Scharfe Kritik an mangelndem Wettbewerb EU: Konzerne sollen Stromnetze abgeben

Stand: 10.01.2007 17:44 Uhr

Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, die Energiekonzerne zum Verkauf ihrer Netze zu zwingen, um den stockenden Wettbewerb anzuregen. Die Mitgliedstaaten müssen einem solchen Vorschlag zustimmen. Außerdem will die Kommission den Ausstoß der Treibhausgase deutlich senken.

Die EU-Kommission will die Energiekonzerne zwingen, ihre Netze aufzugeben. Kommissionspräsident José Manuel Barroso machte in Brüssel einen entsprechenden Vorschlag. Barroso meinte, die Netze müssten verkauft werden. "Das ist uns klare Präferenz", sagte er. Die Kommission erkenne aber an, dass auch Alternativen denkbar seien. So wäre es auch möglich, dass die Energiekonzerne Eigentümer ihrer Netze blieben. Sie müssten dann jedoch die Kontrolle über sie abgeben. Verbraucher und Unternehmen müssten Energie zu bezahlbaren Preisen kaufen können. Derzeit funktioniere der Wettbewerb aber nicht ausreichend.

Keine Aussage zum Atomstreit

Im Streit über die Atomenergie sieht die Kommission die Mitgliedsländer am Zug. Kommissionspräsident Barroso sagte, er habe in der Debatte nichts zu sagen. Dies sei eine Sache der Mitgliedstaaten, wo es erhitzte Diskussionen gebe. Die EU sei aber bereit, den Atomstromländern bei der Verbesserung der Sicherheit zu helfen.

In der Klimapolitik fordert die Kommission jedoch von den 27 Mitgliedstaaten eine Verringerung der schädlichen Treibhausgase bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent. Sie geht damit weit über die Forderungen des Kyoto-Protokolls hinaus. Mit Hilfe der Kernenergie könne Strom nahezu ohne Ausstoß von Treibhausgasen erzeugt werden, sagte EU-Energiekommissar Andris Piebalgs. "Atomkraft ist die größte Quelle CO2-armer Energie" Auch er fügte hinzu, es sei Sache jedes einzelnen EU-Staats, ob er Kernenergie nutzen wolle oder nicht.

Bundesregierung mit Entscheidungen zufrieden

Die Bundesregierung begrüßte die Vorschläge der EU-Kommission. Über die Ziele mehr Wettbewerb, mehr Transparenz sowie niedrige Preise gebe es keinen Dissens, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg. Welche Instrumente und juristischen Fragen bei der Umsetzung damit verbunden seien, "das wird man sehen". Die Aspekte, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern und mehr für Energieeffizienz zu tun, seien ebenfalls positiv.

Wettbewerbskommissarin Kroes kritisiert Konzerne scharf

EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes stellte in Brüssel eine Untersuchung des Energiesektors vor, die ein Teil der ersten großen EU-Energiestrategie ist. "Dieser Bericht dürfte für viele Energiegesellschaften eine unerfreuliche Lektüre sein", sagte Kroes. Die Kommission verfüge nun über harte Fakten, um wettbewerbsrechtliche Schritte zu unternehmen. Dies betreffe das Kartellrecht, die Fusionskontrolle und die Kontrolle staatlicher Subventionen.

Wettbewerb durch Absprachen unterdrückt

Besonders werde der Wettbewerb durch Absprachen der Konzerne über die Aufteilung von Märkten behindert, sagte Kroes. Sie nannte bisher keine einzelnen Unternehmen oder konkrete Schritte. Die Kommissarin beklagte zudem allgemein, die Verbraucher hätten unter zu geringen Investitionen in die Netze zu leiden. Erneut griff sie das Geschäftsmodell der großen Versorger an, Lieferung, Erzeugung und Netzinfrastruktur in einer Hand zu haben. Dies verschaffe den etablierten Unternehmen Vorteile.

Bisher gibt es keine umfassende Kompetenz der Kommission, eine gemeinsame Energiepolitik voranzutreiben. Die Mitgliedstaaten müssen einem solchen Vorschlag zustimmen. Die Bundesregierung lehnt jedoch eine Zwangsaufspaltung der Konzerne ebenso ab wie Frankreich. Die Energiestrategie beschäftigt die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel Anfang März.

Die Debatte um eine Energiestrategie hat auch durch den jüngsten Streit zwischen Russland und Weißrussland an Dynamik gewonnen.