Experten warnen vor EU-Hilfe an Griechenland "Die Folgen für die Steuerzahler wären katastrophal"

Stand: 09.12.2009 16:30 Uhr

Wie bekommt Griechenland seine Staatsfinanzen in den Griff? Die EU fordert einen eisernen Sparkurs, der deutsche Regierungsberater Fuest warnte vor den Folgen einer Finanzhilfe: Sie lade andere Länder zu unseriöser Haushaltspolitik ein. Der griechische Premier Papandreou sicherte zu, das Land werde mit der Krise allein fertig.

Griechenland muss die sich immer schneller drehende Schuldenspirale aus eigener Kraft stoppen und kann sich nicht auf finanziellen Beistand seiner EU-Partner verlassen. Das verdeutlichte EU-Wirtschaftskommissar Joaquin Almunia, der Griechenland zu einem strikten Sparkurs aufforderte. Er kündigte an, das Land stärker in den Blick zu nehmen. Eine schwierige Lage in einem Mitgliedstaat sei für die gesamte Euro-Zone ein Grund zur Sorge. "Die Regierung in Athen muss endlich anfangen, eine seriöse Finanzpolitik zu betreiben", mahnte auch der Vorsitzende des EU-Finanzministerrats, Anders Borg. Das Land, das seit Jahren tiefrote Zahlen nach Brüssel meldet, solle einen mehrjährigen Sanierungsplan vorlegen und kurzfristig drastisch sparen.

EU-Wirtschaftskommissar Joaquin Almunia

EU-Wirtschaftskommissar Joaquin Almunia will Griechenland stärker in den Blick nehmen.

Auch der deutsche Regierungsberater Clemens Fuest warnt vor Finanzstützen für das hoch verschuldete Griechenland. Finanzielle Hilfen etwa in Form einer gemeinsamen Euro-Staatsanleihe dürfe es nicht geben, sagte Fuest, der den wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums leitet, der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Folgen wären katastrophal: Die deutschen Steuerzahler würden haftbar gemacht für Haushalte, auf die sie keinerlei Einfluss haben." Das käme einer Einladung an andere Länder gleich, sich ebenfalls auf Kosten der solider wirtschaftenden Euro-Staaten zu entlasten, sagte der in Oxford lehrende Wirtschaftsprofessor.

"Griechenland muss selbst Verantwortung übernehmen"

Griechenland müsse stattdessen drastische Maßnahmen ergreifen, um seine Finanzen wieder in den Griff zu bekommen und etwa Ausgaben streichen. "Griechenland muss selbst Verantwortung übernehmen", sagte Fuest. Die Europäer könnten helfen, indem sie die Regierung in Athen mit den Instrumenten des Stabilitätspaktes zu einer harten Sanierungspolitik drängen. "Das würde der Sanierung von außen Legitimität verschaffen", sagte Fuest. "Griechenland kann harte Maßnahmen leichter durchsetzen, wenn sie von der Euro-Zone erzwungen werden."

Streik der Athener Müllabfuhr

Müllberge auf Athens Straßen: Die Müllabfuhr streikt seit Anfang Dezember, um mehr Festeinstellungen zu erzwingen. Doch dafür fehlt das Geld im Haushalt.

Die Bundesregierung sieht zurzeit keinen Anlass für mögliche Hilfen an das finanziell schwer angeschlagene Euro-Land Griechenland. Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Michael Offer, verwies auf Aussagen des griechischen Finanzministeriums, wonach das Land die Probleme aus eigener Kraft lösen wolle. "Insofern gibt es auch keinen Grund, jetzt daran zu zweifeln, dass es nicht grundsätzlich auch möglich sein soll."

Papandreou sieht Souveränität gefährdet

Griechenland versuchte, die Angst vor einer Staatspleite zu zerstreuen. Ministerpräsident Giorgos Papandreou versicherte, Athen könne mit der schlimmen Finanzlage fertigwerden. Anderenfalls sei "sogar die Souveränität des Landes Gefahren ausgesetzt", sagte der Regierungschef in einer dramatischen Rede, die vom griechischen Fernsehen übertragen wurde. Er werde in den kommenden Tagen mit allen Spitzenpolitikern des Landes über Maßnahmen für die Genesung der Wirtschaft und für die Bekämpfung der Vetternwirtschaft der Korruption und der Steuerhinterziehung beraten.

Euro-Länder dürfen sich nicht helfen

In der EU gibt es keinen offiziellen Hilfsmechanismus, um Ländern mit der Euro-Währung bei Finanzproblemen unter die Arme zu greifen. Im Gegenteil: Artikel 103 des EU-Vertrags verbietet, dass die Länder der Euro-Zone gegenseitig für ihre jeweiligen Staatsschulden einstehen. Die "No-Bail-Out"-Klausel soll dafür sorgen, dass die Mitgliedsländer Haushaltsdisziplin wahren und nicht auf eine Nothilfe der anderen spekulieren. Den EU-Ländern, die die Gemeinschaftswährung bisher nicht einführten, steht hingegen ein Hilfsfonds von 50 Milliarden Euro zu Verfügung. Rumänien, Lettland und Ungarn erhielten bisher Milliardenbeträge aus diesen Notfallfonds.

Aber auch bei Euro-Ländern bleibt die EU nicht untätig: Nachdem deutlich geworden war, dass das Budgetdefizit Athens im laufenden Jahr 12,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen dürfte, verschärfte die EU das Defizitstrafverfahren gegen Griechenland. In zahlreichen Verfahren dieser Art gab es aber bisher noch keine von der EU verhängten Strafzahlungen.

Neben dem Haushaltsdefizit ist auch die Gesamtverschuldung Griechenlands sehr hoch - das Land rechnet nach eigenen Angaben damit, dass die Staatsverschuldung im kommenden Jahr bei 121 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen wird. Zum Vergleich: Der deutsche Schuldenstand liegt zurzeit bei etwa 73 Prozent des BIP, der Durchschnitt aller Euro-Länder bei 78 Prozent. Die Maastricht-Kriterien sehen eine Obergrenze von 60 Prozent vor - und ein Haushaltsdefizit in Höhe von maximal drei Prozent des BIP.

Gesenktes Rating verteuert Geldaufnahme

Am Dienstag hatte die Ratingagentur Fitch das Rating für die Kreditwürdigkeit des Landes auf "BBB+" gesenkt. Damit ist zum ersten Mal in der elfjährigen Geschichte der Europäischen Währungsunion ein Mitgliedsland nicht mehr in der höchsten Ratingkategorie. Dadurch steigen die Kosten für die Schuldenaufnahme, wodurch sich die Finanzlage des Landes weiter verschärft. Denn der Staat müsste wegen seiner schlechteren Bonität für zehnjährige Anleihen derzeit 5,5 Prozent Zinsen bieten - 2,5 Prozentpunkte mehr als Deutschland.