Einkommen von Frauen 22 Prozent niedriger als bei Männern Erst erziehen, dann weniger verdienen

Stand: 09.06.2008 12:44 Uhr

Frauen verdienen in Deutschland laut EU-Kommission im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer. Damit erreicht die Bundesrepublik einen europäischen Spitzenplatz in Sachen Ungleichheit. EU-Kommission und Arbeitgeber begründen das vor allem mit der schlechten Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Das Einkommensgefälle zwischen Frauen und Männern ist nach Angaben der EU-Kommission in Deutschland besonders stark ausgeprägt. "In Deutschland liegt der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen um rund 22 Prozent unter dem der Männer. Damit gehört Deutschland zu den Staaten mit der größten Ungleichheit bei der Bezahlung von Männern und Frauen", sagte EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla der Tageszeitung "Die Welt". Nur in Estland, Zypern und in der Slowakei seien die Unterschiede noch größer oder ebenso groß. EU-weit verdienten Frauen demnach laut den aktuellsten Vergleichszahlen aus dem Jahr 2005 pro Stunde 15 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.

Einkommensunterschiede steigen mit dem Alter

Die EU-Kommission zeigte in einer kürzliche veröffentlichten Studie, dass die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern mit fortschreitendem Alter zunehmen. Frauen unter 30 Jahren erreichten demnach EU-weit durchschnittlich noch 92 Prozent der Stundenlöhne von Männern. In der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen fiel dieser Wert auf 80 Prozent. Frauen über 40 erreichten im Schnitt nur noch knapp 70 Prozent des Verdienstes von Männern. Die EU-Kommission führt dies unter anderem auf die häufige Unterbrechung der beruflichen Laufbahn von Frauen aufgrund der Betreuung von Kindern zurück. Männer seien zudem weit häufiger in Führungspositionen und als Fachkräfte beschäftigt.

Spidla fordert bessere Familienpolitik

EU-Kommissar Spidla forderte, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Jede dritte Frau arbeite nur in Teilzeit. Spidla sagte, Teilzeitarbeit könne natürlich aus persönlichen Vorlieben resultieren. "Der eigentliche Grund für Teilzeitarbeit vieler Frauen besteht jedoch darin, dass sie über weniger Zeit als Männer verfügen, weil sie sich um die Betreuung von Kindern oder Angehörigen kümmern müssen." Die Beschäftigungsquote von Frauen mit Kindern liege in der EU bei nur 62 Prozent. "Elternschaft senkt die Erwerbsquote von Frauen dauerhaft, die von Männern dagegen überhaupt nicht - das ist nicht länger akzeptabel", erklärte der EU-Kommissar.

"Gleichzeitig fordere ich die Arbeitgeber auf, das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit auch wirklich anzuwenden", sagte Spidla. Den Arbeitgebern falle bei der Bekämpfung von ungerechtfertigten Lohnunterschieden in der EU "eine Schlüsselrolle" zu. Es sei "wichtig, dass sie die einschlägigen Rechtsvorschriften auch einhalten". Dies sei nicht nur eine ethische Frage. Eine faire Bezahlung würde auch die Motivation der Mitarbeiter verbessern und damit zu Produktivitätssteigerungen führen.

Arbeitgeber verweisen auf Berufswahl

Die deutschen Arbeitgeber begründen das in Deutschland besonders stark ausgeprägte Einkommensgefälle vor allem mit den Entwicklungen in der Familienpolitik. "Viele Frauen üben häufiger eine Teilzeittätigkeit aus - auch wegen der derzeit noch unzureichenden Betreuungsmöglichkeiten vor allem für Kinder unter drei Jahren", sagte Alexander Böhne, Referent für betriebliche Personalpolitik bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Hinzu kämen persönliche Entscheidungen, die das Lohnniveau unmittelbar beeinflussten: "Das nach wie vor zu limitierte Berufswahlverhalten von Frauen spielt eine wichtige Rolle: Sie fokussieren sich häufig auf Berufsfelder und Branchen, die schlechtere Einkommensaussichten bieten", sagte Böhne.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht in den Berufsentscheidungen von Frauen sowie in der schlechten Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtige Faktoren für das Einkommensgefälle zwischen den Geschlechtern in Deutschland. Frauen arbeiteten zudem häufiger in kleinen Betrieben und mittelständischen Unternehmen, bei denen im Allgemeinen weniger zu verdienen sei, erklärte eine DGB-Sprecherin. Beispiele aus Skandinavien und Frankreich zeigten darüber hinaus, dass die Durchsetzung wirksamer Gleichstellungsgesetze großen Einfluss auf die Einkommensunterschiede habe. Hier bestehe in Deutschland erheblicher Nachholbedarf.