Hintergrund

Bilanz Olympischer Spiele Barcelona top - Sotschi Flop

Stand: 16.03.2015 14:25 Uhr

Für Barcelona, Tokio und Seoul waren die Olympischen Spiele eine Erfolgsgeschichte. Für andere Städte, wie Montreal oder Athen hingegen endete das Spektakel im finanziellen Desaster. tagesschau.de zieht eine Bilanz bisheriger Olympiastädte.

Von Sandra Stalinski, tagesschau.de

Barcelona hat wie kaum eine andere Stadt von den olympischen Spielen 1992 profitiert. Das Gesicht der Stadt änderte sich während der Vorbereitungen auf die Sommerspiele grundlegend. Aus dem Industrieviertel am Meer wurde ein attraktive Wohngegend mit Stadtstrand, die Verkehrsnetze wurden ausgebaut, Hotels gebaut und erweitert. Bis heute zieht die mediterrane Stadt mit dem Olympiaflair zahlreiche Touristen an.

Auch Tokio 1964 wird mit dem wirtschaftlichen Aufstieg des Landes in Verbindung gebracht. Seoul 1988 ging einher mit einem gesellschaftlichen Transformationsprozess hin zu einer parlamentarischen Demokratie. Und unter ökonomischen und stadtplanerischen Aspekten war auch München 1972 ein Erfolg. "Die Spiele haben die Stadt um zehn, vielleicht um 20 Jahre nach vorne gebracht", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Maennig.

Neue Stadtgebiete wurden erschlossen, Architektur-Ikonen wie das Zeltdach des Olympiastadions ziehen bis heute viele Besucher an, aus dem ehemaligen olympischen Dorf wurde ein Studentenwohnheim in bester Lage. International hingegen wird dieses Jahr wegen des Attentats auf die israelische Olympiamannschaft als ein Tiefpunkt der olympischen Bewegung bewertet.

Montreal, Sydney und Athen sind Verlierer

Den Erfolgsgeschichten steht eine lange Liste von Olympia-Verlierern gegenüber. Montreal 1976 wurde zum finanziellen Debakel. Die öffentliche Hand zahlte laut einer Studie 1,17 Milliarden kanadische Dollar drauf. Unter anderem, weil die Baukosten sich beinahe verzehnfacht hatten. Die Stadt - und somit die Steuerzahler - brauchten 30 Jahre, um die Schulden zu tilgen.

Auch die Sommerspiele in Sydney hinterließen ein Defizit: Laut offiziellen Angaben des australischen Bundesstaates New South Wales, lagen die Kosten für die Öffentlichkeit zwischen 1,7 und 2,4 Milliarden australischen Dollar. Die Sportstätten werden kaum genutzt und verursachen weiterhin Folgekosten.

Noch schlimmer steht es um die Sportstätten der Sommerspiele in Athen 2004: Unkraut überwuchert die zerfallenden Arenen und Anlagen, Obdachlose schlafen auf den Tribünen. Offiziell lagen die Kosten der öffentlichen Hand bei elf Milliarden Euro.

Bausünden in Peking und Sotschi

Spätestens seit den Bausünden von Peking und Sotschi hat das Image der Olympischen Spiele schwer gelitten. Die Kosten der Sommerspiele in Peking 2008 werden von Ökonomen auf mehr als 40 Milliarden US-Dollar geschätzt. Übertroffen nur von den Winterspielen in Sotschi, deren Kosten auf mehr als 50 Milliarden US-Dollar geschätzt werden. In beiden Fällen dürfte die ökonomische Bilanz für Land und Region desaströs ausfallen.

Die Instandhaltung des 460 Millionen US-Dollar teuren Olympiastadions "Vogelnest" in Peking kostet nach Schätzungen des Wirtschaftswissenschaftlers Andrew Zimbalist zehn Millionen US-Dollar jährlich. Genutzt wird es aber kaum: Eigentlich sollte der chinesische Club Beijing Guo'an in dem Stadion spielen. Doch der Verein hat einen Rückzieher gemacht - aus Angst, sich mit durchschnittlich 10.000 Fans in einem Stadion mit 90.000 Plätzen zu blamieren. Auch andere Sportstätten in Peking, wie die 55 Millionen Dollar teure Ruderanlage, die Radrennbahn und die Beach-Volleyballfelder, werden so gut wie nicht mehr genutzt.

Profitiert hat die Bevölkerung Pekings aber durch den neuen Flughafen, den Ausbau des Straßennetzes und insbesondere die ökologische Sanierung ganzer Stadtteile. Während der Vorbereitung auf die Spiele entstand ein neues Umweltbewusstsein: In der Stadt wurden eine Million Bäume gepflanzt, Luft- und Trinkwasserverschmutzung wurden reduziert. Wie nachhaltig diese Bemühungen allerdings sind, ist umstritten.

Verheerende Bilanz von Sotschi 2014

Noch schlechter fällt die Bilanz von Sotschi 2014 aus: Wladimir Putins PR-Strategie sah vor, das subtropische Urlaubsparadies in ein ganzjährig besuchtes Sommer- und Winterurlaubszentrum zu verwandeln. Wie viel das am Ende gekostet hat, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Ökonomen schätzen die Ausgaben auf 50 bis 65 Milliarden US-Dollar, womöglich sogar mehr. "Wie viele Touristen müssten jährlich kommen, um das zu kompensieren?", fragt der Ökonom und Olympia-Experte Zimbalist vom Smith College in Nothampton.

Die bittere Wahrheit ist: Vermutlich kam kaum ein Tourist mehr, stattdessen haben die Olympischen Spiele während der Vorbereitungs- und Bauphase dem Tourismus in Sotschi laut Zimbalist sogar erheblich geschadet.

Hinzu kamen Menschenrechtsverletzungen auf den Baustellen: Laut Human Rights Watch waren 7-Tage-Wochen mit zehn Arbeitsstunden und mehr an der Tagesordnung, gezahlt wurden Löhne zwischen 1,80 und 2,60 US-Dollar, manche Arbeiter erhielten ihre Löhne verspätet oder gar nicht, viele Wanderarbeiter wurden in menschenunwürdigen Unterkünften zusammengepfercht. Und auch die Umwelt hat gelitten: Umweltschützer beklagen, dass die Bauarbeiten Gebirgslandschaft und Biodiversität erheblich geschadet haben.