerähnliches, mobiles Büro für den Garten. "Das war die Keimzelle für uns beim Thema Homeoffice. Damit hat alles angefangen", sagt Haida, selbst wenn seine Erfindung bisher eher ein Nischenprodukt geblieben ist. Doch die Messebaufirma arbeitete weiter am Thema. Neben der Kompletteinrichtung von Arbeitszimmern entwickelt er derzeit platzsparende und zusammenklappbare Sekretäre. Noch seien es Prototypen, doch erste Großkunden zeigten Interesse, so der Unternehmer.
"Schnell experimentieren"
"Das Homeoffice-Geschäft ist gigantisch. Es kann sein, dass es mal größer wird als unser Messegeschäft", sagt Haida, wenn er an die Zeit nach der Krise denkt. Selbst wenn er sich und seine 50 Mitarbeiter als "Messebauer mit Leib und Seele" bezeichnet, glaubt er nicht, dass die Aufträge von einst zurückkommen. Immerhin herrscht aktuell reger Betrieb in der Firma, auch, weil sie den Auftrag für die Renovierung eines Hotels erhielt. In der Corona-Krise müsse man flexibel sein, sagt Haida. Im Februar, so hofft er, wird "Home Office Total" als Startup-Unternehmen ausgegliedert und zum neuen Erfolgsgeschäft - wenn alles gut läuft.
Lukas Schmyrczyk und seine Frau Daniela Campos haben sich für ihr Startup als Ziel gesetzt, nach und nach den internationalen Markt zu erobern und weiter stark zu wachsen. "Jetzt aktuell ist jeder eigentlich im Startup-Modus, ob großes oder kleines Unternehmen", sagt Schmyrczyk. Er rät: "Jetzt muss sich jeder neu finden. Und das beste, was man jetzt machen kann, ist schnell zu experimentieren und nah beim Kunden zu sein."