Auf einem Laptop ist die Übertragung der Online-Hauptversammlung von Lufthansa zu sehen | AFP

DAX-Hauptversammlungen Konzerne halten an Online-Format fest

Stand: 03.02.2023 14:50 Uhr

Statt Würstchen und Kartoffelsalat nun virtueller Snack: In der Pandemie wurde die digitale Hauptversammlung eingeführt. Viele Unternehmen wollen auch in diesem Jahr daran festhalten - und darüber hinaus. Bei Aktionären stößt das aber auf Widerstand.

Seit dem ersten Corona-Jahr ist es ruhiger geworden um die jährlichen Aktionärstreffen, bei denen Vorstand und Aufsichtsrat den Aktieninhabern Rede und Antwort stehen. Demonstrationen vor der Veranstaltungshalle, hartnäckige Fragen aus dem Saal und lebhafte Debatten zwischen Aktionären und der Unternehmensführung auf Hauptversammlungen von Anteilseigenern gibt es kaum noch. Wegen der Pandemie hielten Unternehmen ihre Hauptversammlungen in den vergangenen drei Jahren oft online ab. Und die Mehrheit der DAX-Konzerne will dabei bleiben.

Von den 40 größten Unternehmen am deutschen Aktienmarkt plant bereits mehr als die Hälfte auch in diesem Jahr eine rein digitale Hauptversammlung. Das geht aus einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa hervor. 22 DAX-Konzerne planen Online-Formate, nur zehn Unternehmen haben sich für ein Treffen in Präsenz entschieden - darunter BASF, Henkel, Airbus und Porsche. Bei sieben Unternehmen steht die Entscheidung noch aus. Ein Konzern machte keine Angaben.

Forderung nach hybridem Format

Von Aktionärsseite kommt viel Kritik an der rein digitalen Hauptversammlung. Deutsche Aktionärsschützer sehen die Gelegenheit für einen lebendigen Austausch zwischen Aktionären und Unternehmensführung gefährdet und fordern stattdessen etwa ein hybrides Format. "Die Präsenzhauptversammlung ist ein ganz wichtiger Bestandteil der Aktienkultur in Deutschland", sagte Daniela Bergdolt, Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). "In Präsenz ist der lebendige, kritische Dialog zwischen Unternehmen und Aktionären am besten umsetzbar."

Die Möglichkeit einer Hauptversammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre wurde zu Beginn der Corona-Pandemie eingeführt. Die jährlichen Treffen, bei denen üblicherweise Tausende Menschen zusammenkommen, um über die Dividendenausschüttung, Kapitalerhöhungen und die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat abzustimmen, durften online stattfinden. Im vergangenen Sommer machte der Bundestag die Sonderregelung dann mit gewissen Änderungen dauerhaft möglich. Die Rechte der Aktionäre sollen dabei auch online uneingeschränkt gewährleistet werden, etwa durch ein "Live"-Nachfragerecht.

Der kulinarische Klassiker aller Hauptversammlungen, Kartoffelsalat mit Würstchen. | picture alliance / Soeren Stache

Bald ein Relikt der Vergangenheit? Der kulinarische Klassiker aller Hauptversammlungen, Kartoffelsalat mit Würstchen. Bild: picture alliance / Soeren Stache

Planungssicherheit, günstiger und weniger CO2?

Nach Ansicht von Unternehmen wie Beiersdorf, Merck, BMW, Siemens und Vonovia, die sich auch in diesem Jahr für eine Online-Hauptversammlung entschieden haben, hat sich das neue Format in der Corona-Zeit bewährt. Die DAX-Konzerne sehen dabei verschiedene Vorteile: Man habe mehr Planungssicherheit, schütze die Gesundheit der Beteiligten, es würden Kosten, Aufwand und CO2-Emissionen durch die Anreise gespart und die Teilnahme von mehr und auch internationalen Aktionären ermöglicht.

Bei der Hauptversammlung im Netz fallen die teils hohen Kosten für Saalmiete, Verpflegung und Personal weg. Das Gesundheitsunternehmen Fresenius sparte mit dem Online-Format nach eigenen Angaben in den vergangenen zwei Jahren rund ein Viertel der Kosten im Vergleich zu vorigen Präsenzversammlungen. Der Werkstoffhersteller Covestro und der Energiekonzern E.ON rechnen sogar mit einer Kosteneinsparung von um die 50 Prozent. Andere Unternehmen bezifferten den Unterschied auf einen sechsstelligen Eurobetrag. Viele sagten aber auch, niedrigere Kosten seien kein Maßstab bei ihrer Entscheidung gewesen.

Satzungsänderung erforderlich

Im vergangenen Sommer ist das Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften in Kraft getreten. Dabei haben die Unternehmen bis August 2023 noch die Möglichkeit, die Hauptversammlungen auch ohne Zustimmung der Aktionäre online abzuhalten. Danach braucht es jedoch eine Satzungsänderung, die das Online-Format für maximal fünf Jahre festlegen kann oder den Vorstand ermächtigt, das Treffen in diesem Zeitraum auch im Netz abzuhalten. Dieser Satzungsänderung müssen die Anteilseigner zustimmen.

Die virtuellen Veranstaltungen müssen dabei jedoch bestimmte Rechte der Aktionäre wahren. Dazu gehört unter anderem die Bild- und Tonübertragung, auch die elektronische Ausübung ihrer Stimmrechte oder ein "Live"-Rederecht.

Diskussion über zukünftiges Format

Der Vorschlag einer Satzungsänderung steht in diesem Jahr bei einigen Hauptversammlungen auf der Tagesordnung. Dabei dürften die Unternehmen auch mit Widerstand der Aktionäre rechnen. "Eine pauschale Ermächtigung über ein oder zwei Jahre hinaus ohne eine Konkretisierung der Ausgestaltung der virtuellen Hauptversammlung und der Aktionärsrechte wird von den Aktionären - privaten wie institutionellen - abgelehnt", sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW. Die Aktionäre wollen danach konkret wissen, wie ihre Rechte im Online-Format ausgestaltet oder gegebenenfalls beschränkt werden, und fordern eine offene Präsenz-Diskussion über das zukünftige Hauptversammlungsformat.

Widerstand gegen Satzungsänderung bei Siemens

Nach dem Auftakt der DAX-Hauptversammlungen von Siemens Energy am 7. Februar folgt zwei Tage später das Aktionärstreffen von Siemens. Auf einem Tagesordnungspunkt wird es dabei auch um eine Satzungsänderung gehen, welche den Vorstand ermächtigt, die Hauptversammlungen für zwei Jahre virtuell zu veranstalten. Der Mitarbeiteraktionärsverein "Wir für Siemens" lehnt dies ab und hat bereits angekündigt, dagegen zu stimmen. Und auch die Fondsgesellschaften Union Investment sowie Deka Investments werden gegen einen entsprechenden Tagesordnungspunkt stimmen. Das hatte die "Wirtschaftswoche" berichtet.

"Wir sind nicht grundsätzlich gegen die virtuelle Hauptversammlung - wenn die Rahmenbedingungen diese rechtfertigen oder notwendig machen", sagte DSW-Vizepräsidentin Bergdolt. "Nachdem Corona uns aber nicht mehr in den virtuellen Raum zwingt, sollte Siemens doch die Chance nutzen, sich persönlich den Aktionären zu stellen." Gerade weil Siemens auf 175 Jahre Unternehmensgeschichte zurückblicke, die auch durch ein gutes Verhältnis mit den Aktionären geprägt war.

Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 09. Februar 2023 um 09:35 Uhr im "Update Wirtschaft".