
US-Techindustrie Jobangst im Silicon Valley
Entlassungen, Einstellungsstopps und Produktionsausfälle bereiten den Beschäftigten der US-Techbranche Sorgen. Besonders kleinere Unternehmen fürchten, dass ihnen in einer Rezession das Geld ausgeht.
Vergangene Woche verschickte Y-Combinator in Mountain View, dort, wo auch Google seinen Sitz hat, eine Warnung an seine Gründerinnen und Gründer. Der sogenannte Inkubator bereitet Start-ups auf das Geschäftsleben vor. In der Mail hieß es, man solle sich auf das Schlimmste vorbereiten.
Das meint auch David Sachs. Er finanziert mit seiner Firma Craft Ventures seit vielen Jahren junge Tech-Unternehmen. "Das ist das Schlimmste, was ich seit dem Platzen der Dot-Com-Blase erlebt habe", sagt er. "Schlimmer sogar als die große Rezession 2008/2009."
Aber nicht nur Start-ups bekommen das schlechtere Geschäftsklima zu spüren. Große Tech-Unternehmen wie Meta oder Salesforce wollen deutlich weniger Personal einstellen. Bei Netflix wurde sogar den ersten Angestellten gekündigt.
Aktien haben stark an Wert verloren
Bei Meta, dem Facebook-Mutterkonzern, soll die Stimmung besonders schlecht sein - nicht nur, weil die Aktienoptionen für die Angestellten wegen des gefallenen Börsenwertes deutlich weniger wert sind. Auch bei Twitter herrscht wegen der geplanten Übernahme durch Tesla-Chef Elon Musk große Unruhe. Hinzu kommt der Wertverlust an den Aktienmärkten.
"Wir sprechen hier von Korrekturen von 70 Prozent, 80 Prozent und mehr", sagt Investor Sachs. Das habe im Silicon Valley zu einer enormen Umstellung geführt: "Es begann bei den börsennotierten Unternehmen, jetzt ist es auf die Wachstumsunternehmen übergesprungen und hat im Grunde das gesamte Ökosystem in Mitleidenschaft gezogen."
Weitere Übernahmen erwartet
Der Aktienindex S&P 500, der von Tech-Aktien dominiert wird, hat in diesem Jahr bisher mehr als 20 Prozent seines Wertes verloren. Lars Meyer von der weltweiten Rechtsanwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer sagt, von einer richtigen Blase könne man derzeit noch nicht sprechen. Meyers Kanzlei unterhält mitten im Silicon Valley in Redwood City ein großes Büro. Freshfields organisiert Übernahmen und Zusammenschlüsse in der Tech-Industrie.
"Gleichwohl sehen wir aber ein doch stabiles Marktumfeld. Es gibt weiterhin Investoren, die in dem Bereich investieren", sagt der Jurist. "Es gibt weiterhin gut geführte Unternehmen mit sehr etablierten, bewährten Gründerteams, die das Ganze auch sicher durch Krisen führen." Er glaube deshalb nicht wirklich an eine Blase. Allerdings habe sich teilweise "eine gewisse Korrektur" eingestellt.
Die Bewertungen vieler Unternehmen seien mittlerweile sehr niedrig. Meyer rechnet deswegen mit weiteren Übernahmen im Silicon Valley: "Man sieht ja auch, dass es weiterhin große Deals im Markt gibt." Beispiele seien etwa die geplante 61-Milliarden-Dollar-Übernahme des Cloud-Spezialisten VMware durch den Chipkonzern Broadcom oder Elon Musks Offerte für Twitter.
Ernüchterung nach dem Pandemie-Schub
Und was sagen die Mitarbeitenden der Tech-Unternehmen? Viele haben Angst - vor allem Mitarbeitende von Unternehmen wie dem Videokonferenzdienst Zoom oder der Streaming-Plattform Netflix, die während der Pandemie groß gefeiert wurden. Nun sorgen sie sich um ihre Arbeitsplätze.
So erging es auch dem Finanzdienstleister Robinhood. Beim Börsenstart im vergangenen Jahr lag der Aktienkurs zeitweise bei über 70 Dollar. Inzwischen steht das Papier bei neun Dollar. Und fast jeder zehnte Angestellten hat eine Kündigung erhalten.