
Debatte um Rente Ökonomen gegen Merz' Aktienidee
Stand: 03.12.2018 16:14 Uhr
Die Rente mit Aktien absichern und dafür Steuervorteile bekommen - dieser Vorschlag von Friedrich Merz stößt ausgerechnet bei Wirtschaftsexperten auf Skepsis. Gegenwind kommt auch aus der eigenen Partei.
Die Deutschen besäßen im internationalen Vergleich zu wenig Aktien - diese Feststellung stand gleich am Anfang von Friedrich Merz' Kandidatur für den CDU-Vorsitz. Der frühere CDU-Fraktionsvorsitzender präsentierte sich damit auch als Mann der Wirtschaft. Doch sein jüngster Vorschlag für Steuerfreiheit für den Aktienkauf als Form der Altersvorsorge stößt bei Wirtschaftsexperten auf gemischte Reaktionen.
Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Michael Hüther, lehnte den Vorstoß des Kandidaten gegenüber der "Rhein-Neckar-Zeitung" ab. Er sprach sich stattdessen dafür aus, bestehende Systeme zu überprüfen.
Hüther vertrat die Ansicht, es gebe "grundsätzlich keinen Grund bestimmte Anlageformen - wie Aktien oder Renten - steuerlich für die Altersvorsorge zu begünstigen". Mit den Riester- und Rürup-Renten gebe es bereits eine steuerliche Förderung, die aus verschiedenen Gründen auch kritisiert werde. Es müsse gefragt werden, ob durch bestehende Regelungen bestimmte Anlageformen diskriminiert würden.
"Bestehende Verzerrungen abbauen"
Die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel sagte der "Welt", eine gezielte Begünstigung spezieller Anlageformen halte sie für "problematisch". Es wäre besser, "bestehende steuerliche Verzerrungen abzubauen".
Der Leiter des Münchner Ifo-Institutes, Clemens Fuest, sagte der "Welt", es sei richtig dafür zu werben, "dass die Menschen in Deutschland mehr und intelligenter, also unter Einbeziehung von Aktien, für den Ruhestand sparen". Einzelmaßnahmen wie ein Freibetrag seien aber "nicht zielführend".
Unterstützung erhielt Merz dagegen von Fuests Vorgänger Hans-Werner Sinn. Dieser bezeichnete Merz' Vorschlag als "richtige und wichtige Idee".
Kritik aus den eigenen Parteireihen
Der CDU-Arbeitnehmerflügel hingegen lehnte den Vorstoß ab. "Wenn 48 Prozent der Altersrenten unter 800 Euro liegen, brauchen wir keine steuerlichen Vorteile für Kapitalanleger, sondern eine Stärkung der gesetzlichen Rente", sagte der Vizechef der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, dem "Handelsblatt".
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet warnte die CDU vor einem Richtungswechsel. Der Kurs der Mitte sei für die CDU und für Deutschland erfolgreich gewesen, sagte Laschet den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Daran wird jeder neue Parteichef sich zu orientieren haben."
Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Parteivorsitz, im Gespräch mit Tina Hassel
Bericht aus Berlin 18:30 Uhr, 02.12.2018
"Privatisierung der Rente"
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kritisierte die Vorstellungen von Merz als "riesigen Schritt in die Privatisierung der Rente". Jetzt lasse der CDU-Vorsitzkandidat "die Masken fallen". Was er vorschlage, sei ein "milliardenschwerer Gefallen für Reiche".
SPD-Faktionsgeschäftsführer Carsten Schneider erklärte, statt "Aktiendeals von wenigen" mit Steuersubventionen zu stützen, müsse die gesetzliche Rente gestärkt werden.
Details später regeln
Merz hatte seinen Vorschlag am Wochenende in mehreren Medien verbreitet. Im Bericht aus Berlin sagte er, die private und die betriebliche Altersversorgung müsse gestärkt werden. Über Detailfragen müsse jedoch geredet werden. Die Arbeitnehmer stärker am Produktivkapital zu beteiligen und den Erwerb von Aktien steuerlich zu fördern, sei ein "altes Versprechen der Sozialausschüsse", das er sich zu eigen gemacht habe.
In der "Welt" hatte er zuvor erläutert, dass ein jährlicher Beitrag steuerliche Anreize schaffen könnte, der Sparern helfen würde, einen auf Aktien basierenden Vorsorgeplan aufzubauen. Dieser dürfe dann im Alter nicht mehr nachversteuert werden.
Merz sprach von einem "kleinen einstelligen Milliardenbetrag" für entsprechende Freibeträge. Das müsse "verkraftbar" sein, sagte er und verwies darauf, dass der Bund jährlich 100 Milliarden Euro für die Stabilisierung der Rente aufbringe.
Opposition winkt ab
Auch bei der Oppositon war der Vorstoß umgehend auf Ablehnung gestoßen. Für die Grünen erklärte Finanzexperte Gerhard Schick, zwar sei es sinnvoll, die Altervorsorge über produktives Kapital zu stärken. Allerdings fehle es nicht an steuerlicher Förderung, sondern an einem guten und einfachen Angebot, bei dem nicht Banken und Versicherungen die Hand aufhielten.
Die Linkspartei verwies auf Merz' Engagement beim Finanzinvestor Blackrock und äußerte die Vermutung, Merz wolle diesem eine zusätzliche Rendite zuschießen. Die AfD warf die Frage auf, wie ärmere Bürger Geld für Aktien aufbringen sollten.
"Die Richtung der Debatte stimmt, aber es gibt bessere Instrumente", sagte dagegen der FDP-Sozialpolitiker Johannes Vogel der Nachrichtenagentur AFP. Angesichts der Demographie sei die kapitalgedeckte Altersvorsorge unverzichtbar. "Sie muss einfacher, verbraucherfreundlicher und auch aktienorientierter werden."
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