Hintergrund

Hintergrund Chancen und Risiken des ITER-Reaktors

Stand: 26.08.2007 13:33 Uhr

Der Forschungsreaktor ITER soll die Verschmelzung von Atomkernen als Energiequelle der Zukunft erschließen. Dabei werden physikalische Vorgänge genutzt, wie sie in der Sonne ständig ablaufen.

Kernfusion

Anders als die Kernspaltung wird die Verschmelzung von Atomkernen technisch noch nicht beherrscht. Nach Vorplanungen für den ITER (englisch für International Thermonuclear Experimental Reactor) die Abkürzung bedeutet auf Lateinisch "der Weg") dürfte es drei Jahrzehnte dauern, um den Nachweis zu erbringen, dass diese Energiequelle wirtschaftlich genutzt werden kann. Um das Feuer der Kernfusion zu zünden, muss der Brennstoff - ein Plasma aus den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium - wärme-isoliert, in Magnetfeldern eingeschlossen und auf unvorstellbar hohe Temperaturen von rund 100 Millionen Grad erhitzt werden. Dabei verschmelzen die Deuterium- und Tritium-Atome zu Helium-Atomen. Dieser Verschmelzungsprozess setzt Energie frei.

Fusionsreaktor

Der Fusionsreaktor soll etwa 30 Meter hoch sein und einen Radius von 15 Metern haben. Sein Herzstück bildet eine ringförmige Vakuum-Röhre. Zur Erzeugung des erforderlichen Hochtemperaturplasmas werden 73 Megawatt benötigt, um im Idealfall 500 Megawatt an Leistung herauszuholen. Das Plasma zirkuliert in der Röhre, die nach einem russischen Kunstwort als Tokamak bezeichnet wird. Der Radius der Röhre beträgt 6,2 Meter, der Tokamak hat ein Volumen von 837 Kubikmetern. Das ITER-Projekt wurde 1985 durch den sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow und die Präsidenten der USA und Frankreichs, Ronald Reagan und François Mitterrand, eingeleitet. Eines der führenden Forschungszentren für Kernfusion ist am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching bei München angesiedelt.

Kosten

Die Baukosten wurden zu Anfang mit 4,6 Milliarden Euro, die Betriebskosten auf jährlich 265 Millionen Euro veranschlagt. Darin sind Rücklagen für den späteren Rückbau des Testreaktors eingeschlossen. Insgesamt soll das Projekt inzwischen gut 15 Milliarden Euro kosten. Mit 40 Prozent soll die Europäische Union den Löwenanteil tragen, je zehn Prozent Frankreich und Japan. Die restlichen 40 Prozent teilen sich Russland, China, Südkorea und die USA.

Risiken

Auch bei der Kernfusion fallen radioaktive Abfälle an. Nach Angaben von Verfechtern des ITER-Projektes strahlen diese Abfälle aber viel weniger stark als Atombrennstäbe. Nach hundert Jahren Lagerung soll der ITER-Müll die Umwelt weniger belasten als Abfälle aus Kohlekraftwerken. Selbst ein Atomunfall würde demnach wesentlich geringere Auswirkungen haben: Er würde den teuren Testreaktor beschädigen, soll aber die Umwelt nicht belasten. Selbst bei einem "Gau" wäre eine Evakuierung der Bevölkerung nicht nötig.

Die Umweltorganisation Greenpeace macht hingegen geltend, unter dem Strich fielen beim ITER so viele strahlende Abfälle an wie bei jetzigen AKWs. So werde etwa zehn Mal mehr strahlendes Tritium freigesetzt als von den bislang 19 deutschen AKWs zusammen.

Außerdem gilt die Gegend um Cadarache als Erdbeben-Risikogebiet. Das Gelände der geplanten Atomanlage ist von so genannten geologischen Verwerfungen umgeben. Damit sei der Boden "besonders instabil", sagt der Geologe Jacques Muller vom französischen Forschungsinstitut CNRS. Das letzte Erdbeben in dem Gebiet hatte 1909 eine Stärke von 6,2 auf der Richter-Skala und tötete 49 Menschen.