Arbeitslosigkeit in Spanien Umfassende Reform, aber bisher ohne Wirkung

Stand: 28.07.2012 12:13 Uhr

Das wohl drängenste Problem in Spanien ist die massive Arbeitslosigkeit. Rund 5,7 Millionen Menschen sind aktuell ohne Job - das ist der höchste Stand seit mehr als drei Jahrzehnten. Dabei hatte das Parlament im Frühjahr umfassende Reformen beschlossen.

Von Daniel Sulzmann, ARD-Hörfunkstudio Madrid

Es ist eine wirklich umfassende Arbeitsmarktreform, die Spanien im Frühjahr angestoßen hat: Bisher war der Arbeitsmarkt in zwei Teile gespalten - in fast unkündbare festangestellte Arbeitnehmer und die anderen, die sich mit schlecht bezahlten Praktika und quasi unendlich immer weiter verlängerten angeblich befristeten Verträgen durchgeschlagen haben.

Die in Spanien verabschiedete Reform senkt die Höhe der Abfindungen für Arbeitnehmer und erlaubt erstmals betriebsbedingte Kündigungen, wenn die Unternehmen nachweisen, dass sie schlechtere Umsätze machen. Zudem wird die Einstellung besonders junger und älterer Arbeitnehmer mit Prämien gefördert. Außerdem können die Unternehmen jetzt neben den geltenden Tarifverträgen mit den Arbeitnehmern eigene Vereinbarungen aushandeln.

D. Sulzmann, ARD Madrid, 28.07.2012 12:24 Uhr

Das Ende der hohen Abfindungen

Und die einst hohen Abfindungen, die im Zweifel immer die Kündigung verhinderten, sind jetzt auf die Höhe eines Jahresgehaltes begrenzt worden. Es hat in Spanien den absurden Fall gegeben, dass ganze Firmen Pleite gingen, weil sie sich die hohen Abfindungen nicht leisten konnten und deswegen auch durch Entlassungen keine Kosten einsparen konnten.

Im Gegenzug zu den Zugeständnissen an die Arbeitgeber wurden die befristeten Arbeitsverträge auf zwei Jahre begrenzt, danach muss bei Weiterbeschäftigung eine unbefristete Stelle angeboten werden. Ein nicht unwichtiger Punkt: Nirgendwo gibt es so viele befristete Arbeitsverhältnisse wie in Spanien.

Gewerkschaft: Reform ist sinnlos

Die Gewerkschaft hält von all dem natürlich nichts, der Generalsekretär der Gewerkschaft UGT in Madrid, Jose Ricardo Martínez, findet klare Worte. "Ungerecht, unnütz, unsolidarisch, und uneffektiv. Die Reform macht überhaupt keinen Sinn, wird als Ergebnis zu noch mehr Arbeitslosigkeit führen, zu mehr Billiglohn, zu mehr befristeten Verträgen, zu mehr Unsicherheit."

Doch davon ließ sich Arbeitsministerin Fatima Banez bei der Debatte im Parlament im Frühjahr nicht beeindrucken: "Diese Reform erlaubt den Unternehmen mehr Flexibilität, um auf die unterschiedlichen wirtschaftlichen Situationen einzugehen. Unternehmer und Arbeiter können ihre Anstellungsverhältnisse anpassen, um so besser auf die aktuellen Bedürfnisse der Betriebe einzugehen und so Kündigungen zu vermeiden."

Ohne Wachstum keine neuen Arbeitsplätze

Das allerdings scheint erst mal nicht so ganz richtig gewesen zu sein: Die Arbeitslosenzahlen sind seit Einführung der Gesetze noch einmal deutlich auf rund 5,7 Millionen angestiegen. Denn das Land befindet sich in der Rezession. Und ohne Wirtschaftswachstum auch keine neuen Arbeitsplätze, dazu bekommen Unternehmen wegen der Bankenkrise in Spanien kaum noch Kredite, können also auch nicht investieren. Bis die berühmte Flexibilisierung des Arbeitsmarktes in Spanien wirklich greift, wird es also noch eine Weile dauern.